Das Delegieren – eine praxisbezogene Einführung in das Führungssystem der kooperativen Führung
Von PD Axel Treczokat, Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung, Lübeck
„Wer seiner Führungsrolle gerecht werden will, muss genügend Vernunft besitzen, um die Aufgaben den richtigen Leuten zu übertragen, und genügend Selbstdisziplin, um Ihnen nicht ins Handwerk zu pfuschen.“ Mit dieser Feststellung hat Theodor Roosevelt das Geheimnis von erfolgreicher Delegation sehr treffend dargestellt. Delegieren ist doch somit ganz einfach – oder?! In der dienstlichen Praxis erlebt man Delegationsvorgänge beispielsweise wie folgt:
Beispiel 1: Im Rahmen einer Dienstbesprechung weist eine Führungskraft einem Mitarbeiter eine Aufgabe zu. Den Einwand des betroffenen Mitarbeiters, dass er schon viele andere Aufgaben zu bearbeiten hat, wird wie folgt beantwortet: „Ich nehme Ihren Hinweis mit Bedauern zur Kenntnis. Das ändert jedoch nichts an meiner Entscheidung. Auch ich habe viel zu tun.“
Beispiel 2: Eine Führungskraft weist einer Mitarbeiterin eine Aufgabe zu. Die Betroffene fragt: „Warum soll ich diese Aufgabe bearbeiten?“ Die Führungskraft antwortet: „Weil ich das so will.“
Beispiel 3: Ein Mitarbeiter sitzt in seinem Büro am Schreibtisch und bearbeitet einen Vorgang. Eine Führungskraft betritt das Büro und wirft wortlos eine Aktenmappe auf den Schreibtisch und verlässt das Büro.
Beispiel 4: Einer leitenden Führungskraft wird ein besonderer und wichtiger Vorgang zur Entscheidung vorgelegt. Diese Führungskraft vermerkt auf dem Vorgang, dass eine bestimmte Mitarbeiterin der Organisationseinheit diesen Vorgang bearbeiten soll. – Kurze Zeit später findet die betreffende Mitarbeiterin den Vorgang in ihrem Posteingang und ist sowohl überrascht als auch ratlos.
Beispiel 5: Eine Führungskraft stellt fest, dass eine wichtige Aufgabe komplett schiefgegangen ist. Der beauftragte Mitarbeiter und die Führungskraft machen sich im darauffolgenden Gespräch gegenseitig dafür verantwortlich.
Diese Beispiele zeigen exemplarisch, dass Delegieren scheinbar doch nicht so einfach ist und auch in Polizeiorganisationen diesbezüglich noch Entwicklungspotenzial besteht. Das Wissen um die Grundlagen der Delegation sind für Führungskräfte und Mitarbeitende auch vor einem Hintergrund entscheidend. Das „Kooperative Führungssystem (KFS) mit seinen Elementen Delegation, Beteiligung, Transparenz, Repräsentation, Kontrolle, Leistungsfeststellung und Leistungsbewertung (…) verbindliche Führungskonzeption“ für alle Polizeien in Deutschland ist. (PDV 100 Ziff. 1.5.3.1) D.h., die Delegation ist nicht nur eine bloße Führungshandlung oder ein Führungsmodell bzw. Führungstechnik („Management by Delegation“), sondern ein Bestandteil in einem vom Dienstherrn angeordneten Führungssystem[2]. Und dieses Führungssystem gilt es angemessen im Rahmen der Personalführung anzuwenden.
In diesem Artikel werden die grundlegenden Aspekte für das Delegieren gem. der PDV 100 dargestellt und sind insbesondere auf Studierende und Nachwuchsführungskräfte in der Polizei ausgerichtet, um Führungskompetenz zu entwickeln.
