Strafbarkeit illegaler Autorennen

von PK Philip Schneider

1. Einleitung

Eigentlich war die Nacht vom 31.1. auf den 1.2.2016 eine, für die im folgendem genannten Personen, ganz gewöhnliche Sonntagnacht. Der N. hielt sich zusammen mit einer Freundin, der späteren Zeugin K., wie üblich in einer Shishabar auf und der H. befuhr mit seinem Pkw diverse Straßen in der Innenstadt Berlins. Dass sich die Nacht noch zu einer entwickelt, die keiner der beteiligten Personen in Zukunft vergessen wird / kann, war demnach nicht vorherzusehen.
Doch am 1.2.2016 verstarb kurz vor 01:00 Uhr ein 69-jähriger Mann, der Geschädigte W., da er im Kreuzungsbereich der Nürnberger Str. / Tauentzienstraße (Hauptverkehrsstraßen Berlins), mit seinem Jeep Wrangler in einen Verkehrsunfall verwickelt war (Zusammenstoß mit Pkw des H.). Unfallursächlich war nach übereinstimmenden Zeugenaussagen und polizeilichen Ermittlungen ein illegales Autorennen, was von den bereits verkehrsrechtlich vorbelasteten Angeklagten N. und H. mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit ausgetragen worden war.
Das Renngeschehen begann bereits auf Höhe der Bushaltestelle M19 (Kurfürstendamm), an der die beiden Angeklagten sich zu einem spontanen illegalen Autorennen verabredeten. Im folgendem überfuhren beide Fahrzeugführer auf einer Gesamtfahrtstrecke von 3,4km 20 Kreuzungen bzw. Einmündungen, von denen zur Tatzeit 13 durch Lichtzeichenanlagen geregelt waren. Ziel der beiden war es dabei, über den Kurfürstendamm und die Tauentzienstraße das Kaufhaus P. mit ihren Pkw, der H. mit einem 224 PS starkem Audi S6 und der N. mit einem 380 PS starkem Mercedes-Benz AMG, als jeweils Erster zu erreichen. Auf der innerstädtischen Fahrtstrecke steigerten die Angeklagten stetig die gefahrene Geschwindigkeit von ca. 120-135 km/h auf die schlussendlich ermittelte „Endgeschwindigkeit“ von 139-149 km/h (N.) bzw. 160-170 km/h (H.) an der oben genannten Kollisionsstelle. Zwischenzeitlich bewegten sich die Fahrzeuge, vor allem im Kurvenbereich am Breitscheidplatz vor der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche und dem Europacenter, im technischen Grenzbereich.
Neben dem beim Unfallgeschehen tödlich verunglücktem W., verletzten sich die Angeklagten N. und H. leicht. Zusätzlich erlitt die Zeugin K., welche sich während des illegalen Rennens auf dem Beifahrersitz des N. befand, schwerere Verletzungen. Des Weiteren entstanden beim Unfall diverse Sachschäden. Einige umherfliegende Trümmerteile verfehlten Dritte dabei nur knapp.
Nach dem Unfall grübelten die Gerichte darüber, wie ein solches Verhalten zu sanktionieren ist. Das Landgericht (LG) Berlin verurteilte die beiden Angeklagten am 27.02.2017 gemäß § 211, 212 StGB wegen bedingt vorsätzlichen Mordes mit gemeingefährlichen Mitteln zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Die Angeklagten sollen dabei gemäß § 25 II StGB in Mittäterschaft gehandelt haben.  Aber kann ein illegales Autorennen, bei dem ein Dritter zu Tode kommt, tatsächlich ein mörderisches Verhalten darstellen?
Der Bundesgerichtshof (BGH) hob das Urteil des LG Berlins am 1.3.2018 wieder auf. Ist ein Verhalten wie das der Angeklagten beim sogenannten „Berliner Raser-Fall“ also doch nur nach (dem neuen, zur Tatzeit noch nicht geltenden) § 315d V StGB zu sanktionieren? Der BGH ließ grundsätzlich, aufgrund des Passus „sachlich-rechtliche Mängel“, weiterhin die Möglichkeit offen, einen Kraftfahrzeugführer gem. § 211 StGB wegen Mordes zu verurteilen.
Wie ist nun schlussendlich ein solcher Sachverhalt juristisch zu bewerten? Mit genau dieser Frage beschäftigt sich der vorliegende Artikel, mit dem entsprechenden Ziel eine möglichst konkrete Antwort zu finden.

