Rechtsextremisten in deutschen Sicherheitsbehörden und in der Bundeswehr

Von Prof. Dr. Stefan Goertz, Bundespolizei, Hochschule des Bundes Lübeck

Einleitung

Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, erklärte anlässlich der Vorstellung des ersten Lageberichtes „Rechtsextremisten in Sicherheitsbehörden“, dass Meldungen zu Rechtsextremisten in deutschen Sicherheitsbehörden und in der Bundeswehr „schockieren und jeder Vorfall in der Lage ist, das Vertrauen in den deutschen Staat und seine Organe zu erschüttern“.[2] Daneben erklärte Haldenwang, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz bereits im August 2019 eine „Organisationseinheit geschaffen“ habe, die bei der „Erkennung und Bearbeitung von Rechtsextremisten im öffentlichen Dienst als Zentralstelle für die Zusammenarbeit der Verfassungsschutzbehörden fungiert“. Nach Angaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz meldeten die deutschen Sicherheitsbehörden im Erhebungszeitraum auf der Ebene von Bundessicherheitsbehörden 58 Verdachtsfälle Rechtsextremismus, auf der Ebene der Sicherheitsbehörden der Länder 319 Verdachtsfälle Rechtsextremismus und der Militärische Abschirmdienst (MAD) für den Bereich der Bundeswehr 1064 Verdachtsfälle Rechtsextremismus. Als Maßnahmen gegen Rechtsextremisten in deutschen Sicherheitsbehörden und in der Bundeswehr nannte Haldenwang drei Felder: Prävention, Detektion und Reaktion. Weiter führte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz aus, dass durch gezielte Fortbildung Führungskräfte und Mitarbeiter von Sicherheitsbehörden für Radikalisierungsprozesse, extremistische Inhalte, Symbolik und Chiffren sowie antisemitische und rechtsextremistische Argumentationsmuster sensibilisiert werden müssten.[3] Am Ende entscheide nach Auffassung des Bundesamtes für Verfassungsschutz die dritte Ebene, eine wirksame und schnelle Reaktion, hier: Eine frühzeitige Einleitung des Verfahrens, wenn sich ein Verdacht verfestigt, der zügige Abschluss des Verfahrens und die gebührende Berücksichtigung der rechtsextremistischen Haltung oder Handlung bei der Sanktionierung. Es müsse „jedem klar werden, dass Antisemitismus, Rassismus und Rechtsextremismus keinen Platz im öffentlichen Dienst haben. Alle beteiligten Stellen müssen hier ihre Rolle ausfüllen“, so Haldenwang.

Das Wochenmagazin „Der Spiegel“ meldete im August 2020 für den Zeitraum 2014 bis Sommer 2020 ca. 400 Verdachtsfälle für Rechtsextremismus in den deutschen Polizeien. Dazu zählen Fälle von Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus unter Polizisten und Polizeianwärtern. Dies ergab eine Umfrage des Wochenmagazins Spiegel bei den Innenministern der 16 Bundesländer und beim Bundesinnenministerium. Die Bundesländer zählten von 2014 bis Sommer 2020 rund 340 derartige Vorkommnisse, bei der Bundespolizei waren es von 2012 bis Sommer 2020 nach Angaben des Bundesinnenministeriums 36 rechtsextremistische und 25 rassistische Verdachtsfälle seit dem Jahr 2012 sowie zwölf Fälle, in denen Beamte der sogenannten Reichsbürger-Bewegung nahestehen sollen. Bayern registrierte 18 mutmaßliche „Reichsbürger“ in Uniform.[4]

Dieser Beitrag wertet einführend das erste Lagebild „Rechtsextremisten in Sicherheitsbehörden“ des Bundesamtes für Verfassungsschutz aus und untersucht dann Gegenmaßnahmen der deutschen Sicherheitsbehörden. Das Kapitel vier beleuchtet aktuelle Fälle von Rechtsextremismus in den deutschen Polizeien, darunter rechtsextremistische Chats von Berliner Polizisten, rechtsextremistische Chats von Polizisten in Mecklenburg-Vorpommern sowie rechtsextremistische Chats von Polizisten in Nordrhein-Westfalen. Ebenfalls thematisiert werden Fälle von Rechtsextremismus und Rassismus in der Bundespolizei sowie der Themenkomplex „NSU 2.0“ und Polizisten. Das Kapitel 5 widmet sich dann dem aktuellen Thema Rechtsextremismus in der Bundeswehr, wo sich im Frühjahr und Sommer 2020 Meldungen über Rechtsextremismus, speziell im Kommando Spezialkräfte (KSK), gehäuft haben.

2. Die Zahlen des aktuellen Lagebildes „Rechtsextremisten in Sicherheitsbehörden“ des Bundesamtes für Verfassungsschutz

Abgefragte und beteiligte Stellen bei der Erhebung „Rechtsextremisten in Sicherheitsbehörden“ waren und sind das  Bundesamt für Verfassungsschutz, das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst, das Bundeskriminalamt, der Bundesnachrichtendienst, die Bundespolizei, die Zollverwaltung, die Polizei beim Deutschen Bundestag sowie die Landesbehörden für Verfassungsschutz, die Landeskriminalämter und die Landespolizeibehörden. Der Erhebungszeitraum für die Untersuchung war vom 1.1.2017 bis zum 31.3.2020, in welchem 319 Verdachtsfällen untersucht wurden. Die Bundessicherheitsbehörden meldeten für diesen Zeitraum 58 Verdachtsfälle, der Militärische Abschirmdienst für den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung 1064 Verdachtsfälle.[5]

Die 319 Verdachtsfälle in den Sicherheitsbehörden der Bundesländer kommen auf ca. 264.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.[6] Zu den 319 Verdachtsfällen wurden insgesamt 303 Verfahren eingeleitet. Es wurden 237 disziplinarrechtliche Verfahren (78%), 48 Verfahren mit dem Ziel der Entlassungen/Nichternennungen in das Beamtenverhältnis auf Probe (16%) sowie 18 arbeitsrechtliche Maßnahmen (6%) eingeleitet. In dem genannten Zeitraum wurden zudem 261 strafrechtliche Verfahren eingeleitet.[7]

