Urteile in Kürze: Überzahlungen des Dienstherrn, Hortbetreuung, Vollkasko

von Ernst Böttcher, Rechtsanwalt, Hanau

1. Überzahlungen des Dienstherrn

Eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Koblenz (Urteil vom 09.06.2020, Az: 5 K 137/20 KO) verdient Beachtung.

Sachverhalt

Klägerin ist eine Lehrerin, Beklagte ist ihr Dienstherr.

Im Jahr 2003 wurde die Klägerin zur Lehrerin ernannt und in eine Planstelle, Besoldungsgruppe A12, eingewiesen. Neben ihrer Besoldung erhielt sie eine Stellenzulage in Höhe von € 51,13. Vorher hatte ihr der Beklagte mitgeteilt, dass sie einen Anspruch auf eine Stellenzulage habe. Als die Klägerin im Jahr 2007 zur Förderschullehrerin ernannt und in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A13 eingewiesen worden war, unterblieb eine entsprechende Mitteilung. Trotzdem zahlte der Beklagte der Klägerin die Stellenzulage bis ins Jahr 2019 weiter. Eine Beanstandung dieser Zahlung durch den Beklagten erfolgte nicht.

Im Jahr 2019 bemerkte der Beklagte, dass die Klägerin zu viel erhalten hatte. Daher forderte der Beklagte im Jahr 2019 überzahlte Dienstbezüge in Höhe von fast € 4.000,00 von der Klägerin zurück. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Im anschließenden Widerspruchsverfahren wurde der Forderungsbetrag um 30% reduziert und der darüber hinausgehende Teil weiter von der Klägerin verlangt. Hiergegen sie Klage vor dem Verwaltungsgericht. Sie erklärte, dass sie das Geld zwischenzeitlich ausgegeben habe. Daher könnten die überzahlten Bezüge nicht zurückgefordert werden.

Einschub: Diese Argumentation bezieht sich auf § 812 BGB, der ungerechtfertigten Bereicherung. Danach kann zurückverlangt werden, wenn jemand etwas erhalten hat, ohne dass es hierfür einen Rechtsgrund gibt. Diesem Paragraph steht die sogenannte Entreicherung gegenüber (§ 813 Abs. 3 BGB). Danach müssen Zuwendungen nicht zurückgegeben werden, wenn sie nicht mehr vorhanden sind und der Empfänger sie gutgläubig angenommen hat, d.h. nichts von dem rechtlichen Mangel wusste.  Bei Geldbeträgen ist das problematisch, denn das reine Verbrauchen im Rahmen sonstiger Lebenshaltungskosten führt in der Regel nicht zur Entreicherung. Die Entreicherung liegt normalerweise nur dann vor, wenn  etwas Besonderes finanziert wurde, was der Leistungsempfänger sonst nicht finanziert hätte.

Des Weiteren trug die Klägerin vor, dass sie kein Verschulden an der Überzahlung treffe, da sie keine Kenntnisse im Bereich des Besoldungsrechts habe und ihr auch die Definition einer Stellenzulage nicht bekannt gewesen sei. Auch die Tatsache, dass sie nach der Beförderung keine Mitteilung über die Fortzahlung der Zulage erhalten habe, hätte keinen Zweifel an der Richtigkeit der Bezügeberechnung geweckt. Sie ist vielmehr der Ansicht, den Beklagten träfe ein Organisationsverschulden, weil er in der von ihm eingesetzten Software keine Plausibilitätsprüfung vorgesehen habe.

