Urteile in Kürze: Alkoholbedingte Schuldunfähigkeit, Fahrerlaubnisentziehung

von Ernst Böttcher, Rechtsanwalt, Hanau

Alkoholbedingte Schuldunfähigkeit beim alkoholgewöhnten Angeklagten

Der BGH hat zum vorbezeichneten Themenfeld eine Entscheidung getroffen, in der die Auswirkungen des Alkohols als Grundlage der Schuldunfähigkeit konkretisiert werden. Angeklagt war ein Lkw-Fahrer, der mit einer Blutalkoholkonzentration von 3,04 Promille einen Lkw gefahren hatte und dabei einen Fahrradfahrer angefahren und tödlich verletzt hatte. Der Lkw-Fahrer hielt nicht an, sondern setzte seine Fahrt fort, wobei er rote Ampeln ignorierte. Er schrammte dann an einer Bordsteinkante an einer Bahnhaltestelle vorbei. Er bemerkte dies und fuhr dennoch weiter. Er fuhr danach in ein Gebäude und kam dort zum Stehen. Der Sachschaden betrug ca. 20.000 Euro.

Rechtsweg

Das Landgericht fand den Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs sowie wegen Verkehrsunfallflucht in Tateinheit mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs für schuldig und verurteilte ihn zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten. Es hatte die Gesamttat in zwei Tatkomplexe unterteilt.

Der Fall (1) war die fahrlässige Tötung mit fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs. Der Fall (2) war die Verkehrsunfallflucht mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs.

Das Landgericht ist bei seiner Verurteilung davon ausgegangen, dass der Angeklagte bei der Begehung der Taten uneingeschränkt schuldfähig gewesen sei. Zur Begründung hatte es ausgeführt, dass der Angeklagte ein ausgeprägtes Leistungsverhalten gehabt habe. Er habe seinen Lkw über die gesamte Fahrt vollumfänglich im Griff gehabt. Weiter führte es aus, dass der Angeklagte über einen Großteil der Fahrt den Anforderungen an ein situations-adäquates Verhalten gerecht geworden sei.

Das Landgericht hatte im Widerspruch zu den obigen Ausführungen jedoch auch festgestellt, dass der Angeklagte im Fall der Verurteilung im Fall (1) mit dem Fahrradfahrer deshalb kollidiert sei, weil er ihn aufgrund seiner Alkoholisierung zu spät oder möglicherweise gar nicht wahrgenommen habe. Hier hätte sich der Alkoholgenuss in Form der Beeinträchtigung der Wahrnehmungsfähigkeit ausgewirkt.

Nach der Auffassung des BGH sind die darauffolgenden Rotlichtverstöße und die damit verbundenen Beinahe-Unfälle ebenfalls auf die eingeschränkte Wahrnehmung zurückzuführen, weshalb der BGH von einer eingeschränkten Leistungsfähigkeit des Angeklagten ausgeht.

Grundlage für die Einschätzung des Landgerichts war ein Sachverständigengutachten, das eine Schuldfähigkeitsbeurteilung auch bei 3,05 Promille nicht als gegeben sah, weil der alkoholabhängige Angeklagte Alkohol gewöhnt gewesen sei und auch bei seiner Feststellung nach dem Unfall keine Ausfallserscheinungen gezeigt habe. Er habe auf Fragen im Kontext geantwortet, sei weder getorkelt, noch habe er gelallt oder Denkstörungen aufgewiesen.

Hier setzt die Kritik des BGH an. Er geht davon aus, dass äußeres Leistungsverhalten und eine innere Steuerungsfähigkeit auch bei hoher Alkoholgewöhnung durchaus auseinanderfallen können. Gerade bei Alkoholikern zeige sich oft eine „durch Übung“ erworbene Kompensationsfähigkeit, insbesondere im Bereich grobmotorischer Auffälligkeiten. Dem Verhalten nach der Tat komme in diesem Zusammenhang daher nur geringe Aussagekraft zu. Der BGH kritisiert, dass das Landgericht nicht bedacht habe, dass bei dem Angeklagten durch den Unfall eine Ernüchterung eingetreten sein könne.

Die Nichtanordnung einer Maßregel der Besserung und Sicherung in Form der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) kann nach Meinung des BGH bestehen bleiben. Er ging davon aus, dass beim Angeklagten kein hinreichender Behandlungserfolg entstehen würde. Die Entscheidung wurde zur erneuten Verhandlung an das Landgericht zurückgewiesen.

Fazit

Tatsächlich tut sich die Rechtsprechung mit alkoholisierten Tätern sehr schwer. Da haben wir auf der einen Seite eine 1,6-Promillegrenze, bei der der Gesetzgeber sagt, dass allein die Fähigkeit, diesen Wert ohne Abwehrreaktion des Körpers aufzubauen, auf eine Alkoholerkrankung hinweise, so dass auch ohne Auffälligkeit ein derart alkoholisierter Kraftfahrer sofort seines Führerscheins verlustig geht. Ab einem Blutalkoholgehalt von zwei Promille hat das Gericht in jedem Fall die Anwendung des § 21 StGB, also die verminderte Schuldfähigkeit, zu prüfen (BGH 43, 69). Bei einem Blutalkoholgehalt zwischen 2,3 und 2,7 Promille ist die Wahrscheinlichkeit einer erheblichen Herabsetzung der Hemmungsfähigkeit sehr hoch, weshalb gewichtige Anzeichen für deren Erhalt sprechen müssen (BGH, Urteil vom 6.3.1986).