Innerhalb der Sicherheitsbehörden des Bundes, des Bundesamtes für Verfassungsschutz, des Bundesnachrichtendienstes, der Bundespolizei, des Bundeskriminalamtes, der Polizei des Bundestages und der Zollverwaltung wurden im Zeitraum 1.1.2017 bis 31.3.2020 unter 108.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern 58 Verdachtsfälle Rechtsextremismus gemeldet.[8]

Im Zeitraum 1.1.2017 bis zum 9.4.2020 erhob das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD) 1.064 Verdachtsfälle Rechtsextremismus in der Bundeswehr. Wegen noch anhängiger Bearbeitungen aus den Jahren 2017, 2018 und 2019 waren im Jahr 2020 etwa 550 Fälle mutmaßlicher Rechtsextremisten in Bearbeitung. Knapp 400 Bearbeitungen wurden mit dem Ergebnis abgeschlossen, dass der Verdacht auf rechtsextremistische Einstellung von Personen nicht mehr begründet war, eine Rehabilitation stattgefunden hat oder eine Täterermittlung erfolglos verlaufen ist. In dem Zeitraum 1.1.2017 bis Januar 2020 wurden 46 einfache Disziplinarmaßnahmen, zehn gerichtliche Disziplinarmaßnahmen sowie 40 Strafverfahren eingeleitet. Von den Strafverfahren wurden 24 Verfahren eingestellt. In den Jahren 2018 und 2019 wurden insgesamt 70 Soldaten der Bundeswehr durch das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr wegen rechtsextremistischer Verfehlungen entlassen.[9]

Im Rahmen der Vorstellung des neuen Lageberichtes „Rechtsextremisten in Sicherheitsbehörden“ im September 2020 erklärte Bundesinnenminister Horst Seehofer, er sehe „kein strukturelles Problem mit Rechtsextremismus in den Sicherheitsbehörden“[10]. Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, erklärte, die Bandbreite der erfassten rechtsextremistischen Vorfälle in deutschen Sicherheitsbehörden sei groß und die Vorwürfe sehr heterogen.[11] Betrachtet worden seien Fälle mit typisch rechtsextremistischen Merkmalen wie Rassismus, Antisemitismus oder Verherrlichung des Nationalsozialismus. Bundesinnenminister Seehofer verwies auf die insgesamt geringe Fallzahl. „Die ganz überwiegende Mehrheit in unseren Sicherheitsbehörden steht fest auf dem Boden unseres Grundgesetzes“, sagte Seehofer. Auf der anderen Seite sei jeder erwiesene Fall von Rechtsextremismus in deutschen Sicherheitsbehörden einer zu viel, da er alle Beschäftigten in Mitleidenschaft ziehe. Eine wissenschaftliche Studie eigens zum Rechtsextremismus in der Polizei lehnt der Bundesinnenminister trotz vielfacher Forderungen ab und bekräftigte, dass Rassismus ein gesamtgesellschaftliches Problem sei. Die Reduktion der Problematik auf eine Berufsgruppe greife zu kurz.[12]

Der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jörg Radek, erklärte im September 2020 zu diesem Thema: „Wir haben in der deutschen Polizei keinen strukturellen Rassismus“. Wenn es rassistische oder rechtsextremistische Vorfälle in den deutschen Polizeien gebe, dann seien das Einzelfälle, „und da muss dann auch mit rechtsstaatlichen Mitteln ermittelt werden“.[13]

3. Gegenmaßnahmen der deutschen Sicherheitsbehörden

Das Bundesamt für Verfassungsschutz schlägt als präventive Maßnahme gegen Rechtsextremismus in den Sicherheitsbehörden und in der Bundeswehr vor, dass Führungskräfte aus allen Ebenen in Bezug auf das Erkennen von und den Umgang mit rechtsextremistischen Verdachtsfällen, u.a. in den Bereichen Rassismus und Antisemitismus, geschult werden müssen. Darüber hinaus schlägt das Bundesamt für Verfassungsschutz die Einrichtung der Stelle eines behördeninternen Extremismusbeauftragten vor, die Umsetzung der Einrichtung einer entsprechenden Stelle obliegt den Behörden der jeweiligen Länder bzw. des Bundes. Ein etabliertes Mittel zur Prävention von Rechtsextremismus ist weiterhin die Sicherheitsüberprüfung, durchgeführt von den Verfassungsschutzbehörden, bzw. durch das BAMAD für die Bundeswehr. Durch Sicherheitsüberprüfungen soll gewährleistet werden, dass Personen, bei denen Zweifel am Bekenntnis zur Freiheitlichen demokratischen Grundordnung (FdGO) begründet sind, nicht in einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit eingesetzt werden können. Dadurch wird schon im Vorhinein verhindert, dass Rechtsextremisten ihren Weg in sensible Bereiche des öffentlichen Dienstes finden.[14]

Bewerber für den Polizeivollzugsdienst werden in vielen Bundesländern vor der Einstellung von den einstellenden Polizeibehörden durch eine Abfrage in den polizeilichen Datensystemen sowie im Bundeszentralregister überprüft. Zudem erfolgt in einigen Bundesländern mit Einverständnis des Bewerbers zusätzlich eine Abfrage bei den Verfassungsschutzbehörden. Ein wichtiges Element der Prävention von Rechtsextremismus in den Sicherheitsbehörden und in der Bundeswehr ist zudem die gezielte Fortbildung und Sensibilisierung von Mitarbeitern und Führungskräften, der Verfassungsschutzverbund wirkt an diesen Fortbildungen mit. Ziel ist es, Führungskräfte und Mitarbeiter für Radikalisierungsprozesse, extremistische Inhalte, Symbolik und Chiffren sowie antisemitische und rechtsextremistische Argumentationsmuster zu sensibilisieren. Die Schulungen beinhalten neben der Befähigung zum Erkennen auch den Umgang mit erkannten extremistischen Argumentationsmustern.[15]

