Gesichtsverhüllung in der StVO

Von EPHK Ewald Ternig, Hochschule der Polizei Rheinland-Pfalz

Mit der 53. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften, die am 19.10.2017 in Kraft trat, hat der Verordnungsgeber in § 23 StVO einen Absatz 4 aufgenommen. Diesem ist zu entnehmen: Wer ein Kraftfahrzeug führt, darf sein Gesicht nicht so verhüllen oder verdecken, dass er nicht mehr erkennbar ist. Dies gilt nicht in Fällen des § 21a Absatz 2 Satz 1.“

1. Tatbestandsmerkmale:

Bei einer Darstellung der einzelnen Tatbestandsmerkmale ist zunächst gefordert, dass es sich bei dem Fortbewegungsmittel um ein Kraftfahrzeug handeln muss. Dieses ist in § 1 Abs. 2 StVG legal definiert. In § 2 Nr. 1 FZV ist eine ähnliche Definition festgehalten. Dabei handelt es sich um Landfahrzeuge, die nicht an Bahngleise gebunden sind und mit Motorkraft fortbewegt werden (s. auch § 1 Abs. 3 StVG – Fahrräder mit Motorunterstützung, die die Merkmale dieser Bestimmung erfüllen gelten nicht als Kraftfahrzeuge).
Des Weiteren muss das Kraftfahrzeug geführt werden. Zum Führen des Kraftfahrzeugs hat der BGH entschieden: „…Der Senat hat hierzu bereits klargestellt, dass Führer eines Fahrzeuges nur sein könne, wer sich selbst aller oder wenigstens eines Teiles der wesentlichen technischen Einrichtungen des Fahrzeugs bedient, die für seine Fortbewegung bestimmt sind. Es muß also jemand, um Führer eines Fahrzeugs sein zu können, das Fahrzeug unter bestimmungsgemäßer Anwendung seiner Antriebskräfte unter eigener Allein- oder Mitverantwortung in Bewegung setzen oder das Fahrzeug unter Handhabung seiner technischen Vorrichtungen während der Fahrbewegung durch den öffentlichen Verkehrsraum ganz oder wenigstens zum Teil lenken (BGHSt 18, 6 (8/9) = NJW 1962, 2069)
Allerdings ist dies nicht anzuwenden auf Fälle, die in § 21a Abs. 2 S. 1 StVO genannt sind.
Wer Krafträder oder offene drei- oder mehrrädrige Kraftfahrzeuge mit einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von über 20 km/h führt sowie auf oder in ihnen mitfährt, muss während der Fahrt einen geeigneten Schutzhelm tragen.

Somit kann festgehalten werden, dass bei geschlossenen Kraftfahrzeugen die Bestimmung aus § 23 Abs. 4 StVO angewendet werden muss.

2. Amtliche Begründung:

Wie lautet die amtliche Begründung zur Einführung dieser Bestimmung:
„In Deutschland gibt es keine Halterhaftung. Denn aus dem Rechtsstaatsprinzip folgt, dass jede Strafe Schuld voraussetzt. Mit der Strafe wird dem Täter ein Rechtsverstoß vorgehalten und zum Vorwurf gemacht. Ein solcher Vorwurf setzt aber Vorwerfbarkeit, d. h. die persönliche Schuld des Täters, voraus. Anderenfalls wäre die Strafe eine mit dem Rechtsstaatsprinzip unvereinbare Vergeltung für einen Vorgang, den der Betroffene nicht zu verantworten hat. Die ausschließliche Verantwortlichkeit des Kraftfahrzeugführers bei einer automatisierten Verkehrsüberwachung nachzuweisen fällt aber immer dann schwer, wenn das Gesicht verdeckt oder verhüllt ist. Zwar gebieten es die Helmpflicht und damit die Verkehrssicherheit und der Eigenschutz von Kraftradfahrern, dass diese ihren Kopf mit einem geeigneten Helm (meist Integralhelm mitsamt dem darunter befindlichen Kälteschutz) schützen, im Kraftfahrzeug besteht dieses Schutzbedürfnis aber nicht im vergleichbaren Sinne. Die Länder tragen dem Schutzbedürfnis der Kraftradfahrer einerseits und dem Kontrollbedürfnis des Staates andererseits dadurch Rechnung, dass sie vermehrt Anhaltekontrollen bei den Krafträdern durchführen, insbesondere an den örtlich bekannten Unfallschwerpunkten. Zur Gewährleistung einer effektiven Verkehrsüberwachung, die mehr und mehr automatisiert durchgeführt wird, ist es im Übrigen geboten, für die das Kraftfahrzeug führende Person ein Verbot auszusprechen, welches die Feststellbarkeit der Identität von vornherein gewährleistet. Ein Verstoß gegen die Vorschrift wird vorsätzlich begangen, es ist daher geboten, eine angemessene Sanktion für die Zuwiderhandlung vorzusehen.

3. Ahndung des Verstoßes:

Der in der Begründung genannte Verstoß wird nach Nr. 247a der Bußgeldkatalogverordnung mit 60 € geahndet. In der Anlage 12 der FeV in der für Fahrerlaubnis-auf-Probe-Besitzer festgehalten wird, bei welchen einmaligen oder auch mehrmaligen Verstößen ein Aufbauseminar durchzuführen ist, ist der Verstoß nicht als „A“-Verstoß genannt. Auch in der Anlage 13 zur FeV ist der Verstoß nicht genannt, so dass keine Punkte in Flensburg fällig werden.

