Cannabislegalisierung in Deutschland – werden Cannabisinduzierte Psychosen zunehmen?

Dr. med. Anja Buchowski, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, Görlitz

Die Pläne der Regierung zur Legalisierung von Cannabis werden immer konkreter. Die Regierung begründet die Legalisierung von Cannabis mit dem Gesundheitsschutz und der besseren Qualitätskontrolle des konsumierten Cannabis. Cannabis ist die am weitesten verbreitete illegale Droge in Deutschland. Vier von zehn jungen Erwachsenen im Alter von 15–24 Jahren haben bereits Cannabis konsumiert – Tendenz steigend. In den meisten europäischen Ländern hat der Cannabiskonsum in den letzten Jahren zugenommen. Diese Entwicklung hängt von verschiedenen Faktoren ab.

Die Rolle einer regulierten Freigabe von Cannabis ist nicht klar. Dennoch ist anzunehmen, laut aktueller Forschungsergebnisse, dass eine Cannabislegalisierung die Zahl der regelmäßigen Konsumenten und in der Folge die Zahl der Menschen erhöhen kann, die cannabisbezogene Störungen und Folgeerkrankungen entwickeln. Aus diesem Grunde sehen viele Psychiater und Psychiaterinnen in Deutschland die Legalisierung von Cannabis kritisch und haben vor allem die verstärkten Gesundheitsrisiken für Cannabiskonsument*innen im Blick, da Cannabis durchaus keine so harmlose natürliche Droge ist, wie sie von manchen Befürworter*innen der Cannabislegalisierung dargestellt wird.

Die „Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde“, kurz DGPPN genannt, hat bereits im März 2022 ein Positionspapier zur Cannabislegalisierung verfasst, mit der Hauptaussage, dass diese politische Entscheidung eng medizinisch- wissenschaftlich begleitet werden muss, um die Gesundheitsrisiken zu minimieren und einer Zunahme des Cannabiskonsums entgegenzuwirken. Hierbei stellen sie die Prävention und die Sicherstellung des Jugendschutzes in Vordergrund.

Doch bevor ich zu den gesundheitlichen Risiken des Cannabiskonsum komme, möchte ich zunächst auf die Vorteile der Legalisierung des Cannabiskonsum eingehen. Welche sind dies aus meiner Sicht?

Erstens wird der Konsum von Cannabis zu Genusszwecken für Erwachsene legalisiert und stellt keine Straftat mehr dar. Das aus diesem Konsum vorübergehende gesundheitliche Störungen oder auch chronische Krankheiten entstehen können ist ein Risiko, dass jeder Mensch selber zu verantworten hat, genauso wie bei dem Konsum von Alkohol oder Nikotin, welche bereits legal in Deutschland zu konsumieren sind.

Zweitens wird der Handel mit Cannabis weiter strafbar bleiben und der Verkauf in staatliche Hände gegeben. Das hat den Vorteil, dass die Qualität des Cannabisproduktes, welches ich käuflich erwerben möchte gesichert ist. Ich muss also nicht mehr mit gesundheitsschädigenden Verunreinigungen rechnen und auch die Dosis des THC-Gehaltes ist für mich als Konsument oder Konsumentin garantiert. Ebenso, darf kein synthetisch hergestelltes Cannabis verkauft werden, welches teilweise einen so hohen THC-Gehalt aufweist, das bereits bei einmaligen Gebrauch psychotische Symptome, wie zum Beispiel Wahrnehmungsstörungen und Halluzinationen, um nur wenige Beispiele zu nennen, auftreten können.

Cannabis ist nicht gleich Cannabis, es kommt immer auf die Züchtung und Zusammensetzung der Droge an. Für den Rausch beim Kiffen ist die psychoaktive Substanz THC verantwortlich. Der 2. Hauptwirkstoff ist Cannabidiol (CBD), dem eine entspannende bis angstlösende Wirkung zugesprochen wird. Beide Pflanzenstoffe wirken über unsere körpereigenen Rezeptoren im sogenannten Endocannabinoid-System. Gezielte Züchtungen haben zu einem enormen Anstieg der THC -Konzentrationen in Cannabispflanzen geführt. Von ehemals etwa 3 % auf heute bis ca. 30 %. Diese Zahlen gehen aus dem europäischen Drogenbericht 2021 vor.

Als dritten günstigen Umstand der staatlichen Cannabislegalisierung würde ich benennen, dass Cannabiskonsument*innen keinen Kontakt mehr zum illegalen Drogenhandel, bzw. zum kriminellen Milieu haben müssen, um Cannabis käuflich zu Genusszwecken zu erwerben und somit deren persönliche Sicherheit beim Kauf von Cannabis nicht mehr gefährdet ist.

Ist es denn nun nur von Vorteil, wenn alle einen leichteren legalisierten und qualitätsgesicherten Zugang zu Cannabis haben?