Für die Koordinierung von Informationsaustausch und Zusammenarbeit der deutschen Sicherheitsbehörden hat das Bundesamt für Verfassungsschutz eine zentrale Koordinierungsstelle eingerichtet, um den Informationsaustausch innerhalb des Verfassungsschutzverbundes, aber auch denjenigen mit anderen (Sicherheits-)Behörden des Bundes und der Länder weiterzuentwickeln. Die Stelle dient als Ein- und Ausgangspunkt für Erkenntnisanfragen und Erkenntnismitteilungen, die eine Überprüfung von Kennlinien und Verbindungen zu Personen aus dem extremistischen Spektrum ermöglicht und Zusammenhänge zwischen rechtsextremistischen Sachverhalten aufklären soll.[16]

Der Detektion von rechtsextremistischen Verdachtsfällen muss eine konsequente Reaktion folgen. Dies betrifft die umfassende und zeitnahe Aufklärung der Kennlinien des Betroffenen zu Extremisten und etwaige Einbindungen in extremistische Netzwerke. Dies ist Aufgabe der Verfassungsschutzbehörden, die auf die umfassenden Informationen der zuliefernden Behörden angewiesen ist. Das so gewonnene Erkenntnisbild muss nach Auffassung des Bundesamtes für Verfassungsschutz Grundlage der durchzuführenden Ermittlungen, aber auch der anzusetzenden dienstrechtlichen Disziplinarmaßnahme, der arbeitsrechtlichen Konsequenz oder Strafbemessung sein. So müssen wiederholte, andauernde oder schwerwiegende extremistische Handlungen oder eine andauernde Verletzung der beamtenrechtlichen Grundpflichten schon auf Grund generalpräventiver Erwägungen empfindliche Konsequenzen zur Folge haben.[17]

4. Aktuelle Fälle von Rechtsextremismus in deutschen Polizeibehörden

4.1 Rechtsextremistische Chats von Berliner Polizisten

Anfang Oktober 2020 wurde eine rechtsextremistische Chatgruppe von Berliner Polizisten bekannt. In dieser Chatgruppe von Berliner Polizisten wurden Muslime mit Affen verglichen und als „fanatische Primatenkultur“ bezeichnet, Flüchtlinge mit Vergewaltigern oder Ratten gleichgesetzt. Mehr als 25 Polizisten schrieben sich im Chat Nachrichten, darin finden sich regelmäßig rassistische Inhalte, Hass auf Andersdenkende und offene Gewaltphantasien. Vor allem sieben Beamte äußern sich in den Chats immer wieder rassistisch, häufig in Form von vermeintlichen Witzen. Von den Kollegen erhalten sie dafür oft Zustimmung. Da wird etwa über einen „Gesinnungstest“ für die Aufnahme bei der Polizei gewitzelt: „Erschießen Sie sechs illegale Einwanderer“, lautet eine der imaginären Aufforderungen in der Prüfung. Dazu kommen Bilder über die bekannte rechtsextreme Ideologie des „großen Austauschs“, wonach die weiße Bevölkerung Europas gezielt durch Migranten ersetzt werde. „Merkels Gäste“ kämen „wie Heuschrecken über Europa“, ereiferte sich ein Berliner Polizist.[18] Der Berliner Innensenator Andreas Geisel erklärte dazu: „Sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, ist dies absolut inakzeptabel und hat nichts mit einer modernen, weltoffenen Hauptstadtpolizei zu tun.“ Solches Verhalten beschädige „die hervorragende Arbeit tausender Beschäftigter der Polizei Berlin.“[19]

4.2 Rechtsextremistische Chats von Polizisten in Mecklenburg-Vorpommern

In Mecklenburg-Vorpommern standen Polizisten im September 2020 im Verdacht, rechtsextremistisches Gedankengut in Chats ausgetauscht zu haben. Bei zwei von ihnen gab es Durchsuchungen. Innenminister Caffier stellte klar: „Die Zeit, in der wir von Einzelfällen reden, ist vorbei.“[20] Im Zuge von Ermittlungen wegen rechtsextremistischer Chats wurden im September 2020 zwei Polizisten vom Dienst suspendiert, weil sie im Verdacht stünden, auf ihren Privathandys antisemitische, ausländerfeindliche sowie Nazis verherrlichende Nachrichten verschickt zu haben, teilte das Landesinnenministerium Mecklenburg-Vorpommern mit. Bei Durchsuchungen seien Datenträger und weitere Technik beschlagnahmt worden. Die beiden Beamten waren zuletzt in den Bereichen der Polizeipräsidien Rostock und Neubrandenburg tätig. Gegen zwei weitere Polizisten seien Disziplinarverfahren eingeleitet worden, sagte Landesinnenminister Caffier. Insgesamt standen damit 17 Beamte und ein Tarifangestellter der Landespolizei im Verdacht, rechtsextremistisches Gedankengut in Internet-Chats ausgetauscht zu haben. „Solch ein Verhalten ist abscheulich und beschämend für die Landespolizei“, erklärte Caffier.[21] Allerdings gebe es keine Hinweise auf ein rechtsextremistisches Netzwerk.

