Das Vertrauen der Bevölkerung in die deutschen Polizeien
Dr. phil. Manfred Reuter, Hennef
I. Zum Thema
In den vergangenen Jahren ist in der medialen Öffentlichkeit eine vermehrte Berichterstattung über sog. Racial Profiling, Polizeigewalt sowie Rassismus, Homophobie und Misogynie durch die Polizei zu verzeichnen.
Davon betroffen scheint insbesondere die Polizei in den USA, wo sich im zivilgesellschaftlichen Kampf gegen Polizeigewalt, die sog. „People of Color“ betrifft, und gegen andere Polizeiprobleme die „Black Lives Matter“ Bewegung gebildet hat.[2] In Europa wird besonders oft über rassistische, frauenfeindliche und homophobe Übergriffe der Londoner Metropolitan Police berichtet.[3]
Mit Verzögerung hat die Diskussion auch die Bundesrepublik erreicht. Dabei positionieren sich einige PolitikerInnen, PolizeibeamtInnen, Medien und insbesondere WissenschaftlerInnen der sog. „Kritischen Polizeiforschung“ sowie Vereinigungen,[4] die gleiche bzw. ähnliche Probleme bei der deutschen Polizei[5] konstatieren bzw. vermuten. Andere der Genannten lehnen eine pauschale Übertragung der amerikanischen/englischen Verhältnisse auf die Bundesrepublik ab bzw. schließen die genannten Probleme für Deutschland kategorisch aus.[6]
In den bundesdeutschen Argumentationen spielt das sog. „Vertrauen in die Polizei“ eine besondere Rolle: „Die Quelle polizeilicher Legitimität ist das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger, (…).“[7] Dieses, in zahlreichen repräsentativen Befragungen untersuchte Vertrauen, wird von den einen als besonders hoch bewertet, was für sich allein schon gegen die o.a. Probleme sprechen würde. Die anderen verweisen darauf, dass „hohe“ Durschnittwerte die nicht zu vernachlässigenden prozentualen Negativbewertungen außer Acht lassen.
Vor diesem Hintergrund wird im Folgenden der Versuch unternommen, Pauschalisierungen durch empirische Daten zu hinterfragen. Es geht also nicht darum, die o.a. Probleme zu diskutieren, sondern um die Feststellung des empirisch belegbaren Vertrauens in die deutschen Polizeien, um dadurch zu einer sachlichen Diskussion beizutragen.
Im folgenden Kapitel II wird dazu das Vertrauen der Bevölkerung in die deutschen Polizeien im Zeitverlauf betrachtet. Danach folgt im Kapitel III eine Einordnung des Vertrauens in die Institution Polizei im Vergleich zu anderen bundesdeutschen Institutionen. Schließlich wird der Vergleich der deutschen Polizeien auf andere europäische Polizeien im Kapitel IV perspektivisch erweitert. Der Aufsatz schließt im Kapitel V mit einer abschließenden Bewertung und Zusammenfassung der empirischen Ergebnisse.
II. Das Vertrauen in die deutschen Polizeien in Bevölkerungsumfragen von 1984 bis 2021
Seit den 1980er Jahren führt das Leibnitz-Institut für Sozialwissenschaften (GESIS) die sog. „Allgemeine Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften“ (ALLBUS) durch. Dabei werden in persönlichen Interviews Stichproben der deutschen Bevölkerung zu ihren Einstellungen und Verhaltensweisen in Bezug auf vielfältige Themenbereiche, wie z.B. Wirtschaft, Religion, Kriminalität oder Politik, befragt. Daneben werden Daten zur Sozialstruktur der Befragten erhoben. Die dadurch gewonnenen Erkenntnisse bilden ein repräsentatives Abbild der gesamten deutschen Bevölkerung.
Im Zuge dieser Interviews wird auch das Vertrauen in verschiedene Institutionen, z.B. in die Justiz, die Bundeswehr, die Bundesregierung und auch in die Polizei, abgefragt. Der diesbezügliche Fragentext lautet: „Ich nenne Ihnen jetzt eine Reihe von öffentlichen Einrichtungen und Organisationen. Sagen Sie mir bitte bei jeder Einrichtung oder Organisation, wie groß das Vertrauen ist, dass Sie ihr entgegenbringen. Benutzen Sie dazu bitte diese Skala: 1 bedeutet, dass Sie ihr überhaupt kein Vertrauen entgegenbringen; 7 bedeutet, dass Sie ihr sehr großes Vertrauen entgegenbringen. Mit den Zahlen dazwischen können Sie Ihre Meinung wiederum abstufen.“[8]
Zwischen 1984 und 2021 wurden acht Befragungsrunden durchgeführt. Das nachfolgende Dia-gramm bildet die Mittelwerte dieser acht Runden ab.