2. Der Gesetzesentwurf zum § 315d StGB

Der Bundesrat hielt die Einführung eines strafrechtlichen Tatbestands speziell für illegale Autorennen für dringend erforderlich, da es in der Vergangenheit wiederholt zu illegalen Kraftfahrzeugrennen gekommen war, bei denen Dritte verletzt oder gar getötet worden sind. Vor Erlassen des Straftatbestandes wurden illegale Kraftfahrzeugrennen lediglich als Ordnungswidrigkeit gem. §§ 29 I, 49 II Nr. 5 StVO eingestuft.  Dies hielt der Bundestag für unverhältnismäßig und entwarf somit ein Strafrechtsänderungsgesetz, wobei die o.g. Ordnungswidrigkeit vollständig durch den Straftatbestand gem. § 315d StGB ersetzt wurde.
Das Delikt wurde in den Katalog derer integriert, bei denen solche Straftaten grundsätzlich zur Entziehung der Fahrerlaubnis (Rechtsgrundlage § 69 I StGB) führen. Zusätzlich kann auch eine Sperrfrist verhängt werden (Rechtsgrundlage § 69a StGB), welche in einer Zeitdauer von sechs Monaten bis zu fünf Jahren möglich ist. Diese geschaffenen Sanktionierungsmöglichkeiten sollen die Täter langfristig oder gegebenenfalls auch dauerhaft an einer Wiederholungstat hindern.  Des Weiteren wird die Möglichkeit geschaffen, das Kraftfahrzeug des Veranstalters oder Teilnehmers von bzw. an illegalen Kraftfahrzeugrennen einzuziehen.

3. Der Tatbestand des § 315d StGB

Nach Durchlaufen des Gesetzgebungsverfahrens ist der Straftatbestand am 30.9.2017 ins StGB eingefügt worden. Die neu eingeführte Vorschrift dient dazu, die Sicherheit des Straßenverkehrs, die Individualrechtsgüter anderer Verkehrsteilnehmer zu schützen.
Im Folgenden wird sich lediglich auf die relevanten Absätze / Nummern / Tatbestandsmerkmale bezogen, die sich (ggf.) auf den oben beschriebenen „Berliner Raser-Fall“ anwenden ließen:

3.1 Der objektive Tatbestand des § 315d StGB

Die besagte Vorschrift beginnt im Absatz I mit den Worten „Wer im Straßenverkehr…“ und bezieht sich dabei auf alle folgenden Nummern. Gemeint ist hiermit der öffentliche Verkehrsraum, wodurch der § 315d StGB bei dem Begriff auf den der anderen Verkehrsdelikte im StGB zurückgreift (rechtlich-öffentlichen / tatsächlich-öffentlichen Verkehrsraum).
Ein weiteres Tatbestandsmerkmal, das für jegliche Begehung einer Straftat nach § 315d StGB von Nöten ist, ist das „Kraftfahrzeug“. Wie auch beim Tatbestandsmerkmal „Straßenverkehr“ greift der Gesetzgeber auf den bereits bestehenden Kraftfahrzeugbegriff zurück.  Demnach greift letztendlich § 1 II StVG.
Die einzelnen Absätze / Nummern der Norm erfordern dann die Prüfung weiterer Tatbestandsmerkmale:
Beim § 315d I Nr. 2 StGB sind die Merkmale „nicht erlaubt“ und „Kraftfahrzeugrennen“ zum Absatz I Nr.1 deckungsgleich. Zusätzlich erfordert der Absatz dann die Merkmale „Kraftfahrzeugführer“ und „Teilnehmen“.
„Ein Rennen ist ein Wettbewerb oder Wettbewerbsteil zur Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten mit Kraftfahrzeugen, bei denen zwischen mindestens zwei Teilnehmern ein Sieger durch Erzielung einer möglichst hohen Geschwindigkeit ermittelt wird, wobei es einer vorherigen Absprache der Beteiligten nicht bedarf.“  So definiert die Rechtsprechung den Begriff des Kraftfahrzeugrennens und greift dabei auf denselben Begriff zurück, wie er in der StVO zu verstehen ist.  Dementsprechend geht es um eine räumlich-zeitliche Konkurrenz der Wettbewerber, für die ein konkludentes Verhalten als Übereinkunft ausreicht.
Für das Tatbestandsmerkmal „nicht erlaubt“ beabsichtigt die Rechtsprechung kein größeres Problem für die Begründung des Merkmals zu erzeugen. Ist ein Rennen nach der StVO genehmigt, so ist bei einer solchen Fahrt der § 315d StGB schlichtweg nicht mehr anwendbar.
Ein Kraftfahrzeug wird dann geführt, wenn eine Person zumindest teilweise die primären technischen Apparaturen zur Fortbewegung dessen bedient.
Das Teilnehmen an einem Kraftfahrzeugrennen meint das Tätigwerden beim eigentlichen Renngeschehen. Es versteht sich also als eigenständiges Mitwirken und ist somit als Tätigkeitsdelikt zu werten.
Der § 315d V StGB stellt die Erfolgsqualifikation der Norm dar und verweist indes auf den Absatz II. Dementsprechend muss eine Tathandlung nach Absatz I vorliegen, wodurch bei dieser Handlung eine Gefährdung für Leib oder Leben eines anderen Menschen (oder fremden Sachen von bedeutendem Wert) besteht. Der Absatz V erfordert im Gegensatz zum Absatz II allerdings einen Schadenseintritt.  Als Schadensmöglichkeit ist hierbei insbesondere der Tod eines Menschen genannt, welche diese Tat als Verbrechenstatbestand klassifizieren lässt.