4.3 Rechtsextremistische Chats von Polizisten in Nordrhein-Westfalen

30 Polizistinnen und Polizisten in Nordrhein-Westfalen stehen seit dem Herbst 2020 unter Verdacht, über Jahre rechtsextremistische Propaganda in privaten Chatgruppen verschickt und empfangen zu haben. Fast alle waren oder sind Angehörige einer Dienstgruppe in Mülheim an der Ruhr. Die dortige Wache gehört zum Polizeipräsidium Essen. Mitte September wurden die Wohnungen und Dienststellen der beschuldigten Polizisten durchsucht.[22] Da offenbar nicht alle der 30 verdächtigen Polizisten aktiv rechtsextremistische Nachrichten versendet haben sollen, laufen lediglich gegen 13 von ihnen Strafverfahren. 14 Beamte sollen laut NRW-Innenminister Herbert Reul dauerhaft aus dem Dienst entfernt werden. Einige der Beschuldigten sollen die rechtsextremistischen Postings eingeräumt haben. Mehrere Polizisten sollen ihr eigenes Fehlverhalten gestanden und angegeben haben, dass die Inhalte der Chats nicht ihrer politischen Überzeugung entsprächen. Gegenüber den Ermittlern sollen sich alle kooperativ gezeigt haben. Der Anwalt eines Beschuldigten sagte der Nachrichtenagentur DPA, sein Mandant sei nicht rechtsextremistisch und stufe sein Verhalten als „große Gedankenlosigkeit“ ein. Die Chats, über welche die Polizisten Fotos von Hakenkreuzen und Adolf Hitler verschickt haben sollen, bestanden vermutlich mindestens seit 2012. Dass dies aus der Dienstgruppe offenbar niemand anprangerte, sei „das eigentliche Problem“, sagte Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul. Wie Reul erklärte, werde er einen Sonderbeauftragten für rechtsextremistische Tendenzen in der nordrhein-westfälischen Polizei berufen. Er werde alles in seiner Macht stehende dafür tun, „diese Menschen aus dem Dienst zu entfernen“, sagte Reul über die betroffenen Beamten. Er sprach von einer „Schande für die Polizei“.[23]

In den fünf aufgedeckten rechtsextremistischen Chat-Gruppen wurden Reul zufolge mindestens 126 Bilddateien verteilt, darunter Fotos von Adolf Hitler sowie die fiktive Darstellung eines Flüchtlings in einer Gaskammer. Auch von Hakenkreuzen und Reichskriegsflaggen war die Rede. Reul zufolge ist in „verächtlichmachender Darstellung“ zu sehen, wie Menschen mit schwarzer Hautfarbe erschossen würden. Der Innenminister von NRW sprach von „übelster und widerwärtigster neonazistischer, rassistischer und flüchtlingsfeindlicher Hetze“. Nach Auffassung von NRW-Innenminister Reul haben die beschuldigten Polizisten das Ansehen der rund 50.000 Polizisten in Nordrhein-Westfalen geschädigt. „Ich weiß, dass der weitaus größte Teil der Polizei anständige Menschen sind.“[24]

4.4 Fälle von Rechtsextremismus und Rassismus in der Bundespolizei

Die Bundespolizei meldete Anfang Oktober 2020 für den Zeitraum von Januar 2017 bis Juni 2020 24 rechtsextremistische und 20 rassistische Verdachtsfälle. „Das entspricht einem Anteil von 0,085 Prozent der Beschäftigten“, teilte das Bundespolizeipräsidium mit.[25] Die Bundespolizei hatte im Oktober 2020 51.315 Mitarbeiter. Abgeschlossen werden konnten bis Anfang Oktober 2020 21 der 44 Verfahren. Von diesen 21 wurden zwei Fälle eingestellt, neun Mal wurden Disziplinarmaßnahmen verhängt, in zehn Fällen wurden die betroffenen Beamten entlassen oder nach der Beendigung ihrer Ausbildung nicht übernommen. Von den 44 Verdachtsfällen innerhalb der Bundespolizei wurde der überwiegende Teil, 31 Fälle, durch interne Hinweise aus der Bundespolizei heraus bekannt. Bereits im Mai 2015 war dort eine interne Vertrauensstelle geschaffen worden, die seit Kurzem auch eine „Whistleblower“-Strategie verfolgt. Die interne Vertrauensstelle ist beim Bundespolizeipräsidium in Potsdam angesiedelt und untersteht direkt dem Polizeipräsidenten. Sie nimmt Beschwerden und sachdienliche Hinweise von Bediensteten der Bundespolizei entgegen.[26]

4.5 „NSU 2.0“ und Polizisten

Seit Ende 2017 beobachten die deutschen Sicherheitsbehörden einen Versand von rechtsextremistischen Erpressungsmails, die massive Beschimpfungen und rassistische Äußerungen mit Erpressungsversuchen verbinden. Der oder die Absender drohen beispielsweise damit, dass sie im Internet Waffen an Rechtsextremisten verkaufen oder dass sie rechtsextremistische Anschläge gegen Bezahlung begehen, wenn ihnen nicht eine hohe Geldsumme in einer Digitalwährung überwiesen wird. Die verantwortlichen Rechtsextremisten verwenden dazu wechselnde Selbstbezeichnungen. Im Jahr 2019 gingen E-Mails mit Bombendrohungen bei Gerichten, kommunalen Einrichtungen und anderen öffentlichen Einrichtungen sowie bei diversen Politikern in ganz Deutschland ein. Die Absender firmieren beispielsweise unter den Bezeichnungen „Staatsstreichorchester“ und „Cyber Reichswehr“. In den letzten Jahren sind den Sicherheitsbehörden auch immer wieder Informationssammlungen unterschiedlicher Art über politische Gegner von Rechtsextremisten bekannt geworden, die in der medialen Berichterstattung als „Feindes-“ oder „Todeslisten“ bezeichnet werden. Bei den darin aufgeführten Personen handelt es sich meist um Amtspersonen und Personen des öffentlichen Lebens. Diese Listen werden zum Teil auch auf Websites veröffentlicht. Derartige Veröffentlichungen dienen dem Aufbau einer Drohkulisse, die zu einer Einschüchterung der betroffenen Personen führen soll.[27]

