Aktuelle Entwicklungen im Straf- und Strafprozessrecht (August bis November 2020)

Prof. Dr. Anja Schiemann, Münster

Im Zeitraum von August bis einschließlich November 2020 hat der Gesetzgeber das 59. Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches, die Verordnung über den Zeitpunkt der Einführung der elektronischen Aktenführung in Strafsachen im Geschäftsbereich des Bundes und das 6. Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen im Bundesgesetzblatt verkündet. Dadurch ergeben sich die im folgenden ausgeführten Änderungen.

1. Verbesserung des Persönlichkeitsschutzes bei Bildaufnahmen

Am 9.10.2020 wurde das Neunundfünfzigste Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Persönlichkeitsschutzes bei Bildaufnahmen im Bundesgesetzblatt verkündet (BGBl. I 2020, S. 2075 f.). Gem. Art. 4 wird das Gesetz am 1.1.2021 in Kraft treten.
Durch die Änderung wird der Straftatbestand der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen gem. § 201a StGB auf die unbefugte Herstellung oder Übertragung von Bildaufnahmen ausgedehnt, die in grob anstößiger Weise eine verstorbene Person zur Schau stellen. Daneben wird ein neuer Straftatbestand eingefügt, der die Verletzung des Intimbereichs durch Bildaufnahmen unter Strafe stellt (§ 184k StGB). Erfasst werden die Fälle des sog. „Upskirtings“ und „Downblousings“. Unter erstere fallen die unbefugte Aufnahme des Gesäßes oder von Genitalien unter der Oberbekleidung einer Person („up“ für „nach oben“ und „skirt“ für Rock). Letztere erfassen das unbefugte Herstellen einer Aufnahme von der weiblichen Brust, indem beispielsweise der Ausschnitt einer Bluse fotografiert oder gefilmt wird.

Der neue Straftatbestand § 184k StGB hat folgenden Wortlaut:

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

  1. absichtlich oder wissentlich von den Genitalien, dem Gesäß, der weiblichen Brust oder der diese Körperteile bedeckenden Unterwäsche einer anderen Person unbefugt eine Bildaufnahme herstellt oder überträgt, soweit diese Bereiche gegen Anblick geschützt sind,
  2. eine durch eine Tat nach Nummer 1 hergestellte Bildaufnahme gebraucht oder einer dritten Person zugänglich macht oder
  3. eine befugt hergestellte Bildaufnahme der in der Nummer 1 bezeichneten Art wissentlich unbefugt einer dritten Person zugänglich macht.

(2) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, dass die Strafverfolgungsbehörden wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält.

(3) Absatz 1 gilt nicht für Handlungen, die in Wahrnehmung überwiegender berechtigter Interessen erfolgen, namentlich der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dienen. (…)

2. Verordnung über den Zeitpunkt der Einführung der elektronischen Aktenführung in Strafsachen im Geschäftsbereich des Bundes

Die Bundes-E-Strafakten-Einführungsverordnung (BEStrafAktEV) ist am 13.11.2020 im Bundesgesetzblatt verkündet worden (BGBl. I 2020, S. 2355) und einen Tag nach Verkündung in Kraft getreten. Die Verordnung gilt für die Führung elektronischer Strafverfahrensakten bei dem Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof, bei den Finanzbehörden des Bundes in Ermittlungsverfahren nach § 386 Absatz 2 der Abgabenordnung und § 14a des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes und bei dem Bundesgerichtshof. Danach können ab dem 14.11.2020 im Rahmen des Anwendungsbereichs die Strafverfahrensakten elektronisch geführt werden (§ 2 der Verordnung).

3. Sechstes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen

Das Sechste Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen wurde am 26.11.2020 im Bundesgesetzblatt verkündet (BGBl. I 2020, S. 2474 ff.) und tritt überwiegend am Tag nach seiner Verkündung in Kraft. Im Übrigen treten die Vorschriften am 1.1.2022 bzw. am 19.12.2020 in Kraft (vgl. Art. 2b). Grund für das Änderungsgesetz ist die Verordnung (EU) 2018/1805 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.11.2018 über die gegenseitige Anerkennung von Sicherstellungs- und Einziehungsentscheidungen, die ab dem 19.12.2020 in Deutschland unmittelbar anzuwenden ist (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 1). Das 6. Änderungsgesetz beinhaltet die zur Durchführung der Verordnung erforderlichen Bestimmungen und enthält demzufolge Zuständigkeits- und Verfahrensregelungen. Außerdem werden im Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen die erforderlichen Anpassungen im Vollstreckungshilfeverfahren nach dem Rahmenbeschluss Geldsanktionen vorgenommen (ABl. L 76 vom 22.3.2005, S. 16).