Dazu kann ich als Psychiaterin mit langjähriger Klinikerfahrung und 24 Jahren Berufserfahrung nur ein klares Nein formulieren. Cannabis ist in meinen Augen nicht harmloser als Alkohol und besonders gefährdet sehe ich hier Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 12-25 Jahren. Die Hirnreifung ist meistens erst in der Mitte der dritten Lebensdekade abgeschlossen. Frühzeitiger Konsum von THC in der Adoleszenz können zu einer Hirnreifungsstörung mit Auswirkungen auf kognitive Leistungen und zu einem erhöhten Risiko für die Entwicklung von psychischen Erkrankungen führen, sowie auf das Immunsystem wirken. Aufgrund übereinstimmender klinischer Befunde zu erhöhtem Psychose-Risiko und veränderter Reifung der Neuronen und der Myelinisierung bei frühem Cannabiskonsum, z. B. in der Adoleszenz und im jungen Erwachsenenalter in klinischen und experimentellen Studien, sollte Cannabis vor dem Abschluss der Ausreifung des Gehirns nicht konsumiert werden. In dieser Hinsicht kann ich mich als Psychiaterin der Empfehlung der DGPPN anschließen, dass aus psychiatrischer und neurobiologischer Sicht und gegenwärtigem Stand des Wissens, der legale Zugang zu Cannabis nicht vor der Vollendung des 21. Lebensjahres erfolgen sollte. Eine derartige Altersbegrenzung schließt jedoch auch Folgeschäden auf das ausgereifte Gehirn nicht vollständig aus.

Mit welchen psychiatrischen Erkrankungen und Komplikationen bzw. Störungen muss ich somit auch als Erwachsener bei Cannabiskonsum rechnen?

Hier wäre als harmlosere Variante zunächst das Amotivationale Syndrom zu nennen. Menschen die sehr viel und regelmäßig Cannabis konsumieren, haben keinen Antrieb bzw. keine Motivation mehr, ihr Leben zu organisieren, eine Ausbildung zu machen oder arbeiten zu gehen und somit sinnvoll am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Noch gravierendere Gefahren sind die Entwicklung von Angsterkrankungen und Psychosen, besonders wenn man sehr früh mit dem Cannabiskonsum beginnt, wie oben bereits dargestellt. Beides sind schwere psychiatrische Erkrankungen, welche trotz Beendigung des Cannabiskonsums fortdauern können und in vielen Fällen zur frühzeitigen Berentung führen. Eine Psychose kann sich in Halluzinationen, Wahnvorstellungen, Realitätsverlust oder Ich-Störungen äußern.

Eine immer wiederkehrende Frage in der Cannabisforschung lautet: ist es wirklich das „kiffen“, weswegen Menschen eine Psychose entwickeln?

Die Studienlage zeigt, dass Cannabis Konsumierende im Vergleich zu abstinenten Personen häufiger und früher an einer Psychose (im Schnitt rund 2,7 Jahre) erkranken können. Das gilt besonders, wenn Cannabis über lange Zeiträume und regelmäßig verwendet wird. Cannabis mit einem hohen THC-Gehalt (über 10 %) erhöht ebenfalls das Risiko. Bei intensivem Konsum sei das Risiko, an einer Psychose zu erkranken, im Vergleich zu abstinenten Personen je nach Forschungsstudie um das 2 bis 5 -fache erhöht. Für Gelegenheitskonsumenten sprechen Untersuchungen für ein 1- bis 2- fach erhöhtes Risiko.

Die Beantwortung der Frage lautet: es gibt immer mehrere Risikofaktoren, die eine Psychose auslösen können. Zum Beispiel spielt die genetische Vorbelastung eine große Rolle, das sozioökonomische Umfeld und auch Traumatisierungen in der Kindheit erhöhen das Risiko erheblich. Aber mehr Konsum bedeutet eindeutig ein höheres Risiko.

Ein weiteres Problem ist das Auftreten von sogenannten Absetzpsychosen. Wenn man nach dem regelmäßigen Gebrauch von ca. 1 g pro Tag über mehrere Monate oder Jahre Cannabis plötzlich absetzt, kann man innerhalb von 2-6 Wochen psychotische Symptome entwickeln, die dem Vollbild einer Schizophrenie entsprechen können und schwer behandelbar sind.

Mein Fazit und Zusammenfassung:

Grundsätzlich kann ich die Legalisierung von Cannabis befürworten. Es bedeutet die Entkriminalisierung und bessere Qualitätskontrolle eines weiteren Genussmittels, wie schon bei Alkohol und Tabak. Unter anderem ist es in Deutschland bereits seit 2017 auf Rezept zu medizinischen Zwecken bei schweren körperlichen Erkrankungen zur Schmerzlinderung, Entspannung und Appetitsteigerung zugelassen.

Aufgrund der doch durchaus hohen Gesundheitsrisiken sollte meiner Meinung nach eine kontrollierte Abgabe von Cannabis nicht zu mehr konsumierenden, abhängigen und psychisch erkrankten Menschen führen. Dies bedarf jedoch Begleitmaßnahmen zur Cannabislegalisierung wie Aufklärung, Prävention, spezifische Beratungs-/Behandlungsangebote, Jugendschutz, Begleitforschung über Auswirkungen der kontrollierten Cannabisfreigabe und natürlich auch die Finanzierung der genannten Maßnahmen.  Kinder und Jugendliche sollten effizient über die Risiken des Cannabis-konsums aufgeklärt und vor den negativen Folgen geschützt werden. Dazu würde auch gehören, dass die Weitergabe von Cannabis an Minderjährige oder Personen unterhalb der Mindestaltersgrenze nach legalem Erwerb, unter Strafe zu stellen wäre, wie von der DGPPN im Positionspapier 2022 empfohlen.