Mehr als 80 rechtsextremistische Drohschreiben, unterzeichnet mit „NSU 2.0“ (ein Verweis auf die rechtsterroristische Gruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“), sind in den vergangenen zwei Jahren an Politikerinnen, eine Anwältin, Künstlerinnen und Aktivistinnen verschickt worden. Seit Anfang 2018 erhalten Frauen wie die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız, die Künstlerin İdil Baydar oder die hessische Politikerin der Partei Die Linke, Janine Wissler, anonyme Schreiben, in denen ihnen im Namen von „NSU 2.0“ Gewalt angedroht wird. Seit Monaten weisen Spuren in Richtung der hessischen Landespolizei, denn immer wieder enthalten die Drohschreiben des „NSU 2.0“ vertrauliche Daten, die kurz zuvor an Polizeicomputern in Hessen abgerufen worden sind, so im 1. Polizeirevier in Frankfurt am Main und zuletzt im 4. Polizeirevier in Wiesbaden.[28] Solche verdächtigen Datenabfragen von Polizisten soll es allerdings in mehreren Bundesländern gegeben haben. Im Zusammenhang mit „NSU 2.0“ laufen interne Ermittlungen der Polizei auch in Hamburg und Berlin. So sollen am 5.3.2019 persönliche Daten der Künstlerin İdil Baydar an einem Berliner Polizeicomputer abgefragt worden sein, ohne dass ein dienstlicher Grund erkennbar ist. Kurz darauf erhielt die Künstlerin, die in Frankfurt und Berlin lebt, Drohschreiben mit dem Absender „NSU 2.0“. Am selben Tag gab es eine solche Abfrage auch an einem Polizeicomputer in Wiesbaden. In Hamburg wiederum haben Ermittler festgestellt, dass die Daten von Hengameh Yaghoobifarah im Polizeisystem abgerufen worden sind. Yaghoobifarah schreibt Kolumnen für die Tageszeitung (taz). Im Juli 2020 tauchte der Name Hengameh Yaghoobifarah erstmals in einem von „NSU 2.0“ gezeichneten Drohschreiben auf.

Unberechtigte Datenabfragen durch Polizisten gab es in den letzten Jahren immer wieder. Mehr als 400 Ordnungswidrigkeits-, Straf- und Disziplinarverfahren gegen Polizisten wurden seit 2018 wegen solcher Datenabfragen eingeleitet. In Hessen ermittelt das Landeskriminalamt seit zwei Jahren im Fall „NSU 2.0“. Der oder die Urheber der Drohschreiben nutzen häufig Verschlüsselungstechnologien und Anonymisierungsdienste, um ihre Identität zu verschleiern. Daher bezog das Landeskriminalamt Hessen auch Cybercrime-Experten und Fachleute des Bundeskriminalamtes in die Ermittlungen mit ein. Es wurden linguistische Gutachten erstellt und Fallanalytiker eingesetzt, um ein Täterprofil zu erarbeiten, allerdings bisher ohne konkreten Erfolg.[29]

5. Rechtsextremismus in der Bundeswehr

Im Frühjahr und Sommer 2020 häuften sich Meldungen über Rechtsextremismus in der Bundeswehr, speziell im Kommando Spezialkräfte (KSK). So sprach der damalige Präsident des Militärischen Abschirmdienstes (MAD), Christof Gramm, Ende Juni bei einer öffentlichen Anhörung des Parlamentarischen Kontrollgremiums für die deutschen Nachrichtendienste von einer „neuen Dimension des Problems Rechtsextremismus in der Bundeswehr“[30] Die Verdachtsfälle von Rechtsextremisten und „Reichsbürgern“ in der Bundeswehr seien in den letzten Monaten auf mehr als 600 angestiegen. „Wir schauen genauer hin auf Extremisten und auch auf Personen mit fehlender Verfassungstreue. Dabei werden wir fündig“, erklärte der Präsident des MAD.[31]

Weiter erklärte der damalige MAD-Präsident gegenüber dem Parlamentarischen Kontrollgremium für deutsche Nachrichtendienste, dass die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr eine Berufspflicht zur Verfassungstreue hätten: „Wer den Staat unseres Grundgesetzes negiert, wer in einem extrem zugespitzten Freund-Feind-Denken lebt, wer sich rassistisch, fremdenfeindlich oder antisemitisch äußert, kann und darf keine Heimat in der Bundeswehr finden“.[32]

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung meldete Anfang Juli 2020, dass die Bundeswehr nach Sicherheitsüberprüfungen in den letzten Monaten mehr als 800 Reservisten wegen Extremismusverdachts von Reservedienstleistungen ausgeschlossen habe.[33] Ende Juni 2020 berichtete die Zeitschrift „Der Spiegel“ darüber, dass der MAD bei einem rechtsextremistischen Reservisten der Bundeswehr eine Politikerliste mit Handynummern und Privatadressen gefunden habe und umgehend ein Uniformtrage- und Dienstverbot verhängt worden sei.[34] Nach mehreren Hinweisen auf Rechtsextremisten unter Reservisten der Bundeswehr hatten der MAD und das Bundesamt für Verfassungsschutz 2019 eine gemeinsame Arbeitsgruppe gegründet, in der seither mehr als tausend Fälle von möglicherweise rechtsextremistischen Soldaten untersucht wurden.

Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer erklärte im ARD-Sommerinterview, dass sie sich mit aller Kraft und Konsequenz gegen Rechtsextremisten innerhalb der Bundeswehr einsetzen werde. Wenn die Soldatinnen und Soldaten, die für eine wehrhafte Demokratie ständen und einen Amtseid für die Verfassung abgelegt hätten, „gegen diese Verfassung kämpfen, erkennbar rechtsextremistisch sind, dann gefährdet das die Stabilität der gesamten Demokratie“, so die Verteidigungsministerin.[35] Deswegen bezeichnete diese das Vorgehen gegen rechtsextremistische Tendenzen in der Bundeswehr als „unserer aller Aufgabe“ und „meine ganz besonders“. Weiter führte die Ministerin aus, dass man es der überwiegenden Mehrheit der Soldaten, die sich verfassungstreu verhielten, gegenüber schuldig sei, „dass all diejenigen, die das nicht tun, in der Bundeswehr erkannt und aus ihr entfernt werden“. Zeitgleich müssten die Rahmenbedingungen, die ein solches Verhalten begünstigen, abgestellt werden. Dieser Aufgabe stelle sich das Bundesministerium der Verteidigung, sagte die Ministerin.[36] In diesem Zusammenhang forderte die neue Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Eva Högl, dass „es keinen Generalverdacht auf Rechtsextremismus in der Bundeswehr“ geben dürfe.[37]