„Was ist Delegation?“
Im Kontext der Personalführung bedeutet Delegation „die Übertragung von Aufgaben, Kompetenzen und sich der daraus ergebenen Verantwortung auf hierarchisch direkt nachgeordnete organisatorische Einheiten, Stellen oder Personen“. Die Delegation kann im Rahmen der direkten als auch der indirekten[3] Mitarbeiterführung erfolgen. Bei der direkten Mitarbeiterführung erfolgt die Delegation über eine unmittelbare (Auge in Auge) Einwirkung auf Mitarbeitende. Diese direkte Delegation wird im Nachfolgenden thematisiert.
Aus der o.a. Definition wird deutlich, dass viel mehr gemacht wird als „Arbeit zu verteilen“. Neben den Aufgaben gilt es gleichermaßen die dazu passenden Kompetenzen und die damit verknüpften Verantwortlichkeiten zu übertragen. Delegieren ist somit eine Organisationstätigkeit. Hierbei sind zum einen die auf die aufgabenbezogenen Kompetenzen, d.h., die Rechte und die Pflichten, die einem Aufgaben- oder Funktionsträger eingeräumt werden, klar zu benennen. Auch ist der Zuständigkeitsbereich (Kompetenzbereich) festzulegen. Dabei ist zu beachten, dass die Aufgabe der untersten Stelle in der Organisationshierarchie zugewiesen werden sollen, deren Fachverstand oder Kompetenz für die Erledigung gerade noch ausreichend ist. (Subsidiärprinzip) Somit soll durch eine gezielte Aufgabenübertragung eine Über- oder Unterforderung der Delegationsempfänger vermieden werden.
Bei der Delegation gilt es ebenso das sogenannte AKV-Prinzip oder auch Kongruenzprinzip zu beachten. Die Aufgaben, die Kompetenzen und die Verantwortung müssen einander entsprechen. Dazu gehören auch die Ressourcen wie Personal, Mittel, Informationen und Zeit.
Ebenso müssen auch die entsprechenden Verantwortlichkeiten hinsichtlich der Aufgabe übertragen werden. Die Zuordnung von Verantwortung wirkt Unklarheiten und Konflikten entgegen. Eine lästige Suche nach “Schuldigen” entfällt. Dieser Umstand gibt allen Beteiligten Sicherheit. In rechtlicher Hinsicht werden Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten eindeutig festgelegt. Dem Delegationsempfänger muss bei der Delegation verdeutlicht werden, für was er verantwortlich ist. Dieser Verantwortungsbereich wird Handlungs- oder auch Durchführungsverantwortung genannt. Die Handlungsverantwortung ist die Pflicht, eine übertragene Aufgabe regelkonform auszuführen. Auch kann damit eine Ergebnisverantwortung verbunden sein. Diese beinhaltet u.a. die Pflicht, vorgegebene oder vereinbarte Ziele, zu erreichen. Die Handlungsverantwortung umfasst das zweckbestimmte Handeln, den effektiven Einsatz von Ressourcen, die Beachtung von Gesetzen / Weisungen, die Rückmeldung bei unüberwindlichen Problemen, die eigene Fortbildung sowie die Selbstkontrolle.
Bei der Führungskraft, dem Delegationsgeber, verbleibt immer die Führungsverantwortung. Sie ist nicht weiter delegierbar. Diese Führungsverantwortung umfasst die Auswahl des Delegationsnehmers, der Arbeits- bzw. Aufgabeneinweisung, eine klare Zielbestimmung, die organisatorische Kompetenzübertragung, die umfassende Informationsweitergabe zu der Aufgabe, die Ressourcenzuweisung, die Aus-/Fortbildung der Mitarbeitenden, die ggf. erforderlichen Fürsorgemaßnahmen sowie die zielgerichtete Kontrolle. Zur Führungsverantwortung gehört auch die Verantwortung für das Handeln der nachgeordneten Mitarbeitenden und somit für die Funktionsfähigkeit ihrer gesamten Organisationseinheit.
Vor diesem Hintergrund sollte eigentlich jede Führungskraft sehr genau und gewissenhaft delegieren.
Aufgrund der klaren Trennung von Handlungs- und Führungsverantwortung kann rein theoretisch im Zweifelsfall der „Schuldige“ festgestellt werden. Die Praxis zeigt jedoch, dass dieses nur bei einer entsprechend guten Dokumentation möglich ist.