Entscheidung

Das Verwaltungsgericht Koblenz folgte dieser Rechtsansicht nicht. Es wies die Klage ab. Die Verwaltungsrichter folgten der Auffassung des Beklagten, wonach es zu den Sorgfaltspflichten eines Beamten gehöre, die Bezügemitteilungen bei besoldungsrelevanten Änderungen im dienstlichen oder persönlichen Bereich auf ihre Richtigkeit zu überprüfen und natürlich auch auf Überzahlungen zu achten. Diese Pflicht habe die Klägerin verletzt. Bei Überprüfung der Bezügemitteilung hätte ihr ohne Weiteres auffallen müssen, dass ihr die ausgezahlte Stellenzulage nicht mehr zustehe. Dies hätte sich für die Klägerin auch aus der Tatsache ergeben müssen, dass sie nach ihrer Beförderung keine Mitteilung über einen Anspruch auf Stellenzulage erhalten habe. Der fehlende Anspruch habe sich auch aus einem der Klägerin bereits im Jahr 2002 übersandten Merkblatt ergeben, wonach eine Stellungzulage nur nach vorheriger Festsetzung durch die Personaldienststelle ausgezahlt werde.  Aus diesen Gründen habe er Beklagte die überzahlten Bezüge zurückfordern können, obwohl die Klägerin diese bereits ausgegeben hatte.

Fazit

Das Gericht sieht daher im unbeanstandeten Empfangen der Bezüge eine Pflichtverletzung, welche die Gutgläubigkeit im Sinne des § 818, Abs. 3 BGB ausschließt.

Sie hatte sich noch auf den Wegfall der Bereicherung deshalb berufen, weil sie zwar die Gelder im Rahmen der Lebensführung verbraucht habe, daher nicht mehr bereichert war, aber sie keinerlei Zweifel an der Richtigkeit der Berechnung ihrer Bezüge gehabt habe.

Kosten der Hortbetreuung – Mehrbedarf?

Eine Entscheidung des Amtsgerichts Pforzheim (Beschluss vom 22.02.2019, Az: 3 F 160/18) behandelt ein Rechtsproblem im Unterhaltsrecht, das häufig Gegenstand von Auseinandersetzungen zwischen dem Unterhaltspflichtigen und dem Unterhaltsberechtigten ist.

Sachverhalt

Die Mutter zweier Minderjähriger beanspruchte vom unterhaltspflichtigen Kindesvater die Hälfte der Beteiligung an den Hortkosten. Die Kinder besuchten seit der Einschulung einen Schülerhort. Ansonsten lebten die Kinder bei der Mutter. Dieser Hortbesuch ermöglichte der Mutter, zusätzlich arbeiten zu gehen.

Das Amtsgericht Pforzheim lehnte den Anspruch auf anteilige Übernahme der Hortkosten ab. Ein Anspruch gegen den Kindesvater auf anteilige Übernahme der Hortkosten könne deshalb nicht verlangt werden, weil diese Kosten unterhaltsrechtlich als berufsbedingte Aufwendungen der Kindesmutter einzuordnen seien und daher keinen Mehrbedarf der Kinder darstellten.

Das Gericht führte aus, dass auf den Zweck der Fremdbetreuung abzustellen sei. Wenn diese Fremdbetreuung aus erzieherischen Zwecken erfolge, so könne man von einem Mehrbedarf der Kinder ausgehen. Hierbei kommt es darauf an, ob die Fremdbetreuung aus erzieherischen oder pädagogischen Gründen erfolgen würde. Dies sei etwa bei der Betreuung in einem Kindergarten der Fall. Auch der Besuch eines Schülerhorts könne aus pädagogischen Gründen mit dem Ziel einer entsprechenden Erziehung erfolgen. In diesem Fall wäre die zusätzliche Freizeit für die Mutter lediglich Nebeneffekt und gegenüber den pädagogischen Zielen von untergeordneter Bedeutung. In diesem Fall sei ein echter Mehrbedarf des Kindes gegeben, während die Unterbringung des Kindes in einem Kinderhort zum Zwecke der Schaffung eines Freiraums, um arbeiten zu gehen, eben kein Mehrbedarf des Kindes bedeute.