3.2 § 315d StGB beim Berliner „Raser-Fall“ objektiv erfüllt?

Da die Angeklagten H. und N. die wegerechtlich gewidmeten Straßen Kurfürstendamm und Tauentziehstraße (zweifelsfrei mit einem Kfz.) befuhren, befanden sie sich zweifelsfrei im öffentlichen Verkehrsraum.
Das Geschehen stellte sich zudem als Wettbewerb zwischen zwei Personen dar, da beide Täter das o.g. Ziel mit einer möglichst hohen Geschwindigkeit als Erster erreichen wollten.
Da das Rennen nicht nach der StVO genehmigt worden ist, stellte sich dieses als ein illegales dar.
„Teilnehmen“ ist eben dem Wortlaut nach zu verstehen und somit liegt dies zweifelsfrei dadurch vor, dass beide Personen Kraftfahrzeuge führten, wodurch der § 315d I Nr. 2 StGB objektiv zu bejahen ist.
Durch den beim Unfallgeschehen tödlich verunglückten W. bleibt die Erfolgsqualifikation gem. Absatz V zu prüfen. Dafür müssten die Angeklagten durch ihr Verhalten eine Gefährdung für Leib oder Leben verursacht haben, in deren Folge dann eben der Tod des W. resultierte. Zwar rammte lediglich der H. mit seinem Fahrzeug den Jeep des W., allerdings handelten der H. und der N. dabei gem. § 25 II StGB in Mittäterschaft. Der N. kann vor allem für die schwere Folge belangt werden, da ein gefahrenspezifischer Zusammenhang zwischen dem Autorennen und der Todesfolge vorliegt. Somit wäre der objektive Tatbestand gem. § 315d I Nr. 2, V StGB durch das Verhalten der beiden Täter erfüllt.