4. Benötigt man diese Regelung?

In der polizeilichen Ausbildung spielen in dem Zusammenhang zwei Punkte eine Rolle. Zum einen der, wie es die amtliche Begründung vorsieht, dass ein Verstoß nachgewiesen werden kann. Für alle, die einen Helm nach § 21a Abs. 2 StVO tragen müssen, ist § 23 Abs. 4 StVO ohne Bedeutung. Hier sollte kurz dargestellt werden, was denn passiert, wenn mit einem solchen Fahrzeug ein Verstoß begangen wird und nur ein Frontfoto vorhanden ist. Gibt es keine Besonderheiten am Fahrzeug, ein Kennzeichen ist an einem Motorrad hinten angebracht, wird ein Verstoß nicht verfolgt werden können. Hat man ein Kennzeichen besteht die Schwierigkeit, wie denn nun der Fahrer ermittelt werden kann. Hierzu gibt es auch Entscheidungen, die sich mit der Wohnungsdurchsuchung zum Auffinden von Beweismitteln wie Motorradkombi beschäftigen, was in Verlauf des Beitrages noch genauer erörtert wird.

Ein zweiter wesentlicher Grund für die Polizei, der im Rahmen der Verkehrskontrolle überwacht wird, besteht auch darin, dass die Sicht eines Fahrzeugführers für das sichere Führen des Fahrzeugs von Bedeutung ist. § 23 Abs. 1 StVO formuliert dazu:
Wer ein Fahrzeug führt, ist dafür verantwortlich, dass seine Sicht und das Gehör nicht durch die Besetzung, Tiere, die Ladung, Geräte oder den Zustand des Fahrzeugs beeinträchtigt werden.

Bei einer genauen Subsumtion des Textes, spielt dabei die Sicht bezüglich von Kleidung keine Rolle. Daher bleibt bei nicht ausreichender Sicht, sofern man diese Beeinträchtigung nicht unter § 23 Abs. 1 StVO subsumieren kann, nur über § 1 Abs. 2 StVO ahndbar, dann muss jedoch eine der dort genannten verpönten Folgen eingetreten sein.

