Urteile in Kürze: Strafbarkeit einer Verfolgungsfahrt, Definition Listenpreis

von Ernst Böttcher, Rechtsanwalt, Hanau

1. Zur Strafbarkeit einer Verfolgungsfahrt

Sachverhalt

Der Angeklagte sollte am 1.5.2018 von einer Streifenwagenbesatzung der Polizei angehalten werden, um hier eine Verkehrskontrolle durchzuführen. Deshalb wurde ihm von den Polizeibeamten ein Haltesignal angezeigt. Nachdem er dies erkannt hatte, beschleunigte er sein Fahrzeug, wobei er eine höchstmögliche Geschwindigkeit erreichen wollte, um den Polizeibeamten davon zu fahren, die ihn mit Blaulicht, Martinshorn und Haltesignal „Stop – Polizei“ verfolgten.

Hierbei überschritt er die zulässige Höchstgeschwindigkeit erheblich. Er missachtete die Sicherheitsinteressen anderer Verkehrsteilnehmer und fuhr mit weit überhöhter Geschwindigkeit durch den Ort Lichtenstein-Hohnau. Er fuhr über eine rote Ampel und erreichte bei erlaubten 50 km/h mindestens 145 km/h. Dabei wurde er von einer Geschwindigkeitsmessanlage „geblitzt“. Nach dem Ortsausgang fuhr er auf der Bundesstraße 313, die an dieser Stelle sehr kurvenreich und unübersichtlich ist, weiter. Hier ist die Geschwindigkeit in einigen Teilen auf 70 km/h beschränkt. Er schaffte es, diese mit 160 – 180 km/h zu überschreiten. Dabei schnitt er an übersichtlichen Stellen die Kurven, um eine möglichst gerade Linie zu erreichen. Die Belange anderer Verkehrsteilnehmer waren ihm dabei gleichgültig. Tatsächlich schaffte er es, den Polizeibeamten davon zu fahren, weil deren Verfolgungsverhalten durch die Einsicht geprägt war, dass die Beibehaltung einer derartigen Geschwindigkeit ohne erhebliches Risiko für andere Verkehrsteilnehmer nicht möglich war. Daher brachen sie die Verfolgung ab.

Entscheidung

Das Amtsgericht hatte den Angeklagten wegen verbotener Kraftfahrzeugrennen zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 40,00 Euro verurteilt. Ihm wurde die Fahrerlaubnis entzogen und der Führerschein eingezogen. Außerdem erhielt er eine Sperrfrist für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis von neun Monaten. Die Sprungrevision zum Oberlandesgericht blieb ohne Erfolg.

Das Oberlandesgericht bestätigte die Feststellung des Amtsgerichts, wonach der Täter in der Absicht gehandelt habe, die höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Hierbei sei es nicht erforderlich, dass der Fahrer die tatsächlich technisch höchstmögliche Geschwindigkeit erreicht oder beabsichtigt, diese bis an die technisch-physikalischen Grenzen auszufahren. Vielmehr sei es ausreichend, wenn der Fahrer das Fahrzeug bis an die relative Höchstgeschwindigkeit ausfahren würde, was bedeutet, dass man eine nach den Verkehrsverhältnissen, Sichtverhältnissen und Straßenverhältnissen sowie den persönlichen Fähigkeiten des Fahrers höchste Geschwindigkeit erreichen möchte. Dies habe der Fahrer versucht. Die Strafbarkeit nach § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB liege auch dann vor, wenn der Haupt- oder Alleinbeweggrund für diese Fahrt nicht die Erreichung der Höchstgeschwindigkeit ist, sondern hier noch andere Gründe vorliegen. Dies könne auch in den Fällen der „Polizeiflucht“ so sein. Nach Ansicht des Gerichts ist eine derartige Flucht als tatbestandsmäßige in diesem Sinne anzusehen, denn sie sei von einem spezifischen Renncharakter geprägt, in dem sich die in der Gesetzesbegründung genannten besonderen Risiken wiederfinden. Dies sei auch dann der Fall, wenn Ziel des Wettbewerbs nicht im bloßen Sieg, sondern in der gelungenen Flucht liege. Die risikobezogene Vergleichbarkeit mit sportlichen Wettbewerben liegt dabei, laut Gericht, auf der Hand. Vor dem Hintergrund des Schutzzwecks der Vorschrift und des in der Fahrt mit Renncharakter abstrakt höheren Gefährdungspotentials und der bloßen Geschwindigkeitsüberschreitung sei es sinnwidrig, eine Unterscheidung danach zu treffen, welche Motive die Absicht, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen, letztlich ausgelöst haben oder begleiten.