„Wie delegiert man eigentlich?“
Ideal typischerweise sollte die Delegation im Rahmen eines Delegationsgespräches erfolgen. Bei einer Delegation werden nicht bloß Aufgaben zugewiesen, sondern formell übertragen. Bei der Zuweisung ist der Empfänger passiv. Bei einer Übertragung hat der Empfänger eine aktive Rolle. D.h., dem Delegationsempfänger wird etwas anvertraut und er nimmt dieses auch bewusst an. Insofern ist der partizipative Charakter bei der Delegation deutlich ausgeprägt.
Dieses wird im Folgenden ausführlich dargestellt. Im Dienstalltag, insbesondere bei einem „eingespielten Team“ mit regelmäßig ähnlichen Delegationsprozessen, kann die Delegation auch formloser vorgenommen werden. Jedoch sollte immer der partizipative Charakter gewahrt bleiben, damit nicht lediglich zugewiesen wird.
Ein Delegationsgespräch sollte strukturiert in folgenden Schritten durchgeführt werden:
- Die Führungskraft erklärt das Delegationsvorhaben.
- Der Mitarbeiter / die Mitarbeiterin nimmt Stellung zu dem Delegationsvorhaben.
- Der Delegationsgeber und der Delegationsnehmer verhandeln das Delegationsvorhaben.
- Die Beteiligten treffen eine Zielvereinbarung zu dem Delegationsvorhaben.
- Die Beteiligten vereinbaren eine zielorientierte Kontrolle zu dem Delegationsvorhaben.
Diese Gesprächsstruktur wird im Nachfolgenden erörtert:
Die Führungskraft eröffnet das Delegationsgespräch dadurch, dass dem Mitarbeiter / der Mitarbeiterin das Delegationsvorhaben vorgestellt und erklärt wird. D.h., die Führungskraft stellt die Aufgabe vor, erläutert das Ziel (mit Zielinhalt, Zielausmaß und Zeitmaß), ordnet es in eine Zielhierarchie ein und stellt die Kompetenzen vor, welche mit der Aufgabe verbunden sind. Auch sollte dargestellt werden, warum die Führungskraft den Mitarbeiter / die Mitarbeiterin als Delegationsempfänger ausgewählt hat. Es muss die Frage für den Delegationsempfänger beantwortet werden: „Warum soll mir diese Aufgabe anvertraut werden?“
Dieses setzt voraus, dass die Führungskraft bei der Auswahl des Delegationsempfängers auch dessen Situation bewertet hat. D.h., es muss abgeschätzt werden, wie es bei dem Delegationsempfänger um dessen Leistungsverhalten in Bezug auf die Aufgabe bestellt ist. Welche Leitungsmotivation (Wollen) und welche Leitungsfähigkeit (Können) hat der Delegationsempfänger gerade. Dementsprechend muss die Führungskraft bei dem Delegationsvorhaben auch sein Führungsverhalten ausrichten.
Im zweiten Gesprächsabschnitt nimmt der Delegationsempfänger Stellung zu dem Vorhaben. Der Verfasser hat in der Führungspraxis eine große Bandbreite von Antworten bzw. Stellungsnahmen festgestellt. Diese reichen von: „Warum immer ich!?“ – über – „Da muss ich erstmal drüber nachdenken.“ – bis zu – „Endlich werde ich gefragt. Diese Aufgabe wollte ich schon immer einmal machen.“ Die Führungskraft sollte somit auf eine sehr individuelle Reaktion des Delegationsempfängers vorbereitet sein und vor allem der Mitarbeiterin / dem Mitarbeiter gut zuhören. U.a. gilt es hier Konflikten vorzubeugen. Somit sollten sachliche Argumente/Einwände, emotionale Neigungen sowie wertmäßige Einstellungen des Delegationsnehmers zu der Aufgabe erfasst werden. Im Rahmen dieser Partizipation sollte dem Delegationsempfänger bewusst sein, dass es hier um die Erfüllung gemeinsamer Aufgaben (u.a. Erfüllung von gesetzlichen Aufgaben, berufliche Motivation, Eintreten für den Rechtsstaat etc.) geht. Insofern liegt es nun an ihm diese Kooperationsmöglichkeit zu nutzen und seine Leitungsfähigkeit sowie seinen Leitungswillen einzubringen. Natürlich hat der Verfasser im dienstlichen Alltag auch die Erfahrung gemacht, dass Delegationsempfänger andere bzw. individuelle Ziele (z.B. Optimierung des persönlichen Tagesablaufes) als die dienstlichen Ziele verfolgen. In einem solchen Fall gilt es dann angemessen an die gemeinsamen Ziele der Kooperativen Führung (Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben, Gewährleistung des Organisationszusammenhalt sowie die Gestaltung humaner Arbeits- / Sozialbeziehungen für alle Organisationsangehörigen) zu erinnern.