Die Problematik „Rechtsextremismus im KSK“ ist nicht neu, hat aber im Frühjahr 2020 eine neue Qualität und Quantität angenommen. Nach einem Hinweis, der beim MAD Anfang des Jahres 2020 einging, durchsuchten polizeiliche Ermittler des Landeskriminalamtes Sachsen das Privathaus und den Garten eines Kommandosoldaten und fanden dort eine große Anzahl von Munition – berichtet wurde von zehntausenden Schuss Munition und etlichen Kilo Sprengstoff – sowie Waffen. Der Oberstabsfeldwebel wurde noch in der Kaserne festgenommen und sitzt seither in Untersuchungshaft. Nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft Dresden ist der Kommandosoldat dringend tatverdächtig, gegen Waffen- und Sprengstoffgesetze sowie das Kriegswaffenkontrollgesetz verstoßen zu haben. In dem Waffenversteck waren auch ein Schalldämpfer, Zündschnüre für den Sprengstoff sowie NS-Literatur. Mit diesem Vorfall, sagte die Verteidigungsministerin später, sei endgültig eine „neue Dimension“ von Rechtsextremismus im KSK erreicht worden. Ebenfalls im Mai schrieb der Kommandeur des KSK, Brigadegeneral Markus Kreitmayr, einen offenen Brief an seine Soldaten, in dem er Rechtsextremismus anprangerte und Soldaten mit solchem Gedankengut aufforderte, das KSK zu verlassen.[38]

Der damalige Präsident des MAD erläuterte Ende Juni 2020 im Parlamentarischen Kontrollgremium für die Nachrichtendienste, dass beim Kommando Spezialkräfte (KSK) bei rund zwanzig Soldaten in Bezug auf Rechtsextremismus ermittelt werde. Es sei im Sommer 2020 gelungen, dort nach und nach mehr Licht ins Dunkel zu bringen. So habe der MAD im KSK „keine rechtsextremistische Untergrundarmee entdeckt“. Nach Angaben des Präsidenten des MAD gebe es im KSK „einen ausgeprägten Korpsgeist“ und eine „Mauer des Schweigens“. Allerdings gelinge es dem MAD, bei dieser Mauer „Risse zu erzeugen“.[39]

In Bezug auf das KSK bearbeitete der MAD im Sommer 2020 rund 20 Verdachtsfälle im Bereich Rechtsextremismus, Anfang 2019 sei dies noch etwa die Hälfte gewesen, so MAD-Präsident Gramm. Damit sei die Zahl der Verdachtsfälle Rechtsextremismus beim KSK – im Verhältnis zur Personalstärke von ca. 1400 – etwa fünf Mal so hoch wie beim Rest der Bundeswehr. Nach Angaben von Gramm habe der MAD im KSK „Extremisten und Personen mit fehlender Verfassungstreue erkannt, die sich teilweise auch untereinander kennen. Was wir aber nicht festgestellt haben, ist eine entschlossene ziel- und zweckgerichtete, vielleicht sogar gewaltbereite Gruppe, die unseren Staat beseitigen will“.[40]

Anfang Juli 2020 stellte die Verteidigungsministerin die Ergebnisse einer ministeriellen Arbeitsgruppe vor: Das KSK wird auf deren Initiative hin tiefgreifend reformiert, die zweite Kompanie wird gänzlich aufgelöst. In dem Bericht der Arbeitsgruppe heißt es, Teile des KSK hätten sich über die Jahre hin verselbständigt. Es gebe den Anschein, dass sich „eine Kultur und ein Nährboden für extremistische Tendenzen“ entwickelt hätten.[41] Um diese Entwicklung zu stoppen, müssten verkrustete Strukturen im KSK aufgebrochen werden, so die Schlussfolgerung. Das BMVg löst als Antwort auf die aktuellen Fälle von Rechtsextremismus im KSK die zweite Kompanie auf und die Aufsichten über das KSK sollen künftig „anders geführt werden“, so Kramp-Karrenbauer. „Wir werden den gesamten Bereich der Ausbildung neu organisieren“, erklärte sie hinzu und betonte, dass auch andere Teile der Bundeswehr von Überprüfungen und Neustrukturierungen betroffen seien: „Ich will noch mal sagen, es ist nicht nur die Frage des KSK“, sagte die Ministerin.[42]

Als Staatsbürger in Uniform haben die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr besondere Pflichten, die im Soldatengesetz festgeschrieben sind. Dessen Paragraf acht verpflichtet sie zur Verfassungstreue. Warum ziehen Streitkräfte Rechtextremisten an? Die wenigen Studien, die es zu Extremismus in Streitkräften gibt, kommen zum Schluss, dass Streitkräfte stärker Personen mit eher autoritären Gesellschafts- und Ordnungsvorstellungen anziehen. Hier ist festzustellen, dass es bei Rechtsradikalen und Rechtsextremisten eine grundsätzliche große Affinität zum Militär und zu Waffen gibt.  Kritisch ist hier festzuhalten, dass es seit vielen Jahren Rechtsextremismus in der Bundeswehr gibt, allerdings 13 Jahre von der letzten empirischen Untersuchung von Rechtsradikalismus und Rechtsextremismus in der Truppe bis heute vergangen sind und das Ministerium so lange keine Studien dazu in Auftrag gegeben hat.[43]

Erst Anfang August 2020 wurde es öffentlich gemacht, dass das Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr in ­Zusammenarbeit mit dem Beirat Innere Führung eine sozialwissenschaftliche Studie in der Bundeswehr dazu durchführen wird. Dabei sollen auch die parteipolitischen Präferenzen der Soldaten („Sonntagsfrage“) abgefragt werden. Die Ergebnisse dieser Studie sollen 2021 veröffentlicht werden. Zuletzt wurde im Jahr 2007 der Offiziersnachwuchs an den Bundeswehruniversitäten in München und Hamburg befragt.[44]