4. Der subjektive Tatbestand (Vorsatz):

Wenn im Gesetz nicht explizit etwas anderes beschrieben wird, so muss der Täter für die Begehung des jeweiligen Deliktes vorsätzlich handeln. Dafür muss dieser die Umstände und Folgen, die zum gesetzlichen Tatbestand gehören, gem. § 16 I StGB vorsätzlich (Absicht / Wissentlichkeit / bedingter Vorsatz) verwirklichen. Dabei gilt, dass eine Rechtsgutsverletzung nicht gleichzeitig vorsätzlich und fahrlässig begangen werden kann.
Der in Absicht (dolus directus 1. Grades) handelnde Täter strebt die Tatbestandsverwirklichung gerade an. Sein Wille ist also eben auf diesen Erfolg gerichtet.  Dem in Wissentlichkeit (dolus directus 2. Grades) handelndem Täter kommt es zwar nicht auf den Taterfolg an, allerdings weiß oder sieht dieser voraus, dass er einen Tatbestand durch seine Handlung verwirklicht.  Der Täter, der bedingt vorsätzlich handelt (dolus eventualis), strebt den tatbestandlichen Erfolg weder an noch hält er ihn für sicher, sondern nur für möglich. Der bedingte Vorsatz ist dabei strikt von der bewussten Fahrlässigkeit abzugrenzen, da der fahrlässig handelnde Täter ebenfalls nicht mit der Tatbestandsverwirklichung einverstanden ist und sich somit in der Begründung derer eklatante Überschneidungen ergeben können. Allerdings vertraut der fahrlässig handelnde Täter ernsthaft und nicht nur vage auf den Nichteintritt des Erfolges, wohingegen der bedingt vorsätzlich handelnde Täter mit dem Erfolgseintritt in der Weise einverstanden ist, dass er diesen billigend in Kauf nimmt oder sich zumindest damit abfindet.  Bei Tötungsdelikten mit bedingtem Vorsatz reicht laut Rechtsprechung die Gleichgültigkeit gegenüber dem nicht erstrebten, aber hingenommenen Tod des Opfers für die Bejahung des Vorsatzes aus. Eine grundlegende Voraussetzung bei vorsätzlichen (Tötungs-)Delikten gem. § 16 I StGB ist es, dass der Täter die Umstände, die für die jeweilige Straftat zum gesetzlichen Tatbestand gehören, bei der Begehung kennt. Der Täter muss also im entscheidungserheblichen Zeitpunkt den für möglich gehaltenen Taterfolg billigend in Kauf nehmen. Daraus lässt sich folgern, dass sich wegen eines vorsätzlichen Deliktes nur derjenige strafbar macht, wenn er ab Entstehen des Tatentschlusses noch eine Handlung vornimmt oder eine gebotene Handlung unterlässt, die den tatbestandlichen Erfolg herbeiführt.

4.1 § 315d StGB beim Berliner „Raser-Fall“ subjektiv erfüllt?

Beide Täter wussten, dass sie an einem „Stechen“ im „öffentlicher Verkehrsraum“ mitwirken, da es bei solchen Rennen gerade darum geht, diese im öffentlichen Verkehrsraum auszutragen. Zudem kam es ihnen gerade darauf an, ein Rennen auszutragen, bei dem der in ihren Augen bessere Fahrer ermittelt wird. Indes kam es ihnen darauf an, an diesem Rennen teilzunehmen. Somit ist auch für die letzten beiden Tatbestandsmerkmale Absicht zu bejahen, was verdeutlicht, dass die subjektive Prüfung des Vorsatzes auf den Grundtatbestand keine erheblichen Schwierigkeiten bereitet.
Nach Abs. V kann der Tatbestand, da es sich dabei eben um eine Erfolgsqualifikation handelt, entweder als in vorsätzlicher oder fahrlässiger Hinsicht begangen gelten. In Bezug auf den Tötungsvorsatz ergeben sich bei der Begründung dessen enorme Schwierigkeiten, wie auch im Folgenden noch an den Begründungen des LGs Berlins und des BGHs deutlich wird. Da allerdings bewusste Fahrlässigkeit ausreicht, ist mindestens diese zu bejahen, wodurch auch die Erfolgsqualifikation auch subjektiv erfüllt wäre.

5. Der objektive Tatbestand der §§ 211,212 StGB

Während sich der neue § 315 d StGB also recht eindeutig bejahen ließe, bereitet dies bei den §§ 212, 211 StGB sehr viel größere Probleme.
Betrachtet man die Norm, so kommen bei illegalen Kraftfahrzeugrennen, bei denen jemand zu Tode gekommen ist, zunächst die Tatbestandsmerkmale „gemeingefährliches Mittel“ und „niedere Beweggründe“ als mögliche Mordmerkmale in Betracht:
Ein Gegenstand ist dann als gemeingefährliches Mittel einzustufen, wenn vom Täter ein solcher Gegenstand verwendet wird, der in der konkreten Tatsituation Leib oder Leben einer unbestimmten Mehrzahl von Menschen gefährden und der Täter dabei die Ausdehnung der von ihm geschaffenen Gefahr nicht beherrschen kann.  Dabei kommt es indes nicht darauf an, dass das verwendete Mittel seiner Natur nach als gemeingefährlich erscheint (Bsp.: Bombe), sondern darauf, dass dieses in der konkreten Tatsituation eine gemeingefährliche Wirkung entfalten kann (Bsp.: Kraftfahrzeug). Grundsätzlich findet das Mordmerkmal dann Anwendung, wenn eine besondere Rücksichtslosigkeit beim Täter festgestellt wird. Demnach entspricht die Klassifizierung eines Kraftfahrzeugs als gemeingefährliches Mittel bei grob rücksichtloser Fahrweise etc. dem Sinn und Zweck des Mordmerkmals.
Das Tatbestandsmerkmal „niedere Beweggründe“ wird als Auffangtatbestand verstanden, lässt sich aber bei genauerer Betrachtung eher dem subjektiven Tatbestand zuordnen. Ein Mord aus niederen Beweggründen wird dann angenommen, wenn das Opfer zum Objekt des Tötungsgeschehens gemacht wird und ihm im Zuge dessen der personelle Eigenwert aberkannt wird.  Dieser Grundsatz wird juristisch dann unter dem Punkt „krasses Missverhältnis zwischen Anlass und Tötungshandlung“ subsumiert und bedarf einer Gesamtwertung aller äußeren und inneren Faktoren.