5. Gesichtsverhüllung aus religiösen Gründen

Selten kommt es vor, dass sich das BVerfG wohl als erstes Gericht mit einer Bestimmung der StVO beschäftigen muss. Bei dieser Bestimmung könnte dies so gewesen sein. Das Gericht führt aus:
1. Kraftfahrzeugführern, die vom Verhüllungsverbot des § 23 Abs 4 StVO betroffen sind, steht fachgerichtlicher (Eil-)Rechtsschutz offen; dieser Rechtsweg ist nach dem Grundsatz der Subsidiarität auch vor einem Antrag auf Erlass einer eA nach § 32 Abs 1 BVerfGG auszuschöpfen.
2a. Vorliegend ist zudem die Zulässigkeit und Begründetheit des Antrags in der Hauptsache nicht hinreichend dargelegt. Insbesondere fehlt es an einer Auseinandersetzung mit der Frage, inwieweit das Verhüllungsverbot die Glaubensfreiheit der Antragstellerin auch mit Rücksicht auf etwaige widerstreitende Grundrechte Dritter oder Gemeinschaftswerte von Verfassungsrang verletzen könnte.
2b. Zudem ist nicht hinreichend dargelegt, dass der Antragstellerin durch die Pflicht nach § 23 Abs 4 S 1 StVO ein schwerer Nachteil iSd § 32 Abs 1 BVerfGG entsteht.
Umfassende verfassungsrechtliche Ausführungen möchte der Verfasser an dieser Stelle nicht machen. Wichtig ist dabei, wie die beiden Grundrechte, Art. 2 Abs. 1 GG, Allgemeine Handlungsfreiheit und Art. 4 GG, Religionsfreiheit, in einem solchen Verfahren einzuordnen sein sollten.
In dem Zusammenhang sei eine Entscheidung des OVG Baden-Württemberg zu nennen, die einen Fall behandelt, bei der ein Kraftradfahrer aus religiösen Gründen keinen Schutzhelm tragen wollte und daher eine Ausnahmegenehmigung für § 21 a StVO begehrte. Wichtig erscheint hierzu zunächst einmal, dass jede Straßenverkehrsbehörde nach § 46 Abs. 1 StVO eine Ausnahmegenehmigung bei den entsprechenden Voraussetzungen erteilen kann. Das Gericht stellt u. a. fest:
„…Zur Glaubensfreiheit gehört auch das Recht der Einzelnen, ihr gesamtes Verhalten an den Lehren ihres Glaubens auszurichten und dieser Überzeugung gemäß zu handeln, also glaubensgeleitet zu leben; dies betrifft nicht nur imperative Glaubenssätze. Bei der Würdigung dessen, was im Einzelfall als Ausübung von Religion und Weltanschauung zu betrachten ist, darf das Selbstverständnis der jeweils betroffenen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften und des einzelnen Grundrechtsträgers nicht außer Betracht bleiben. Dies bedeutet jedoch nicht, dass jegliches Verhalten einer Person allein nach deren subjektiver Bestimmung als Ausdruck der Glaubensfreiheit angesehen werden muss. Die staatlichen Organe dürfen prüfen und entscheiden, ob hinreichend substantiiert dargelegt ist, dass sich das Verhalten tatsächlich nach geistigem Gehalt und äußerer Erscheinung in plausibler Weise dem Schutzbereich des Art. 4 GG zuordnen lässt, also tatsächlich eine als religiös anzusehende Motivation hat. Dem Staat ist es indes verwehrt, derartige Glaubensüberzeugungen seiner Bürger zu bewerten oder gar als „richtig“ oder „falsch“ zu bezeichnen; dies gilt insbesondere dann, wenn hierzu innerhalb einer Religion divergierende Ansichten vertreten werden….Schließlich kann ein Eingriff in den Schutzbereich auch nicht mit der Erwägung verneint werden, der Kläger werde nicht zu einer mit seinen religiösen Pflichten nicht vereinbaren Handlung (Abnehmen des Turbans) gezwungen, sondern müsse lediglich das – nur durch die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG geschützte – Motorradfahren unterlassen. Denn das durch Art. 4 Abs. 1, Abs. 2 GG vermittelte Recht, das gesamte Verhalten an den Lehren des Glaubens auszurichten und dieser Überzeugung gemäß zu handeln, wird mittelbar eingeschränkt, wenn ein Sikh – anders als Nicht-Sikhs – wegen der Schutzhelmpflicht kein Motorrad fahren darf … Einschränkungen von Art. 4 Abs. 1, Abs. 2 GG müssen sich aus der Verfassung selbst ergeben, weil Art. 4 Abs. 1, Abs. 2 GG keinen Gesetzesvorbehalt enthält. Zu solchen verfassungsimmanenten Schranken zählen die Grundrechte Dritter sowie Gemeinschaftswerte von Verfassungsrang … All dies braucht hier allerdings letztlich nicht entschieden zu werden, weil sich eine verfassungsimmanente Schranke der durch die Schutzhelmpflicht des § 21a Abs. 2 Satz 1 StVO berührten Glaubensfreiheit des Klägers jedenfalls aus dem Schutz der in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verbürgten physischen und psychischen Integrität Dritter ergibt… Diesen hochrangigen Gütern steht auf Seite des Klägers zwar ebenfalls ein mit hohem Rang – insbesondere vorbehaltslos – ausgestattetes Grundrecht gegenüber. Bei dessen Gewichtung ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Schutzhelmpflicht die Glaubensfreiheit des Klägers nur mittelbar bzw. wenig intensiv tangiert, weil der Kläger nicht zur Vornahme von mit seinen religiösen Geboten unvereinbaren Handlungen gezwungen wird. Der gewichtigste unmittelbare Nachteil, der dem Kläger aus der Schutzhelmpflicht bzw. der Ablehnung einer Befreiung hiervon entsteht, liegt darin, dass er nicht berechtigt ist, ein Kraftrad zu führen. Hierin liegt keine für den Kläger derart schwerwiegende Belastung, dass seinen Interessen zwingend gegenüber den durch § 21a Abs. 2 StVO geschützten Gütern Dritter der Vorrang einzuräumen wäre….“
Primär geht es bei § 23 Abs. 4 StVO darum, dass Personen nach einem möglichen Verstoß ermittelt werden können. Dabei geht es nicht nur um Ordnungswidrigkeiten, letztendlich könnten es auch Straftaten sein, wenn bei einem unerlaubten Entfernen vom Unfallort ein Zeuge das Kennzeichen erkennt, aber keine Person beschreiben kann, die das Fahrzeug geführt hat. Rebler kommt zu dem Ergebnis, dass das Verhüllungsverbot verfassungsgemäß sein dürfte. Er führt weiter aus: In Härtefällen kann Abhilfe durch Erteilung einer Ausnahmegenehmigung geschaffen werden. In Fällen religiös motivierter Gesichtsverhüllung bietet etwa die Auflage, ein Fahrtenbuch zu führen, hinreichende Sicherheit, den Fahrzeugführer (die Fahrzeugführerin) im Falle eines Verkehrsverstoßes zu identifizieren. In solchen Fällen wird eine Ermessenreduzierung auf null und damit ein Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung bestehen.