Fazit

Das Familiengericht entsprach damit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH Beschluss vom 04.10.2017, Az: XII ZB 55/17). Jedoch hat auch diese Rechtsprechung nicht zu einer Einheitlichkeit der Beurteilung dieser Sachlage geführt. Der BGH führte in diesem Zusammenhang aus, dass eine generelle Qualifizierung der Kosten einer Fremdbetreuung als Mehrbedarf des Kindes dem Gesetz widerspräche, denn grundsätzlich obliege nach § 1606, Abs. 3, Satz 2 BGB die Barunterhaltspflicht für ein minderjähriges Kind einem Elternteil allein. Demgegenüber habe dann der andere Elternteil im Gegenzug dessen Betreuung übernommen. Wenn nun der betreuende Elternteil seine Verpflichtung nicht selbst erfüllt, sondern hierfür einen Hort in Anspruch nimmt, so die Argumentation des BGH, so könne dies nicht als erhöhter Bedarf des Kindes gewertet werden, weil dies sonst dem Gesetz widerspräche. „Veranlasst der betreuende Elternteil für die Kinder eine Fremdbetreuung, erfüllt er damit lediglich die ihm obliegende Betreuungspflicht und deswegen auch die hierfür erforderlichen Kosten zu tragen.“ (BGH, S. 8, Rd-Nr. 16)

Der BGH verweist dabei zu Recht darauf, dass die Kosten dieser Fremdbetreuung dann die Einkünfte des betreuenden Elternteils mindern, was sich bedarfserhöhend dann auswirkt, wenn der Zahlungspflichtige zusätzlich zum Kindesunterhalt auch noch Ehegatten- oder Geschiedenen-Unterhalt zu zahlen hat.

Dieses Urteil des BGH hat aber nicht zu einer eindeutigen Klärung der Fragestellung geführt, so hatte das OLG Bremen (Beschluss vom 23.11.2017, Az: 5 UF 54/17) sich mit einem Fall zu beschäftigen, bei dem die Kindesmutter eines der gemeinsamen Kinder in der 4. Grundschulklasse am pädagogischen Mittagstisch teilnahm, bei dem auch anschließend eine 2-stündige Betreuung angeboten wurde, dass das Kind aber nicht in Anspruch nahm. Hier argumentierte die Kindesmutter, dass es sich hierbei um einen Mehrbedarf des Kindes handele, weil es sich bei dem pädagogischen Mittagstisch um eine entwicklungsfördernde Maßnahme handele, die die Persönlichkeit- und Charakterbildung positiv beeinflusse. Hier wirke der pädagogische Mittagstisch als gezielte Fördermaßnahme, weil das Sozialverhalten des Antragsstellers zu wünschen übrig lasse. Dies sei auch bei verschiedenen Elternsprechtagen erläutert worden, daher habe er auch eine schlechte Note in seinem Sozialverhalten.

Das Gericht anerkannte zwar, dass das gemeinsame Essen sicherlich geeignet sei, gegenseitige Rücksichtnahme und Empathie zu fördern, aber diese Form der Betreuung ließe keine Umstände erkennen, die nicht auch von einem Elternteil in einer vergleichbaren Situation geleistet werden könnten. Daher könne nicht von einem pädagogischen Mehrbedarf gesprochen werden.

Wie in vielen anderen Fällen, ist eine generelle Aussage, ob der Besuch eines Kinderhorts einen pädagogischen Mehrbedarf beinhaltet oder nicht, einer Einzelfallbetrachtung unterworfen. Nach der bisherigen Rechtsprechung muss jeder Fall inhaltlich dahingehend analysiert werden, ob die zusätzliche Betreuung eine zusätzliche pädagogische Betreuung bedeutet, die das eigene Elternteil nicht erfüllen kann.

Haftung der Vollkasko-Versicherung bei nicht erkannter Fahrbahnschwelle

Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart hat mit Urteil vom 30.07.2020 (Az: 7 U 57/20) eine Entscheidung getroffen, die viele Autofahrer sicherlich überrascht.