6. §§ 211, 212 StGB beim Berliner „Raser-Fall“ objektiv erfüllt?

Der Grundtatbestand gem. § 212 StGB ist durch den Tod des W. eindeutig verwirklicht worden. Für die Qualifikation muss eben ein Mordmerkmal gem. § 211 StGB vorliegen:
Im konkreten, hier vorliegenden Einzelfall hatte das Mittel (Kraftfahrzeuge) die Eignung und Wirkung, um in der Situation als gemeingefährlich bewertet zu werden, da eine Mehrzahl von Menschen gefährdet worden sind. Es muss dabei zwar keine tatsächliche Gefährdung für Dritte vorliegen, allerdings wurden eben beim Unfallgeschehen durch umherfliegende Trümmerteile Dritte gefährdet. Zudem hätten sich im Jeep des W. noch weitere Personen befinden können. Zudem lässt sich aufgrund der Fahrweise eine besondere Rücksichtslosigkeit der Fahrer feststellen. All diese Kriterien sprechen dafür, dass die verwendeten Kraftfahrzeuge im „Berliner Raser-Fall“ als gemeingefährliche Mittel gewertet werden können.
Wägt man in Bezug auf das Merkmal „niedere Beweggründe“ zwischen dem Gedanken, das Kraftfahrzeugrennen zu gewinnen, und der Tötungshandlung ab, so lässt sich dies durchaus als krasses Missverhältnis klassifizieren. Grundsätzlich ließe sich allerdings auch vertreten, dieses Mordmerkmal, bei Betrachtung der gebotenen restriktiven Auslegung der Mordmerkmale, als nicht erfüllt anzusehen.
Eine Mittäterschaft gem. § 25 II StGB ließe sich auch begründen, da die Täter über eine entsprechende gemeinschaftliche Begehung verfügen und dies im Sachverhalt somit angenommen werden kann.