6. Welche Verschleierungsmöglichkeiten sind denkbar:

Auf dieser Seite des NDR werden 5 unterschiedliche Bilder und Beschreibungen veröffentlicht.
„Die Burka ist eine Art Überwurf mit engmaschigem Augengitter, der den Körper vollständig bedeckt. Sie ist keine traditionell islamische Bekleidung. Als die Taliban in Afghanistan regierten, zwangen sie die Frauen, die Burka in der Öffentlichkeit zu tragen. Inzwischen ist die Vorschrift aufgehoben, doch das umstrittene Gewand ist nach wie vor weit verbreitet in Afghanistan und auch Pakistan. In der Debatte um das Verbot der Vollverschleierung werden Burka und Niqab oft verwechselt. Auch der Niqab bedeckt das Gesicht, es bleibt jedoch ein kleiner Sehschlitz frei. Kombiniert wird er mit einem langen Gewand. Der Tschador, ein bodenlanger, dunkler Umhang, wird vor allem im Iran getragen. Er verhüllt den Körper und den Kopf, das Gesicht aber bleibt frei. Der Chimar ist ein langer Schleier. Er reicht bis zur Taille und wird in verschiedenen Farben getragen. Der Hidschab ist ein Kopftuch, das ganz unterschiedlich getragen wird. Mal locker und leger, mal eng um den Kopf gebunden. Viele gläubige muslimische Frauen sehen es als eine religiöse Pflicht an, Tuch zu tragen. Doch darüber gibt es unterschiedliche Auffassungen. Es ist eine Frage der Auslegung der entsprechenden Suren im Koran.“
Da beim Tschador die wesentlichen Gesichtszüge noch erkennbar sein dürften, so dass im Falle des Frontfotos die Person identifziert werden kann, dürfte dies für die Bestimmung keine Probleme aufwerfen. Nach der Ansicht auf der Seite dürfte dies beim Chimar und beim Hidschab ähnlich sein. Probleme dürften Nikab und Burka im Sinne der Bestimmung aufwerfen. Beim Nikab ist die Augenpartie noch sichtbar gegeben. Ob anhand dieser Partie es möglich ist, gerade bei der Qualität der Überwachungsfotos, den Fahrer zu identifzieren dürfte strittig sein, unmöglich ist dies bei der Burka. Hier ist noch eine Art „Netz“ vor den Augen. Spätestens dann dürfte auch das Problem gegeben sein, dass man einer Person die Weiterfahrt untersagt, auch dann, wenn eine Ausnahmegenehmigung vorliegen würde. Auch wenn § 23 Abs. 1 StVO nicht anwendbar ist, wird der kontrollierende Polizeibeamte nach § 36 Abs. 1 StVO eine entsprechende Weisung erteilen, dass eine Weiterfahrt nicht gestattet werden kann. Im vorliegenden Fall ging es um die Niqab. Wenn man dem OVG BW folgt, dürfte in die Art und Weise der Religionsausübung nicht eingegriffen werden. Trotzdem ist die Frage erlaubt, ob nicht innerhalb eines Fahrzeugs, damit umschlossenen Raums, die Gesichtspartie gezeigt werden dürfe. Dies müssten im Einzelfall jedoch Gerichte entscheiden, wie damit umzugehen ist.

7. Ausnahmen von der Regel

Zunächst gilt die StVO für alle am Verkehr Teilnehmenden. Wie viele andere Verordnungen und Gesetze auch, schafft die StVO die Möglichkeit, Ausnahmen von der Verordnung zuzulassen. Die im Verordnungstext genannte Ausnahme (§ 21a Abs. 2 S. 1 StVO) dürfte die häufigste sein. Die Anzahl der Einstellung bei Verstößen von Motorradfahrern (oder erst kein Beginn der Ermittlungen bei Frontaufnahmen) dürfte nach heutigem Stand wesentlich häufiger sein, wie Verstöße, die nach § 23 Abs. 4 StVO vorgenommen werden. Zur Verfolgung von Motorradfahrern später mehr.

7.1 § 46 Abs. 1 StVO

Dazu werden zunächst in § 46 Abs. 1 StVO siebzehn Ziffern genannt. Dabei geht es u. a. um die Straßenbenutzung im Sinne von § 2 StVO, etliche Vorschriften zum Halten und Parken, und auch zur Mitnahme von Personen im Sinne des § 21 StVO und das Anlegen und Sicherheitsgurten und Tragen von Helmen im Sinne des § 21a StVO. Bezüglich Helmtragepflicht und Religionsfreiheit äußerte sich der VGH BW.

7.2 § 46 Abs. 2, 3, 4 StVO

Sowohl Rebler, wie auch Schäler, gehen in ihren Ausführungen auch auf § 46 Abs. 2 ein, wobei Schäler auf die Ausführungen von Rebler verweist. Richtet sich Abs. 1 an die Straßenverkehrsbehörden, so geht Abs. 2 an die zuständigen obersten Landesbehörden oder die nach Landesrecht bestimmten Stellen.
Welche Entscheidungen betrifft dies? Geht dies auch in diesen Fällen, wenn einzelne Personen, aus religiösen Gründen oder auch gesundheitlichen Gründen das Gesicht verdecken müssen?
Dabei ist auch ein Hinweis auf § 46 Abs. 3 und 4 notwendig. Nach Abs. 3 können Ausnahmegenehmigung und Erlaubnis unter dem Vorbehalt des Widerrufs erteilt werden und mit Nebenbestimmungen (Bedingungen, Befristungen, Auflagen) versehen werden. … Die Bescheide sind mitzuführen und auf Verlangen zuständigen Personen auszuhändigen. … Nach Abs. 4 sind Ausnahmegenehmigungen und Erlaubnisse der zuständigen Behörde für den Geltungsbereich dieser Verordnung wirksam, sofern sie nicht einen anderen Geltungsbereich nennen.
Im Fall, der dem BVerfG vorlag, könnte man daran denken, dass nur Fahrten auf dem Weg zur Arbeit bzw. im engeren Umkreis von der Person durchgeführt werden dürften, je nachdem wie dies für die Lebensgestaltung notwendig ist.