Strafgesetzbuch (StGB)

§ 315d Verbotene Fahrzeugrennen
(1) Wer im Straßenverkehr
1. ein nicht erlaubtes Kraftfahrzeugrennen ausrichtet oder durchführt,
2. als Kraftfahrzeugführer an einem nicht erlaubten Kraftfahrzeugrennen teilnimmt oder
3. sich als Kraftfahrzeugführer mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen
wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Fazit

Diese Vorschrift war in das Gesetz aufgenommen worden, weil sich Täter an solchen illegalen Rennen beteiligt haben und/oder sie auch veranstaltet haben. Bislang gab es für solche Delikte lediglich die Normen über Geschwindigkeitsübertretung ggf. § 315 ff StGB. Keine dieser Vorschriften hatte den Tatbestand des bewussten Rennens mit Wettbewerbscharakter erfasst. Diese Vorschrift auch auf Verfolgungsfahrten durch die Polizei anzuwenden, lag vermutlich nicht in der Absicht des Gesetzgebers, bietet sich aber angesichts dieser Sachverhalte an, weil das Gefährdungspotential des Flüchtenden für den unbeteiligten dritten Verkehrsteilnehmer genauso hoch ist, wie das Gefährdungspotential des Rennfahrers.
(OLG Stuttgart, Urteil vom 4.7.2019)

2. Definition des Listenpreises bei der Anwendung der ein Prozent-Regelung

Eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs ist interessant für alle Unternehmen, die ein Flottenkontingent unterhalten und hier Fahrzeuge nach Sonderpreislisten mit entsprechenden Rabatten erhalten.

Sachverhalt

Ein Kläger, Taxiunternehmer, nutzte sein Fahrzeug nicht nur beruflich, sondern auch privat. Er versteuerte diese private Nutzung mit der sogenannten „1%-Regelung“, was bedeutet, dass ein Prozent des Listenpreises monatlich als zusätzliches Einkommen für den Nutzer versteuert werden muss. Maßgeblich ist hierfür der Listenpreis gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG. Dabei ist der inländische Listenpreis zum Zeitpunkt der Erstzulassung maßgebend. Hinzu kommen die Kosten für Sonderausstattung inclusive Umsatzsteuer.

Im zu entscheidenden Fall legte der Kläger den Bruttolistenpreis aus einer vom Hersteller herausgegebenen Preislisten für Taxen und Mietwagen zugrunde. Aus Sicht des Taxiunternehmers war dies auch logisch, denn diesen Preis hatte er für das Neufahrzeug auch bezahlt.

Hiermit war das Finanzamt nicht einverstanden. Es forderte die Berechnung des Listenpreises anhand der Identifikationsnummer und wollte den Listenpreis berechnet haben, den jeder Privatbürger für das Fahrzeug hätte zahlen müssen, dem also keine aufgrund seines Berufes gewährten Rabatte zu Gute kommen.

Entscheidung

Das Finanzgericht entschied zunächst zu Gunsten des Steuerpflichtigen, wogegen das Finanzamt Rechtsmittel einlegte. Der Bundesfinanzhof hob das Urteil des Finanzgerichts auf. Er entschied, dass für die 1%-Regelung der Listenpreis anzusetzen sei, den ein Steuerpflichtiger in seiner Eigenschaft als Privatkunde erwerben könnte.

Fazit

Die Begründung ist konsequent. Der Bundesfinanzhof argumentierte damit, dass der Listenpreis des Gesetzes nicht die Neuanschaffungskosten abbilden solle und auch nicht den gegenwärtigen Wert des Fahrzeugs. Es handele sich vielmehr um eine generalisierte Bemessungsgrundlage für die Bewertung der Privatnutzung eines Betriebs-Pkws. Dies ist auch insoweit konsequent, weil die 1%-Regelung auch für den Listenpreis des Fahrzeugs gilt, wenn dieses als gebraucht, also zu einem wesentlich geringeren Preis, erworben wurde. Hier hat der Bundesfinanzhof zwar explizit für Taxiunternehmen geurteilt. Dies trifft jedoch auch auf alle Unternehmen zu, die mit Sonderrabatten auch aufgrund von möglicherweise zu liefernden Mengenkontingenten der Fahrzeughersteller arbeiten. Auch diese Fahrzeuge müssen bei einer Privatnutzung mit einem Prozent des Listenpreises ohne Rabattierung berechnet werden.

Kritik an dieser Entscheidung kann darin bestehen, dass diese Firmenfahrzeuge mit einer Ausstattung oder einem Aussehen versehen sind, für die sich eine Privatperson nie interessieren würde. Taxis oder mit Werbung versehene Fahrzeuge würde sich ein Privatmann nicht kaufen. Gleiches gilt, wenn das Fahrzeug mit ggf. Kosten erhöhenden, berufsbedingten Zusatzausstattungen versehen ist.
(Bundesfinanzhof, Urteil vom 8.11.2018)