7. Das Urteil des LG Berlin – vor allem: der subjektive Tatbestand des §§ 212, 211 StGB

W.o. beschrieben verurteilte das Landgericht Berlin die Täter auch u.a. wegen mittäterschaftlichen (§ 25 II StGB) Mordes gem. §§ 211, 212 StGB zu lebenslanger Freiheitsstrafe:
Das LG Berlin wertete das Tatbestandsmerkmal „gemeingefährliches Mittel“ als erfüllt. Zwar müsse niemand konkret gefährdet worden sein, allerdings wertete das LG Berlin die Tatsache, dass sich in einem Umkreis von 50m zur Kollisionsstelle drei weitere Zeugen befunden haben und diese somit durch die Kollision konkret gefährdet worden sind, als Indiz. Des Weiteren hätten sich im Pkw des W. weitere Personen befinden und zudem hätten weitere Fahrzeuge die Kreuzung passieren können. Außerdem hatten die Täter die geschaffene Gefahr nicht unter Kontrolle. Das LG Berlin stellte fest, dass die Täter aufgrund ihrer Fahrweise, vor allem der gefahrenen Geschwindigkeit, keinerlei Brems- oder Ausweichmöglichkeiten hatten. Zudem hatten die Täter selbstverständlich keine Kontrolle über die durch die Kollision umherfliegenden Trümmerteile.  Das Vorliegen des Tatbestandmerkmals „niedere Beweggründe“ vermochte das LG Berlin nicht mit letzter Sicherheit zu bejahen und ging somit im Urteil auch nicht aussagekräftig auf dieses ein.
War dies noch relativ klar, so ergaben sich die größten Fallprobleme bei der Frage nach dem Vorsatz:
Aufgrund des Bedarfs einer einzelfallbezogenen Betrachtung für den Tötungsvorsatz, wurde vom LG Berlin eine konkrete Trennung zwischen bedingtem Tötungsvorsatz und der bewussten Fahrlässigkeit vorgenommen.
Zunächst sei zu prüfen, ob die um das Dreifache überschrittene Geschwindigkeit ein fahrlässiges Verhalten nicht mehr nahelegt (N: 139-149km/h, H: 160-170km/h).  Die Täter haben sich dadurch selber jeglicher Brems- und Ausweichmöglichkeit beraubt.  Zwar impliziere eine solche Geschwindigkeitsüberschreitung nicht automatisch einen bedingten Tötungsvorsatz, allerdings sei es naheliegend, dass „geringere“ verkehrsrechtliche Verstöße ein anderes Ergebnis gezeigt hätten.
Den Berliner Tätern wurde zudem unterstellt, dass ihnen bewusst gewesen sein muss, dass auf dieser Strecke auch nachts ein gewisses Verkehrsaufkommen herrscht. Die Gefährlichkeit der Handlung habe sich u.a. aufgrund der Ampelkreuzungen mit der Länge der Strecke erhöht.  Dies, die stetige Beschleunigung, das Ausreizen des technisch Möglichen der Fahrzeuge und das Überfahren roter Ampeln wertete das LG Berlin schlussendlich so, dass der Vorsatz nicht von vornherein, sondern erst beim Einfahren in den Kreuzungsbereich Tauentziehstraße / Nürnberger Straße vorgelegen hat.
Den mögliche Einwand, dass die Vorstellung eines möglichen folgenschweren Unfalls für einen Dritten die Vorstellung des eventuellen eigenen Todes impliziere, wurde dadurch entkräftet, dass die Täter sich in ihren Pkw nach Feststellungen des LG Berlins sicher, geschützt, stark und überlegen gefühlt haben, wodurch diese jegliches Risiko für sich ausgeblendet haben.
Es wurde bei der Beweisaufnahme zusätzlich festgestellt, dass die Angeklagten bei der Tat bei vollem Bewusstsein waren (§§ 20, 21 StGB finden somit keine Anwendung). Das Verhalten wurde „lediglich“ als Selbstüberschätzung beschrieben, wodurch letztendlich wieder geschlussfolgert wurde, dass die Gefahr beiden Tätern bewusst gewesen ist.
Schlussendlich untermauerte das LG Berlin das Urteil dadurch, dass in der Vergangenheit Täter von Straßenverkehrsdelikten, mit nach ihrer Einschätzung „milderer“ Begehungsweise, zu Mördern verurteilt worden sind.