Das damalige Sozialwissenschaftliche Institut der Bundeswehr befragte im Jahr 2007 2300 Studierende an den beiden Universitäten der Bundeswehr in Hamburg und in München zu ihren politischen Einstellungen. Problematischerweise ließen 13 Prozent der Bundeswehr-Studierenden deutliche Sympathien für das Gedankengut der rechtsextremistischen Strömung der Neuen Rechten erkennen. 38 Prozent stimmten der Forderung zu, Deutschland solle wieder von einer „starken Elite“ geführt werden. 25 Prozent waren dafür, die Zuwanderung von Ausländern nach Deutschland zu stoppen. Man müsse dafür sorgen, dass sich in Politik und Gesellschaft immer der Stärkere durchsetzt, meinten zwölf Prozent. Zudem sprachen sich elf Prozent der jungen Bundeswehr-Offiziere dafür aus, die Macht des Parlaments einzuschränken. Dass deutsche Interessen gegenüber dem Ausland „hart und energisch“ durchgesetzt werden müssten, bejahten 44 Prozent der Befragten. Diese Ergebnisse der Studie unter jungen Offizieren waren in einem Querschnittsbereich von Nationalismus und Rechtspopulismus mit Tendenzen zu Rechtsextremismus zu verorten.[45]

Ende Juni berichteten verschiedenen Medien, dass der MAD bei einem Reservisten eine detaillierte Liste mit 17 Politikern und Prominenten gefunden habe. Teilweise waren Handynummern und Privatadressen aufgeführt. Ermittler waren dem Unteroffizier aus Niedersachsen auf die Spur gekommen, weil er sich an zwei rechtsextremistischen WhatsApp-Gruppen beteiligt hatte und dort „eindeutig rechtsextremistisches“ Propagandamaterial und Hetzschriften ausgetauscht habe. Auf der Liste sollen unter anderem gestanden haben: Heiko Maas, Sigmar Gabriel, Franziska Giffey, Manuela Schwesig, Olaf Scholz und Ex-SPD-Parteichef Martin Schulz, daneben auch Robert Habeck, Cem Özdemir, Katja Kipping und Christian Lindner.[46]

Damit in Zukunft Rechtsextremisten schneller aus der Bundeswehr entfernt werden können, wird es einen neuen Tatbestand Rechtsextremismus in der Personalführung geben, so der Generalinspekteur der Bundeswehr. Der CDU-Verteidigungspolitiker Henning Otte bezeichnete die rechtsextremistischen Vorfälle beim KSK als beunruhigend, sieht nach eigenen Angaben aber keinen Grund, das KSK unter Generalverdacht zu stellen. Weiter führte Otte im Deutschlandfunk aus, dass sich zeige, dass das Problembewusstsein für Rechtsextremismus im KSK gewachsen sei und die Aufklärung funktioniere.[47]

6. Fazit

Abschließend bleibt festzustellen, dass Rechtsextremisten in deutschen Sicherheitsbehörden und in der Bundeswehr ein besonderes Problem darstellen, weil der Staat und seine Bediensteten für die Freiheitliche demokratische Grundordnung (FdGO) stehen und dieser in besonderem Maße verpflichtet sind. Nach Angaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz ist vor allem in Bezug auf Sicherheitsbehörden und die Bundeswehr die besonders sensible Aufgabenstellung zu beachten. Bedienstete der Sicherheitsbehörden und der Bundeswehr verfügen über Zugang zu Waffen und Munition, taktische und operative Kenntnisse sowie Zugang zu sensiblen Informationen und Datenbanken. So wichtig diese Kenntnisse und Zugänge für die professionelle Aufgabenwahrnehmung sind: Handelt es sich um eine Person, die sich extremistischen Positionen zugewandt hat, entsteht hieraus eine erhebliche Gefahr für den Staat und die Gesellschaft. Daher müssen alle geeigneten Maßnahmen getroffen werden um rechtsextremistische Verdachtsfälle in den Sicherheitsbehörden und in der Bundeswehr aufzuklären. Zur gleichen Zeit muss betont werden, wie es auch das Bundesamt für Verfassungsschutz in seinem Lagebericht Rechtsextremisten in Sicherheitsbehörden tut, dass die Bediensteten des Staates, die in ihrer täglichen Arbeit für die Freiheitliche demokratische Grundordnung (FdGO) eintreten, Unrecht erfahren, wenn sie pauschal dem Vorwurf einer antisemitischen, rassistischen oder demokratiefeindlichen Haltung ausgesetzt werden.

Abschließend bleibt festzustellen, dass Rechtsextremismus in deutschen Sicherheitsbehörden und in der Bundeswehr die Freiheitliche demokratische Grundordnung (FdGO) gefährdet und die zuständigen Stellen sofort alle geeigneten Maßnahmen ergreifen müssen, um Rechtsextremismus in deutschen Sicherheitsbehörden und in der Bundeswehr zu unterbinden.