Diagramm 1: Durchschnittliches Vertrauen in die deutschen Polizeien 1984-2021
Anmerkungen: Eigene Berechnung des arithmetischen Mittels anhand „Allgemeine Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften ALLBUS“. Eine Kumulation der Daten von 1984 bis 2021 findet man unter https://search.gesis.org/variables/exploredata-ZA5274_Varpt14, Zugriff: 1.10.2023. Alle Zahlen wurden auf zwei Nachkomma-stellen gerundet.
Bei einer Skala von 1 bis 7 liegt der Mittelwert bei 4. Die Punkte 1 bis 3 sind dann unterdurchschnittliche Bewertungen, während die Punkte 5 bis 7 überdurchschnittliche Bewertungen abbilden. In allen acht Befragungsrunden erzielt die Polizei demnach im Mittel ein überdurchschnittliches Vertrauen. Es variiert von 1984 bis 2021 zwischen 4,71 und 5,10 und weist über die Jahre einen leicht steigenden Trend (gestrichelte blaue Linie) auf. Die Werte schwanken in einem Bereich von 0,39 Punkten um den Durchschnitt aller Befragungsrunden von 4,92. Das Vertrauen in die deutschen Polizeien liegt in Deutschland damit in den vergangenen 40 Jahren auf einem stabilen und überdurchschnittlich hohen Niveau.
Ein Blick auf die Entwicklung der prozentualen Anteile der sieben Skalenwerte im Zeitverlauf ergänzt die Aussagekraft der Mittelwerte.
Diagramm 2: Skalenwerte 1-7 des Vertrauens in die deutschen Polizeien 1984-2021 (%)
Anmerkungen: Eigene Berechnung der prozentualen Anteile der Skalenwerte 1 bis 7 (vgl. Anmerkungen zu Diagramm 1).
Der Mittelwert von 4 Punkten (gelbe Linie) variiert zwischen ca. Fünfzehn- und Dreiundzwanzigprozent. Die unterdurchschnittlichen Bewertungen von 1 bis 3 liegen deutlich darunter. Die überdurchschnittlichen Bewertungen von 5 und 6 deutlich darüber, während die überdurchschnittliche Bewertung von 7 darunter, aber noch über den drei unterdurchschnittlichen liegt. Der Trend (vgl. zu den Trends die jeweils gestrichelten Linien) bei 4 Punkten (= Neutrale) ist fallend. Das durchschnittliche Vertrauen ist demnach rückläufig. In der Tendenz stabil bis leicht fallend sind die unterdurchschnittlichen Werte 1 bis 3 Punkte (= Misstrauende) sowie der überdurchschnittliche Wert von 7 Punkten (sehr groß Vertrauende). Die Tendenz von 5 und 6 Punkten (Vertrauende) ist dagegen steigend. Insgesamt kann man feststellen, dass die „Neutralen“ abnehmen, dafür aber die „groß Vertrauenden 5 + 6“ zunehmen, während die „Misstrauenden“ sowie die „sehr groß Vertrauenden 7“ leicht abnehmen. Durch den hohen prozentualen Anteil der „sehr Vertrauenden“ und dem relativ niedrigen prozentualen Anteil der „Misstrauenden“ dürfte das arithmetische Mittel in den Folgejahren stabil bleiben.
Hier noch ein Blick auf die durchschnittlichen prozentualen Anteile der sieben Skalenwerte im Zeitverlauf:
Tabelle 1: Deskriptive Statistik der prozentualen Punktwerte des Vertrauens 1984-2021
Anmerkungen: Eigene Berechnung der durchschnittlichen prozentualen Skalenwerte 1 bis 7 (vgl. Anmerkungen zu Diagramm 1) mittels „WinSTAT“.
Streng genommen hat die in der Befragung verwendete 7-Punkte-Skala (sog. Likert-Skala) nur „Ordinalniveau“. Ein solches lässt grundsätzlich nur Rechenoperationen wie gleich oder ungleich, größer oder kleiner zu. Der diesbezügliche Mittelwert ist der „Median“. Er wird auch neben dem Mittelwert (= arithmetisches Mittel) in Tabelle 1 angegeben. Allerdings ist es in den Sozialwissenschaften nicht unüblich, die Ordinalskalenwerte wie Kardinalzahlen, bei denen das arithmetische Mittel als Mittelwert fungiert, zu behandeln. Dieser Sichtweise schließe ich mich an. Man sieht in der Tabelle 1 auch, dass beide Mittelwert nur unwesentlich voneinander abweichen. Auch ist hier das arithmetische Mittel ein guter Indikator für den Schwerpunkt der Verteilung. Der Variationskoeffizient (vgl. 4. Zeile in Tabelle 1) liegt in allen Fällen unter 0,33. Dies spricht für die Güte des arithmetischen Mittels als Schwerpunktindikator.