8. Das Urteil des BGHs

Der BGH hob w.o. beschrieben das Urteil des LG Berlin auf, da dieses „sachlich und rechtliche Mängel“ aufweisen würde:
Der wohl entschiedenste Punkt für die Aufhebung des Urteils ist die Begründung des Vorsatzes, welches vom LG Berlin erst für den Zeitpunkt festgestellt wurde, bei welchem diese bereits in den Kreuzungsbereich eingefahren sind. § 16 I StGB erfordert, dass der Täter die Umstände, die zum gesetzlichen Tatbestand gehören, bei der Begehung kennt. Dementsprechend muss der Vorsatz im Zeitpunkt der zum Taterfolg führenden Handlung vorliegen. Wird der Vorsatz erst später gefasst, eine Verurteilung wegen eines vorsätzlichen Deliktes nicht in Betracht. Dementsprechend hätten die Angeklagten beim Einfahren in den Kreuzungsbereich noch eine Handlung vornehmen oder eine gebotene Handlung unterlassen müssen, die dann zum Todeserfolg geführt haben müssten. Aufgrund der gefahrenen Geschwindigkeit und wegen der fehlenden Ausweich- und Reaktionsmöglichkeiten war die Handlung bereits unumkehrbar in Gang gesetzt. Zusätzlich habe sich das LG Berlin laut BGH nicht tragfähig mit einer möglichen Eigengefährdung der Täter auseinandergesetzt. Bei Straftaten, die eine naheliegende Eigengefährdung implizieren und nicht von vornherein auf die Verletzung Dritter ausgelegt sind, kann die Intention des Täters dafür sprechen, dass dieser auf einen guten Ausgang seiner Handlung vertraut hat. Das LG Berlin sprach diesem Einwand schon im Ansatz jegliches Gewicht ab und begründete dies damit, dass sich die Täter in ihren Fahrzeugen sicher gefühlt haben. Dies wurde vom BGH ausdrücklich zurückgewiesen. Das Urteil könne nicht auf Erfahrungsgrundsätzen beruhen und des Weiteren gäbe es auch keinen bestimmten Typ Autofahrer, der sich in einem bestimmten Kraftfahrzeug vollständig sicher fühlt und dadurch jegliches Risiko für sich ausblendet.  Somit scheitert die Vorsatzbegründung des LG Berlin.
Zudem wurde auf eine fehlerhafte Begründung der Mittäterschaft hingewiesen. Das LG Berlin nahm die Mittäterschaft gem. § 25 II StGB aus dem einfachen Grund an, dass es nur vom Zufall abhing, wer mit dem Jeep des W. kollidierte. Allerdings setzt dies einen gemeinsamen Tatentschluss voraus, wobei jeder Täter dann auch objektiv einen Tatbeitrag für den Erfolgseintritt leisten muss. Zwar begründete das LG Berlin den gemeinsamen Tatentschluss für das Rennen, allerdings an keiner Stelle eine (zumindest konkludente) Übereinkunft zum gemeinsamen Tötungsentschluss.
Der BGH wies zuletzt darauf hin, dass die Begründung des Vorsatzes allein dem Tatrichter obliegt und es sich dabei immer um eine Einzelfallentscheidung handelt. Zusätzlich soll bei der Begründung des Tatbestandsmerkmals „gemeingefährliches Mittel“ eine konsistente Gesamtwürdigung der subjektiven Umstände vorgenommen werden. Zuletzt soll dann auch das Tatbestandsmerkmal „Heimtücke“ geprüft werden.

9. Fazit

Die aus der Einleitung hervorgegangen Fragestellungen wurden in diesem Artikel versucht, so konkret wie möglich zu klären.
Vorweg ist zu sagen, dass der Berliner „Raser-Fall“ lediglich als Beispiel zur Abgrenzung oder ggf. auch für sich ergebende Überschneidungen der Tatbestände diente. Die Täter des Berliner „Raser-Fall“ können indes nicht gem. § 315d V StGB verurteilt werden, da der Tatbestand erst am 30.9.2017 ins StGB aufgenommen worden ist. Für vergleichbare zukünftige Fälle aber schließt der neue § 315 d StGB durchaus eine Lücke.
Das Urteil des LG Berlin lässt erkennen, dass grundsätzlich bei dergleichen Taten auch eine Verurteilung der Täter als Mörder möglich ist und man genau bei diesen Begründungspunkten ansetzen muss, wohingegen das Urteil des BGHs verdeutlicht, dass eine Begründung der objektiven und vor allem subjektiven Elemente durchaus Probleme bereiten kann. Es wirkte, als wolle das LG Berlin beim Berliner „Raser-Fall“ testen, ob die Verurteilung als Mörder bei einem solchen Sachverhalt standhält, da das Urteil an vielen Stellen zu „dünn“ war. Deutlich wurde, dass es sich immer Einzelfallentscheidungen handelt, wodurch es folglich keinen konkreten Tatverlauf gibt, bei dem die Täter grundsätzlich als Mörder verurteilt werden können. Die Aufhebung des Urteils lässt sich durch die o.g. Begründung (Punkt 8) durchaus nachvollziehen. Der BGH ließ allerdings an keiner Stelle des Urteils anklingen, dass eine Verurteilung als Mörder überhaupt nicht möglich ist. Somit lässt sich abschließend feststellen, dass eine Verurteilung als Mörder bei illegalen Kraftfahrzeugrennen mit Todesfolge durchaus in Betracht kommt.
Das LG Berlin verurteilte die Täter am 26.03.2019 erneut wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Der BGH äußerte sich dazu bislang allerdings noch nicht.
Die Arbeit inkl. aller Fußnoten finden Sie hier als PDF.