Blutalkoholwerte ab drei Promille erfordern stets die Prüfung der Schuldfähigkeit nach § 20 StGB. Alle Personen, die mehr als 1,6  Promille aufbauen können, ohne dass der Körper Abwehrreaktionen zeigt, dürften als alkoholgewohnt anzusehen sein. Der Unterschied von 0,5 Promille mehr oder weniger kann erheblich sein.

So ist dem Autor ein Fall bekannt, in dem ein Blutalkoholwert von 3,15 Promille zum Tod geführt hat. In einem anderen Fall waren zwei Täter in das obere Fenster eines Kiosks eingestiegen, um dort Alkohol zu entwenden. Dabei war der eine dem anderen auf die Schulter geklettert, um an das Fenster zu kommen. Beide hatten mehr als 3,1 Promille.

Angesichts dieser Bandbreite körperlicher Reaktionen wundert es nicht, dass sich die Rechtsprechung mit der Frage der Schuldfähigkeit bei alkoholgewöhnten Tätern schwer tut. Insoweit war die Entscheidung des BGH, das äußere Leistungsverhalten eines Täters und die innere Steuerungsfähigkeit abzugrenzen, sicherlich hilfreich.

Entziehung der Fahrerlaubnis auch ohne dessen Nutzung möglich

Rechtsweg

Ein Beschluss des Verwaltungsgerichts Neustadt vom 18.1.2019 (Az: 1 L 1587/18 Nw) hat den Betroffenen sicherlich überrascht. Er war Inhaber einer Fahrerlaubnis und wollte „wie in alten Zeiten“ auf einem Festival feiern. Dabei hatte er unter anderem Amphetamin (Ecstacy) konsumiert. Wohlwissend, dass er unter Drogenkonsum kein Auto fahren durfte, hatte er dieses extra zu Hause gelassen und war mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Festivalort gefahren. Am Ende des Festivals, als er nach Hause fuhr, auch dies wieder mit öffentlichen Verkehrsmitteln, wurde er am Bahnhof von der Polizei kontrolliert. Dort wurde der Drogenkonsum festgestellt. Daraufhin entzog ihm die Fahrerlaubnisbehörde des Landkreises Kaiserslautern mit sofortiger Wirkung die Fahrerlaubnis.

Der Mann strengte ein Eilverfahren an und berief sich darauf, dass der Drogenkonsum anlässlich des Festivalbesuchs erfolgt sei und er deshalb mit öffentlichen Verkehrsmitteln gefahren sei. Außerdem habe er noch zwei Tage Urlaub genommen, um auszunüchtern. Deshalb müsse von einer Fahrerlaubnisentziehung bei ihm abgesehen werden.

Das Verwaltungsgericht Neustadt lehnte den Antrag ab, verwies auf die Gesetzeslage, dass allein wegen der Einnahme von harten Drogen, wie Amphetaminen, im Regelfall die Fahrerlaubnis zu entziehen sei. Auch hielt es die Ausnüchterungszeit von zwei Tagen für zu knapp bemessen.

Fazit

Der Mann hatte offensichtlich einiges verwechselt. Beim Konsum von Alkohol stellt der Gesetzgeber darauf ab, dass ein Alkoholkonsument zuverlässig zwischen seinem Konsum und dem Führen eines Kraftfahrzeugs unterscheiden und dieses trennen kann. Daher kann der Inhaber eines Führerscheins öffentliche Verkehrsmittel benutzen, ohne deshalb seinen Führerschein zu gefährden. Er muss nur sicherstellen, dass er bei Nutzung eines Fahrzeugs nüchtern ist.

Anders verhält es sich bei harten Drogen, wie Amphetaminen, Heroin oder ähnlichem. Da kommt es für die Frage, ob der Konsument unter Drogeneinfluss ein Fahrzeug führt, nicht an. Allein der Drogenkonsum führt zur Rechtmäßigkeit der Entziehung der Fahrerlaubnis. Nach derzeitigem wissenschaftlichem Stand kann die Wirkung einer solchen Droge zeitlich nicht eingegrenzt und Nachhalleffekte auch nach Abstinenz von zwei Tagen nicht ausgeschlossen werden. Die Wirkung einer solchen Droge sei zeitlich nicht beherrschbar.

Der Fall ist insoweit besonders, weil es sich nach dem Sachverhalt um einen einmaligen, aus Nostalgie heraus erfolgten Konsum handelte. Insoweit kann der Betroffene sicherlich in absehbarer Zeit seinen Führerschein wieder erlangen, wenn er vorab innerhalb einer MPU eine dauerhafte Drogenabstinenz nachweist. Der Regelfall liegt jedoch nicht in einem einmaligen, sondern in einem permanenten Konsum, was eine Wiedererlangung der Fahrerlaubnis ausschließt.