Die VwV zu § 46 StVO stellt unter Allgemeines klar:
Die Straßen sind nur für den normalen Verkehr gebaut. Eine Ausnahmegenehmigung zu erteilen, ist daher nur in besonders dringenden Fällen gerechtfertigt. An den Nachweis solcher Dringlichkeit sind strenge Anforderungen zu stellen. Erteilungsvoraussetzungen dürfen nur dann als amtsbekannt behandelt werden, wenn in den Akten dargetan wird, worauf sich diese Kenntnis gründet.
Die Sicherheit des Verkehrs darf durch eine Ausnahmegenehmigung nicht beeinträchtigt werden; sie ist erforderlichenfalls durch Auflagen und Bedingungen zu gewährleisten. Auch Einbußen der Flüssigkeit des Verkehrs sind auf solche Weise möglichst zu mindern.
Hat der Inhaber einer Ausnahmegenehmigung die Nichtbeachtung von Bedingungen und Auflagen zu vertreten, so soll ihm grundsätzlich keine neue Ausnahmegenehmigung erteilt werden. Dauerausnahmegenehmigungen sind auf höchstens drei Jahre zu befristen. Sie dürfen nur widerruflich erteilt werden. Zu Abs. 2 des § 46 wird in der VwV ausgeführt:
Die zuständigen obersten Landesbehörden oder die von ihnen bestimmten Stellen können von allen Bestimmungen dieser Allgemeinen Verwaltungsvorschrift Abweichungen zulassen.
Somit ist es nicht ausgeschlossen, dass man von dem Verbot im Einzelfall Abstand nimmt.

7.3 Auflagen bei Ausnahmen

Rebler macht den Vorschlag, dass bezogen auf § 23 Abs. 4 StVO, der eingeführt wurde, damit Verstöße ahndbar sind, an die Führung eines Fahrtenbuches nach § 31 a StVZO gedacht werden kann. Nach dieser Bestimmung kann die nach Landesrecht zuständige Behörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Wenn noch kein Verstoß vorlag, wird ein Fahrtenbuch über § 31 a StVZO nicht verhängt werden dürfen. Allerdings kann die Person, die eine Ausnahme von der Bestimmung des § 23 Abs. 4 StVO begehrt, eine solche über § 46 Abs. 2 StVO beantragen. Diese könnte mit der Auflage verbunden sein, dass die Person ein persönliches Fahrtenbuch führen muss oder sie darf nur ein bestimmtes Fahrzeug führen. Bringt dies etwas bei einem Verstoß, wenn die Person ein anderes Fahrzeug führt? Letztendlich ist immer dann, wenn der Verstoß nicht durch Anhalten an Ort und Stelle ermittelt werden kann, das Problem vorhanden, dass man die Fahrerin / oder den Fahrer nicht ermitteln kann, wenn sein Gesicht verdeckt ist. Dann blieben nur noch die Verstöße gegen die Auflage. Wenn die Auflage lautet, dass ein Fahrtenbuch zu führen ist, bleibt die Frage, was geschieht, wenn für die entsprechende Fahrt kein Fahrer eingetragen ist. Verstößt die Person sodann gg. § 31a StVZO? Dies kann nur dann gegeben sein, wenn das Fahrtenbuch nach dieser Bestimmung auferlegt wurde. Sollte man sich an die Ausnahmegenehmigung nicht gehalten haben, liegt ein Verstoß gg. § 46 StVO vor. Auch dabei ist der Nachweis notwendig, dass es sich auch tatsächlich um die Person handelt. Kann man in dem Fall so weit gehen, dass nur diese Person das Fahrzeug führen kann. Dies würde für den Verfasser zu weit gehen. In der FeV gibt es solche Möglichkeiten. So wird in der Ziffer 100, Schlüssel-Nr. 50 festgehalten: Beschränkung auf ein bestimmtes Fahrzeug/eine bestimmte Fahrgestellnummer (Angabe der Fahrzeugidentifizierungsnummer). Die Schlüssel-Nr. 51, nur ein bestimmtes Fahrzeug (amtliches Kennzeichen) ist mit einem „*“. Der Stern verweist dabei darauf, dass im Fahrerlaubnisrecht diese Ziffer nur verwendet werden darf, bei der Umstellung von Fahrerlaubnissen, die bis zum 31. Dezember 2016 erteilt worden sind. Würde man eine solche Auflage machen, müsste diese nach § 46 StVO erfolgen. Bei einer kraftfahrzeugtechnischen Beschränkung ist grundsätzlich von einem Fahren ohne Fahrerlaubnis auszugehen. Da dies hier aber nicht unbedingt etwas mit der Technik des Fahrzeugs zu tun hat, müsste dies als Auflage deutlich gemacht werden, die mit § 46 StVO in Verbindung zu bringen wäre.

Nach § 49 Abs. 4, Nr. 4 und 5 StVO verhält sich ordnungswidrig, wer entgegen § 46 Absatz 3 Satz 1 eine vollziehbare Auflage der Ausnahmegenehmigung oder Erlaubnis nicht befolgt, bzw. entgegen § 46 Absatz 3 Satz 3, auch in Verbindung mit Satz 4, die Bescheide, Ausdrucke oder deren digitalisierte Form nicht mitführt oder auf Verlangen nicht aushändigt oder sichtbar macht.