[1] Prof. Dr. Stefan Goertz, Hochschule des Bundes. Studium der Politikwissenschaft u.a. in Berlin und Damaskus/Syrien. Promotion an der Carleton University, Ottawa/Kanada und Universität der Bundeswehr München. Forschungsschwerpunkte: Islamistischer Terrorismus, Extremismus, Organisierte Kriminalität und Cybercrime.
[2] https://www.verfassungsschutz.de/de/oeffentlichkeitsarbeit/vortraege/statement-p-20201006-vorstellung-lagebericht-rechtsextremisten-in-sicherheitsbehoerden (10.11.2020).
[3] Ebd.
[4] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/rechtsextremismus-bei-der-polizei-rund-400-verdachtsfaelle-in-bund-und-laendern-a-3e99a308-cf89-4e02-9ca7-ccd73f78a7dc (10.11.2020).
[5] Bundesamt für Verfassungsschutz (2020): Lagebericht „Rechtsextremisten in Sicherheitsbehörden“, Köln/Berlin, S. 10-11.
[6] Ebd., S.  12.
[7] Ebd., S. 13.
[8] Ebd., S. 16.
[9] Ebd., S. 19.
[10] https://www.welt.de/politik/deutschland/article217251394/Seehofer-Kein-struktureller-Rechtsextremismus-in-Sicherheitsbehoerden.html (10.11.2020).
[11] Ebd.
[12] Ebd.
[13] https://www.dw.com/de/gefahr-von-rechts-polizei-als-bedrohung/a-54188271 (10.11.2020).
[14] Bundesamt für Verfassungsschutz (2020): Lagebericht „Rechtsextremisten in Sicherheitsbehörden“, Köln/Berlin, S. 23.
[15] Ebd.
[16] Ebd., S. 24-25.
[17] Ebd., S. 25.
[18] https://www.tagesschau.de/investigativ/monitor/polizei-chat-rassismus-101.html (10.11.2020).
[19] Ebd.
[20] https://www.welt.de/politik/deutschland/article216100778/Mecklenburg-Vorpommern-Polizisten-wegen-rechtsextremer-Chats-suspendiert.html?cid=socialmedia.email.sharebutton (10.11.2020).
[21] Ebd.
[22] https://www.spiegel.de/panorama/polizeiskandal-in-nrw-rechtsextreme-chats-munition-und-drogen-bei-polizistin-entdeckt-a-2da56577-78fe-47e0-8769-15055099c7b0 (10.11.2020).
[23] Ebd.
[24] https://www.sueddeutsche.de/politik/polizei-nrw-rechtsextremismus-1.5033739 (10.11.2020).
[25] https://www.welt.de/politik/deutschland/article217067276/Bundespolizei-Verdachtsfaelle-auf-Rechtsextremismus.html?cid=socialmedia.email.sharebutton (10.11.2020).
[26] Ebd.
[27] Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (2020): Verfassungsschutzbericht 2019. Köln/Berlin, S. 47.
[28] https://www.sueddeutsche.de/politik/nsu-2-0-polizei-hamburg-berlin-1.5010893 (10.11.2020).
[29] https://www.tagesschau.de/investigativ/wdr/nsu20-drohmails-105.html (10.11.2020).
[30] Zitiert nach: https://www.sueddeutsche.de/politik/bundeswehr-rechtsextremismus-soldaten-1.4951273 (11.10.2020); vgl. Goertz, Stefan (2020): Rechtsextremismus in der Bundeswehr: Eine aktuelle Analyse, in: Die Bundeswehr 8/2020, S. 12-13.
[31] Ebd.
[32] Zitiert nach: https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/vor-allem-ksk-im-blick-mad-sieht-neue-dimension-von-rechtsextremismus-in-der-bundeswehr-16837918.html (11.10.2020); vgl. Goertz, Stefan (2020): Rechtsextremismus in der Bundeswehr: Eine aktuelle Analyse, in: Die Bundeswehr 8/2020, S. 12-13.
[33] https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/ueber-800-reservisten-von-bundeswehruebungen-ausgeschlossen-16853975.html (11.10.2020).
[34] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/bundeswehr-ermittler-finden-politiker-liste-bei-rechtsextremem-reservisten-a-729b2dfe-fee6-472a-a7d9-2935a482b7c7 (11.10.2020).
[35] Zitiert nach: https://www.zeit.de/politik/deutschland/2020-07/annegret-kramp-karrenbauer-ard-sommerinterview-ksk-klimapolitik-bundeswehr-rechtsextremismus (11.10.2020).
[36] Ebd.
[37] https://www.welt.de/politik/deutschland/article209498123/Eva-Hoegl-Wehrbeauftragte-beklagt-rechtsextreme-Strukturen-bei-Bundeswehr.html (11.10.2020).
[38] Goertz, Stefan (2020): Rechtsextremismus in der Bundeswehr: Eine aktuelle Analyse, in: Die Bundeswehr 8/2020, S. 13.
[39] Zitiert nach: https://www.spiegel.de/politik/deutschland/bundeswehr-mad-sieht-neue-dimension-von-rechtsextremismus-a-3d607f87-6ed7-4a64-b8e1-4f36f3f33c25 (11.10.2020).
[40] Zitiert nach: Ebd.
[41] https://www.zeit.de/politik/deutschland/2020-07/kommando-spezialkraefte-ksk-einheit-reform-bundeswehr-rechtsextremismus (11.10.2020); vgl. Goertz, Stefan (2020): Rechtsextremismus in der Bundeswehr: Eine aktuelle Analyse, in: Die Bundeswehr 8/2020, S. 13.
[42] https://www.zeit.de/politik/deutschland/2020-07/annegret-kramp-karrenbauer-ard-sommerinterview-ksk-klimapolitik-bundeswehr-rechtsextremismus (11.10.2020).
[43] Goertz, Stefan: Falsche Patrioten, in: Loyal Das Magazin für Sicherheitspolitik 9/2020, S. 38-39.
[44] https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2020-08/verteidigungsministerium-untersuchung-extremismus-bundeswehr-sonntagsfrage (11.10.2020).
[45] https://www.welt.de/politik/deutschland/article109241172/Weltbild-deutscher-Soldaten-nicht-unproblematisch.html (11.10.2020); Goertz, Stefan: Falsche Patrioten, in: Loyal Das Magazin für Sicherheitspolitik 9/2020, S. 39-40.
[46] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/bundeswehr-ermittler-finden-politiker-liste-bei-rechtsextremem-reservisten-a-729b2dfe-fee6-472a-a7d9-2935a482b7c7 (11.10.2020).
[47] https://www.deutschlandfunk.de/bundeswehr-elitetruppe-wie-gross-ist-der-rechtsextremismus.2897.de.html?dram:article_id=479760 (11.10.2020).