Im nächsten Schritt wird das Delegationsvorhaben zwischen dem Delegationsgeber und dem Delegationsnehmer verhandelt. Dieses Verhandeln hat nichts mit einem Basar, einem Kuhhandel oder gar einer Führungsschwäche zu tun – im Gegenteil. Hierbei gilt es u.a. die geforderten Ziele bzw. Leistungen in eine strukturierte Arbeitssituation einzuordnen (sachliche Abstimmung). Des Weiteren sollten insbesondere unter Berücksichtigung der Hinweise des Delegationsempfängers die Arbeitsbeziehungen / Arbeitsbedingungen geklärt werden (personale Abstimmung). Die Voraussetzung für ein erfolgreiches „Verhandeln“ ist, dass beide Parteien sich ihrer Rollen in diesem Prozess bewusst sind. Die Führungskraft sollte sich der Rollenerwartungen des Delegationsnehmers wie z.B. gerechte Behandlung, Bereitschaft über Arbeitssituation zu kommunizieren, Unterstützung des Mitarbeitenden, das Treffen klarer und begründeter Entscheidungen etc. bewusst sein und diese erfüllen. Der Delegationsnehmer sollte sich auch der Rollenerwartungen seitens des Delegationsgebers an ihn bewusst sein. Diese Rollenerwartungen sind z.B. Loyalität, gewissenhafte Ausführung zugewiesener Arbeit und Durchsetzungsvermögen, Mitwirkung bei der gemeinsamen Zielerreichung, qualitativ hochwertige Beratung etc. Jeder agiert in seiner Rolle (Vorgesetzter / Mitarbeiter) und man diskutiert gemeinsam bzw. auf Augenhöhe, um ein Problem (Übertragung bzw. Übernahme einer Aufgabe) zu lösen. Vor allem geht es bei dieser Abstimmung darum, wie die Führungskraft die Mitarbeiterin / den Mitarbeiter durch diese Delegation als Einzelnen situativ in die Organisation (das System) einbindet. Diesen Vorgang nennt man auch FÜHREN. – Wenn alle Argumente in der Verhandlung ausgetauscht worden sind, obliegt es (im Sinne einer strukturierten Führung) der Führungskraft die Entscheidung über das Delegationsvorhaben zu treffen. Diese ist seine Aufgabe und Rolle.
Nachdem die Entscheidung über das Delegationsvorhaben getroffen worden ist, wird nun im Sinne einer Durchführungsplanung (Bestandteil des Führungsprozesses) eine Zielvereinbarung abgestimmt. Bei größeren Delegationsvorhaben (z.B. Übertragung eines Projektes) sollte dieses schriftlich erfolgen (z.B. als Projektvertrag). In der Zielvereinbarung müssen die Ziele SMART (S – Spezifisch: Das Ziel beschränkt sich auf eine klar abgrenzbare Aufgabe; M – Messbar: Das Ziel beinhaltet einen eindeutigen Kennwert des Erfolges; A – Erreichbar [Attainable]: Die Zielerreichung ist realistisch; R – Relevant: Das Ziel erbringt einen Mehrwert für Mitarbeiter, Team oder Unternehmen) formuliert sein. Auch gilt es genau die Kompetenzen sowie die Verantwortlichkeiten (Handlungs- und Führungsverantwortung) klar abzustimmen.