In der Bußgeldkatalogverordnung ist unter Ziffer 166 ein Bußgeld von 60 € vorgesehen, wenn man der Auflage nicht entspricht.

In der Anlage 13 zur FeV wird unter Punkt 3.2.23 ein Auflagenverstoß mit einem Punkt im Fahreignungsregister geahndet. In der Anlage 12 wird ein solcher Verstoß als weniger schwerwiegende Zuwiderhandlung eingestuft.

Wenn Behörden Ausnahmen zulassen, müssen die Argumente kritisch geprüft werden. Diese Ausnahmen müssen sodann mit Auflagen verbunden werden, die eine zweifelsfreie Identifizierung der Fahrer möglich macht. Sollte es Verstöße geben, ist insbesondere an § 11 FeV zu denken. Auch dann wird die Schwierigkeit bestehen, den Betroffenen ermitteln zu können, damit Maßnahmen im Sinne des Absatzes 4 der Bestimmung getroffen werden können. Bei der Ausnahme, die erteilt wird, ist entsprechend § 46 Abs. 3 StVO in der Form zu verfahren, dass diese widerruflich erteilt wird. Im Falle von nicht ermittelbaren Fahrern, bei der die erlaubterweise verhüllte Person Betroffene war, ist die Erlaubnis zu widerrufen.

8. Probleme der Identifizierung bei schwerwiegenden Verstößen

Wie könnte es bei schwerwiegenden Verstößen und nicht erkennbaren Personen praktisch ablaufen?
Der Halter, dem ein Fahrtenbuch auferlegt wurde, hat eine Person für diese Fahrt eingetragen. Diese Person sagt, dass sie das Fahrzeug weitergegeben hat, sie aber aus Gründen der Zeugnisverweigerung keine Angaben zur Person machen kann. Dann wird man im Einzelfall gegen den Halter weitere Maßnahmen ergreifen können.

Was ist aber, wenn eine Person von § 23 Abs. 4 StVO über § 46 Abs. 2 StVO von der Bestimmung befreit wurde? Ist es nicht ihr staatsbürgerliches Recht, das Zeugnis zu verweigern, wenn eine andere Person den Verstoß begeht, die ebenfalls aus religiösen Gründen das Gesicht verdeckt haben muss. In solchen Fällen wäre, wie festgestellt, die Erlaubnis zu widerrufen?

9. Bedarf es einer Ausnahmegenehmigung?

Zur Entscheidung des VGH BW hat der Verfasser festgehalten: Zunächst dient der Straßenverkehr der Mobilität der Bürgerinnen und Bürger. Die Industrie hat Motorräder entwickelt, für die nach der Bestimmung des § 21a StVO ein Helm nicht benötigt wird. Für diesen Fall muss ein Sicherheitsgurt getragen werden. Wer aus gesundheitlichen oder religiösen Gründen keinen Schutzhelm tragen kann/darf, kann Motorrad fahren, wenn dieses mit Sicherheitsgurten ausgerüstet ist. Hier ist die Industrie gefordert, für mehr Wettbewerb zu sorgen. Die Möglichkeit, schon jetzt Motorrad zu fahren – auch ohne Schutzhelm – besteht also. Wenn die Motorräder nicht dem entsprechen, was der Betroffene möchte, muss er auf andere Verkehrsmittel zurückgreifen.
Auch in den Fällen der Verschleierung wäre zu prüfen, ob eine Person unbedingt ein eigenes Kfz führen muss und ob es nicht andere Möglichkeiten gibt, dem religiösen Gebot sich voll zu verschleiern, nachzukommen. Wie das BVerfG festgestellt hat, wird zunächst der übliche Rechtsweg eingehalten werden müssen. Da liegt es an den obersten Landesbehörden, ob sie im Einzelfall Ausnahmegenehmigungen erteilen und welche Auflagen sie in dem Zusammenhang auferlegen.

Das Problem könnte bleiben, wenn bei massiven Verstößen man sich im Rahmen des Zeugnisverweigerungsrechts nicht an der Aufklärung des Verstoßes beteiligt. Dann bleibt ein Fahrtenbuch im Sinne von § 31 a StVZO aufzuerlegen, was im Einzelfall zu weiteren Problemen führen kann, wenn eine Person das Fahrzeug nutzt und auch eingetragen ist, die später sagt, dass sie den Verstoß nicht begangen hat und sie keinen Hinweis auf den Verursacher geben muss.