Sachverhalt

Ein Pkw-Fahrer, der in Deutschland lebt, überfuhr in Island auf einer asphaltierten Straße mit einer Geschwindigkeit von ca. 30 – 40 km/h eine quer zur Fahrbahn angelegte Fahrbahnschwelle. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit betrug 50 km/h. Es lag Schnee und es war dunkel. Daher hatte er die Bodenschwelle nicht gesehen.  Beim Überfahren dieser Schwelle erlitt das Kfz einen Totalschaden. Er nahm daher seine Vollkasko-Versicherung in Anspruch. Diese verweigerte eine Zahlung, weil sie den Schaden nicht als Unfallschaden anerkannte. Daher erhob der Pkw-Fahrer Klage.

Das Landgericht Ravensburg wies die Klage ab. Hiergegen richtete sich die Berufung des Klägers.

Entscheidung

Das OLG Stuttgart hatte als Berufungsinstanz über das Urteil des Landgerichts Ravensburg zu entscheiden. Es erkannte den Anspruch auf Versicherungsschutz des Klägers nicht an. Das OLG begründete die Entscheidung damit, dass der entstandene Schaden kein Unfallschaden und damit versichert sei, sondern ein Betriebsschaden. In dem Schaden sah das Gericht die Verwirklichung eines Risikos, das der Fahrer mit dem Fahrzeug im Rahmen seiner gewöhnlichen Verwendung ausgesetzt sei. Hierzu gehöre es, dass das Fahrzeug mit dem Überfahren von absichtlich angebrachten Fahrbahnerhöhungen in Form von Fahrbahnschwellen einen Schaden erleiden könne. Dies sei jedoch kein Unfall, da es kein plötzliches, von außen kommendes Ereignis sei, das auf den Wagen eingewirkt habe. Hierfür seien Fahrbahnschwellen auch nicht gedacht.

Fazit

Die Definition für Unfall nach Wikipedia ist „ein plötzlich, zeitlich und örtlich bestimmbares und von außen einwirkendes Ereignis, bei dem eine natürliche Person unfreiwillig einen Körperschaden (bis hin zum Tod) erleidet (Personenschaden) oder eine Sache unbeabsichtigt beschädigt wird (Sachschaden)“.

Die Abgrenzung zwischen dem Unfall als von außen kommendes Ereignis und dem Betriebsschaden liegt darin, dass beim Betriebsschaden die Schadensursache nicht von außen eingetreten ist, sondern aufgrund eines inneren Vorgangs. Hierzu gehören Fehlbedienungen, die dann allein ursächlich für den Schaden sein müssen. Das heißt, der Hund, der auf die Straße läuft und den Fahrer zu einer Fehlbedienung veranlasst, wodurch dieser gegen einen Baum fährt, ist ein Unfall, während das Verreißen des Steuers ohne Hund ein Betriebsschaden ist. Das Landgericht Stuttgart (Urteil vom 17.02.2012, Az: 22 O 503/11) verwies auf die konkrete Verwendung als wesentliches Merkmal, ob ein Schaden als Betriebsschaden oder als Unfallschaden anzusehen sei, „hänge deshalb entscheidend von der konkreten Verwendung des Fahrzeugs ab. Schäden, die durch Ereignisse und Umstände hervorgerufen werden, in denen sich Gefahren verwirklichen, denen das Fahrzeug im Rahmen seiner vorgesehenen konkreten Verwendung üblicherweise ausgesetzt sei, die also nur eine Auswirkung des normalen Betriebsrisikos seien, das in Kauf genommen werde, seien Betriebsschäden“. Insoweit verwies es auch auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH-NJW 1969, S. 96).

Diese Unterscheidung zwischen Betriebs- und Unfallschaden sollte man im Auge haben, wenn man sich mit seinem Fahrzeug in fremdem Gelände befindet.