Zum Abschluss des Delegationsgespräches muss dann noch die zielorientierte Kontrolle zu dem Delegationsvorhaben basiert auf der Zielvereinbarung vereinbart werden. Somit werden gemäß eines strukturierten Führungsprozesses die Ziele mit der Kontrolle verknüpft. Bei der Kontrolle sollte festgelegt werden wann, wie und was die Führungskraft mit welchem Maßstab kontrolliert.
Bei dieser Gesprächsführung wendet die Führungskraft gleichzeitig weitere Elemente des KFS sowie der kooperativen Führung an. Beispielsweise repräsentiert die Führungskraft zugleich den Dienstherrn ggü. dem Delegationsempfänger im gesamten Delegationsgespräch. Bei der Vorstellung des Delegationsvorhabens wird u.a. Transparenz hergestellt sowie zur Beteiligung aufgefordert. Bei der Stellungnahme des Delegationsnehmers sowie der Verhandlung findet Beteiligung statt. In den Schritten Zielvereinbarung und Kontrolle werden u.a. die KFS-Elemente Transparenz, Kontrolle und die Leistungsfeststellung/Leitungsbewertung angewandt. – Man kann somit Delegation nicht losgelöst von den anderen KFS-Elementen betrachten und anwenden.
Ebenso wird mit einem Delegationsgespräch ein neuer Führungsprozess begonnen. Der Führungsprozess wird in der PDV 100 in der Ziff. 1.5.3.1 wie folgt beschrieben: „Führung hat systematisch in den Phasen Zielbildung, Planung, Entscheidung, Durchführungsplanung, Anordnung, Realisierung, Kontrolle zu erfolgen.“ Zumeist wird in einem Delegationsgespräch der Entscheidungsprozess mit den Führungsprozessschritten der Zielbildung, der Planung und der Entscheidung vollzogen. Je nach Gesprächsverlauf kann auch die Durchführungsplanung sowie die Anordnung enthalten sein.
Delegation kann auch nur durch eine intensive Kommunikation zwischen dem Delegationsgeber und dem Delegationsnehmer erfolgen. Die Führungspraxis zeigt, dass das Kommunikationsverhalten der Führungskraft hierbei der erfolgskritische Faktor ist. (vgl. hierzu auch PDV 100 Ziff. 1.5.3.2)
Insgesamt wird deutlich, dass Delegation im Sinne der PDV 100 nicht eine einzelne losgelöste Führungshandlung oder Führungstätigkeit ist, sondern systemisch zu verstehen ist. D.h., dass das Delegieren nur und ausschließlich mit allen anderen KFS-Elementen sowie den weiteren Vorgaben zur kooperativen Führung (situativ und strukturiert) in dem in der PDV 100 Ziff. 1.5.3 beschriebenen Führungssystem angewendet werden kann und soll.
„Was sind typische Delegationsfehler?“
Grundsätzlich soll Delegation das Leitungsverhalten steigern, die Motivation erhöhen und Konflikten vorbeugen. Dieses wird jedoch nur erreicht, wenn die Delegation fehlerfrei angewandt wird (s.o.). Jedoch „menschelt“ es selbstverständlich im Dienstalltag. Die Bandbreite der Delegationsfehler ist dementsprechend breit gefächert. Insofern können hier nur die typischen Delegationsfehler beschrieben werden.