10. Ermittlungen von Motorradfahrern:

Was machen Behörden, wenn im Rahmen von Überwachungsmaßnahmen Fotos von Motorradfahrern gefertigt werden, auf denen die Personen wegen des Helmes nicht erkennbar sind.
So hat das LG Freiburg (Breisgau), festgestellt, dass die in Abwesenheit des Betroffenen durchgeführte Wohnungsdurchsuchung und Beschlagnahme seiner Motorradkleidung zur Identifizierung des Betroffenen als Fahrer bei Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaft um 27 km/h rechtswidrig ist, weil sie angesichts der geringen Schwere der vorgeworfenen Ordnungswidrigkeit selbst dann noch als unverhältnismäßig anzusehen ist, wenn im Hinblick auf zwei Voreintragungen im Verkehrszentralregister ein erhöhtes Bußgeld (hier: von 150 €) festgesetzt wird, das sich aber im Vergleich mit den Regelsätzen für sonstige Geschwindigkeitsüberschreitungen immer noch im unteren Bereich bewegt. Das LG Zweibrücken führt aus: Bei einer nicht schwerwiegenden Verkehrsordnungswidrigkeit verstößt eine Durchsuchung der Wohnung und Geschäftsräume des Betroffenen gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Das LG Tübingen urteilt: In einem Bußgeldverfahren, in dem dem betroffenen Motorradfahrer eine Geschwindigkeitsüberschreitung vorgeworfen wird, die zur Eintragung von drei Punkten im Verkehrszentralregister führen kann, sind die Durchsuchung der Wohnung und die Beschlagnahme der auf dem Messfoto abgebildeten und bei dem Betroffenen aufzufindenden Motorradkleidung und des Schutzhelms zwecks Vorbereitung eines anthropologischen Identitätsgutachtens bzw. einer gerichtlichen Inaugenscheinnahme erforderlich und verhältnismäßig.
Es kommt somit für die Landgerichte auf den Verstoß an. So sagt auch das LG Oldenburg: Die Frage, ob eine Durchsuchung zum Auffinden einer Fahrtenschreiberscheibe bzw. eines Ausdrucks im Rahmen der Aufklärung einer Verkehrsordnungswidrigkeit zulässig ist, ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls differenziert zu betrachten; „…Auf der anderen Seite ist auch bei Verkehrsordnungswidrigkeiten im vergleichbaren Rahmen die Entziehung der Fahrerlaubnis möglich, wenn der Betroffene bereits ausreichend Punkte „gesammelt“ hat. Der Verweis auf die geringe Regelgeldbuße erweist sich daher als zu pauschal. Zu berücksichtigen ist zudem die erhöhte abstrakte Gefährdung bei Geschwindigkeitsverstößen durch Lastkraftwagen …“. Zwei Entscheidungen des BVerfG sollen noch genannt werden: Der mit einer Wohnungsdurchsuchung einhergehende erhebliche Grundrechtseingriff (Art. 13 Abs. 1, Abs. 2 GG) bedarf einer besonderen Rechtfertigung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Unter anderem muss der Eingriff in angemessenem Verhältnis zur Schwere der Tat und der Stärke des Tatverdachts stehen… In Ordnungswidrigkeitenverfahren ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit von ganz erheblicher Bedeutung. Bei der Abwägung ist zu berücksichtigen, dass der Vorwurf einer Ordnungswidrigkeit stets weniger schwer wiegt als der einer Straftat. Zudem ist im Bußgeldverfahren das öffentliche Interesse an der Ahndung aufgrund der Nichtgeltung des Legalitätsprinzips niedriger als im Strafverfahren. … Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verlangt aber nicht, bei Ordnungswidrigkeiten generell von einer Durchsuchung abzusehen. Soweit durch Bußgeldvorschriften Eingriffe in die Sicherheit des Straßenverkehrs sanktioniert werden, dient die Prävention des Ordnungswidrigkeitenverfahrens jedenfalls auch dem Schutz der hochrangigen Rechtsgüter Leib und Leben. Eine schematische Untergrenze für intensivere Eingriffsmaßnahmen etwa im Hinblick auf die Bußgeldhöhe existiert jedenfalls nicht; vielmehr ist jeweils eine Abwägung im konkreten Einzelfall vorzunehmen …. Bei der vorliegenden Sachlage waren die Durchsuchungsmaßnahmen jedoch nicht mehr angemessen. Das Gewicht der Ordnungswidrigkeit (Geschwindigkeitsübertretung außerhalb geschlossener Ortschaften, im Regelfall kein Fahrverbot bei Erstbegehung) sowie die – aufgrund der guten Qualität der vorhandenen Beweismittelfotos erfolgversprechende – Möglichkeit einer Identitätsfeststellung aufgrund eines anthropologischen Gutachtens sprachen gegen den mit der Durchsuchung verbundenen erheblichen Eingriff … In einer anderen Entscheidung hatte das BVerfG festgehalten: „… Der mit einer Wohnungsdurchsuchung verbundene Eingriff bedarf einer besonderen Rechtfertigung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der Eingriff muss in angemessenem Verhältnis zur Schwere der Tat und der Stärke des Tatverdachts stehen … In der Abwägung zu berücksichtigen sind Art und Schwere der verfolgten Straftat oder Ordnungswidrigkeit, die Erheblichkeit des Tatverdachts und die Wahrscheinlichkeit des Auffindens von Beweismitteln. Das Gericht sah es nicht als unverhältnismäßig an, wenn die Durchsuchung zur Aufklärung einer schwerwiegenden Ordnungswidrigkeit (Geschwindigkeitsüberschreitung um mehr als 100 km/h und eines Verstoßes gegen ein Überholverbot) dient. Der Verstoß betrifft Vorschriften, die die Sicherheit des Straßenverkehrs und damit auch das Leben und die Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer schützen sollen. …Für die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Durchsuchungsmaßnahme spricht schließlich ganz besonders der Umstand, dass nach dem Akteninhalt hier keine realistischen anderweitigen Ermittlungsmöglichkeiten hinsichtlich der Fahreridentität bestanden. …

11. Verhüllungsverbote in Deutschland

Gibt es neben der Bestimmung aus § 23 StVO andere gesetzliche Regelungen in Deutschland, die sich mit der Gesichtsverhüllung beschäftigen? Der Bundesrat beschloss in seiner Sitzung am 19.10.2018 eine Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes in den Bundestag einzubringen. In § 176 wird Abs. 2 wie folgt gefasst: Bei der Verhandlung beteiligte Personen dürfen ihr Gesicht während der Sitzung weder ganz noch teilweise verhüllen. Ausnahmen kann der Vorsitzende im Einzelfall gestatten, wenn der Blick in das unverhüllte Gesicht weder zur Identitätsfeststellung noch zur Beweiswürdigung erforderlich ist.
Bezug genommen wurde auch auf das Gesetz zu bereichsspezifischen Regelungen der Gesichtsverhüllung und zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften. In der amtlichen Begründung dazu ist zu lesen: Für die Erledigung staatlicher Aufgaben ist die Möglichkeit, Beamtinnen und Beamten ins Gesicht schauen zu können, essentiell. Ein Verhüllen des Gesichts ist dann nicht hinnehmbar, wenn es das Vertrauen in ein öffentliches Amt und damit in die Tätigkeit und Integrität des Staates beeinträchtigt. Dementsprechend ist es für die Funktionsfähigkeit der Verwaltung erforderlich, für Beamtinnen und Beamte sowie Soldatinnen und Soldaten ein gesetzliches Verbot der Verhüllung des Gesichts bei Ausübung ihres Dienstes oder bei Tätigkeiten mit unmittelbarem Dienstbezug vorzusehen. Entsprechendes gilt auch für Mitglieder der Wahlausschüsse und Wahlvorstände. Dort, wo eine Identifizierung von Bürgerinnen und Bürgern rechtlich notwendig und geboten ist, muss ein Abgleich amtlicher Lichtbildausweise mit dem Gesicht der Ausweisinhaberin oder des Ausweisinhabers durchgesetzt werden können.
Die Änderung des GVG wird wie folgt begründet:
„…Verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine solche Verbotsregelung bestehen nicht. Dies gilt auch für den Fall der religiös begründeten Gesichtsverhüllung. Das Verbot bedeutet zwar für eine Frau, die bei der Verhandlung beteiligt ist und aus individueller religiöser Überzeugung ihr Gesicht etwa mit einem Niqab oder einer Burka verhüllt, einen Eingriff in das Grundrecht der Religionsfreiheit nach Artikel 4 des Grundgesetzes. Der Eingriff ist aber zur Aufrechterhaltung der im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden Funktionsfähigkeit der gerichtlichen Verhandlung und Kontrolle (Artikel 20 Absatz 3, Artikel 92 des Grundgesetzes) geboten. Das Gericht muss sämtliche Erkenntnismittel einschließlich der Mimik der bei der Verhandlung beteiligten Personen ausschöpfen können, um den Sachverhalt bestmöglich aufzuklären. Die Beurteilung der Glaubwürdigkeit einer Person oder der Glaubhaftigkeit einer Tatsachenbehauptung ist, wenn die Person ihr Gesicht verschleiert, nicht zuverlässig möglich. Die offene, auch nonverbale Kommunikation ist damit ein zentrales Element der Gerichtsverhandlung. Auch muss die Identität der bei der Verhandlung beteiligten Personen verlässlich überprüft werden können. Der Vorsitzende soll Ausnahmen im Einzelfall dann gestatten können, wenn der Blick in das unverhüllte Gesicht weder zur Identitätsfeststellung noch zur Beweiswürdigung erforderlich ist… Europarechtliche Bedenken gegen die Verbotsregelung bestehen ebenfalls nicht. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat mit Urteilen vom 1. Juli 2014 sogar Verbote der Gesichtsverhüllung im gesamten öffentlichen Raum bestätigt…“

Bei einer Lesung dieser Begründungen musste auch der Verkehrssicherheit als hohes Rechtsgut über § 23 Abs. 4 StVO ein Instrument an die Hand gegeben werden, dass nur Personen Kraftfahrzeuge führen dürfen, die ihr Gesicht nicht verdecken.

12. Zusammenfassung:

1. § 23 Abs. 4 StVO wurde geschaffen, um die Identität eines Kfz-Führers feststellen zu können.
2. Wie von allen Vorschriften, können auch von dieser Ausnahmen genehmigt werden. Hierzu sind allerdings nicht alle Straßenverkehrsbehörden befugt, weil diese Bestimmung nicht in § 46 Abs. 1 StVO ausgeführt ist. Bei einer Genehmigung ist an besondere Auflagen zu denken, deren Überwachung in Punkto Einhaltung der Auflagen sinnvoll sein muss.
3. Es gibt eine Vielzahl von Bestimmungen in Deutschland, bei denen ein Gesichtsverhüllungsverbot besteht.
4. Maßnahmen zur Identitätsfestellung bei Motorradfahrern, die nicht direkt angehalten werden können, sind nicht unmöglich, aber schwierig; ähnlich dürfte es bei anderen Kraftfahrzeugführern sein, deren Gesicht verhüllt ist.