Im Rahmen des Delegationsgespräches hat der Delegationsnehmer die Situation aus seiner Sicht nicht treffend erfasst oder hat es sich nach der Übernahme anders überlegt. Der Delegationsnehmer möchte dann eine Rückdelegation durchführen. Es findet eine Umkehrung der ursprünglichen Delegation statt. Der Mitarbeiter versucht die Aufgabe, für die er die Handlungsverantwortung übernommen hat, wieder an seinen Vorgesetzten zurückzugeben: Entweder, weil er oder sie mit der Aufgabe überfordert ist oder weil er oder sie aus irgendeinem Grund diese nicht mehr durchführen möchte. – In jedem Fall sollte die Führungskraft sehr genau prüfen, worin dieser Versuch der Rückdelegation begründet ist. Eine Rückdelegation darf nicht einfach so akzeptiert werden, da dieses häufig weitere Rückdelegationen nach sich zieht und das Führen einer Organisationseinheit kaum noch möglich ist. Der britische Publizist, Historiker und Soziologe Cyril Northcote Parkinson hat dieses Phänomen wie folgt thematisiert: „Die Macht, die delegiert wird, ist mit voller Verantwortung weitergegeben worden, und daran sollte nicht gerüttelt werden, es sei denn, es geht etwas schief.“
Das sogenannte Durchdelegieren ist ein weiterer typischer Fehler bei Delegieren. Dieses ist häufig mit dem Versuch der Berücksichtigung des Subsidiaritätsprinzips verknüpft. Das Durchdelegieren geschieht dann, wenn eine Führungskraft eine nachgeordnete Führungsebene überspringt und direkt in den Verantwortungsbereich dieser nachgeordneten Organisationseinheit eingreift. Diese nachgeordnete Führungskraft kann somit nicht mehr die Führungsverantwortung für diesen Organisationsbereich tragen.
Ein typischer Delegationsfehler ist auch, dass der Delegation nicht die gebotene Beachtung geschenkt wird. Getreu dem Motto „Das kann doch jeder“ wird es einfach mehr schlecht als recht gemacht. Hingegen wird bei der Einsatzbewältigung dem Delegieren, d.h. dem Befehlen, sehr viel Beachtung geschenkt. Dieses wird sehr intensiv aus- und fortgebildet. Das Delegieren im innerdienstlichen wird bestenfalls im Rahmen einer Lehrveranstaltung kurz thematisiert und fast nie trainiert. D.h., es wird die Einsatzkompetenz der Führungskompetenz übergeordnet. Somit wird die Delegation im internen Dienstgeschehen ohne direkten Einsatzführung recht stiefmütterlich gehandhabt.
„Auf den Punkt gebracht!“
Am Beispiel der Delegation kann man deutlich erkennen, dass viele Inhalte, Themen und Aspekte, welche in der Führungslehre theoretisch dargestellt werden und auch nur für diesen Zweck separat beschrieben werden. Für die Vermittlung von Führungslehreinhalten wurde die Komplexität des praktischen Führens durch die Technik der Vereinzelung der Inhalte fassbar bzw. nachvollziehbar gemacht. – Aber in der Führungspraxis gilt es alle Aspekte in seinem Führungsverhalten „aus einem Guss“, d.h., als ein Ganzes, anzuwenden.
Wenn man in diesen Sinn dem Delegieren angemessene Beachtung schenkt, es gut vorbereitet und ein ausführliches Delegationsgespräch führt, hat man zugleich alle weiteren Elemente der Kooperativen Führung in der Polizei richtig angewandt. Daher hat gerade das intensive Trainieren von Delegationsgesprächen bei Nachwuchsführungskräften einen hohen Mehrwert.
„Eine sehr gute Art, eine angenehme Atmosphäre zu schaffen, ist, die Leute in einem Betrieb so viel wie möglich selber machen und die Entscheidungen auf dem niedrigst möglichen Niveau treffen zu lassen: das ist die beste Methode, Führungskräfte zu trainieren.“ (Cyril Northcote Parkinson)
[2] Ein Führungssystem ist ein Gestaltungskonzept der Organisationsführung, in welchem vorgegeben ist, wie die Führungsbeziehung in der Organisation vollzogen werden soll.
[3] Indirekt ist Mitarbeiterführung immer dann, wenn eine Führungskraft durch allgemeingültige und organisatorische Regeln, welche meistens schriftlich formuliert wurden, auf Mitarbeitende einwirkt. Dieses sind z.B. Polizeidienstvorschriften, Erlasse, Anordnungen, Richtlinien, Geschäftsverteilungspläne, Geschäftsordnungen etc..