Zwischen 1984 und 2021 haben im prozentualen arithmetischen Mittel 2,08 Prozent der Befragten „überhaupt kein Vertrauen“, 3,8 % „kaum Vertrauen“, 8,67 % „wenig Vertrauen“, 19,16 % „weder Vertrauen noch Misstrauen“, 29,05 % „Vertrauen“, 26,84 % „großes Vertrauen“ und 10,39 % „sehr großes Vertrauen“ in die deutschen Polizeien. Insgesamt sind drei größere „Gruppen“ erkennbar: Die „Misstrauenden“ sind mit insgesamt 14,55 % die kleinste Einheit. Es folgen die „Neutralen“ mit 19,16 % sowie die „Vertrauenden“ mit 66,28 %. Damit haben Zweidrittel der Befragten Vertrauen in die Polizei, ein Fünftel begegnet ihr neutral und nur ein Siebtel misstraut der Institution. Das nachfolgende Diagramm stellt die Ergebnisse visuell dar:
Diagramm 3: Boxplots der prozentualen Punktwerte des Vertrauens in Tabelle 1
Anmerkungen: Eigene Darstellung der prozentualen Anteile der Skalenwerte 1 bis 7 (vgl. Anmerkungen zu Diagramm 1) mit „WinSTAT“. Das Diagramm ist beispielsweise für den Skalenwert „5 Punkte“ (drittes Quadrat von rechts) wie folgt zu lesen: unteres rotes Kreuz = kleinster Messwert (25,44), graues Quadrat = mittlere 50% der Messwerte (26,59 bis 31,08), graue Waagerechte = unteres 25%-Quartil (26,59), blaue Waagerechte = Median (29,28), graue Waagerechte = oberstes 75%-Quartil (31,08) und oberes rotes Kreuz = größter Messwert (32,59).
Diese empirischen Erkenntnisse sind mit einer Untersuchung von Reuband[9] kompatibel. Dieser stellt ebenfalls anhand von ALLBUS-Daten für 1984 bis 2011 fest, dass eine oft vermutete schleichende und fortschreitende Vertrauenskrise in die bundesdeutschen Institutionen nicht erkennbar wäre. Insgesamt hätte sich das Vertrauen stabilisiert und zum Teil dazu gewonnen. Der Polizei würde ein eigenständiger Stellenwert in der Vertrauenszuweisung eingeräumt und sie nicht mehr mit den sonstigen staatlichen Institutionen gleichgesetzt. Mittlerweile würden auch Jüngere und besser Gebildete der Polizei kein überproportionales Misstrauen entgegenbringen. Der Einfluss postmaterialistischer Wertorientierungen auf das Institutionenvertrauen habe abgenommen.
III. Das Vertrauen in bundesdeutsche Institutionen in Bevölkerungsumfragen von 1984 bis 2021
Für sich allein betrachtet scheint das Vertrauen in die deutsche Polizei also hoch zu sein. Allerdings fehlt insofern ein Vergleichsmaßstab. Einen solchen bietet die Einbeziehung weiterer Institutionen. Dazu wird im ALLBUSS das Vertrauen, z.B. in die Bundesregierung, die Gerichte, die Parteien, die Gewerkschaften, die Wirtschafts-/Arbeitgeberverbände, die Abgeordneten des Bundestags usw. abgefragt.
Hier sollen nicht alle Institutionen, sondern nur andere „Exekutivorgane“ sowie das Bundesverfassungsgericht (BVerfG), das über das höchste Vertrauen in der Bevölkerung verfügt, in den Fokus rücken. Die nachfolgende Tabelle 2 bildet die arithmetischen Mittelwerte in den acht Befragungsrunden sowie den Gesamtdurchschnitt ab.
Tabelle 2: Durchschnittliches Vertrauen in verschiedene Institutionen in acht Umfragerunden
Anmerkungen: Eigene Berechnung (vgl. Anmerkungen zu Diagramm 1). Leere Zellen weisen auf die Nicht-Abfrage an der Befragungsrunde hin.
Über die Jahre sind drei „Gruppen“ zu erkennen: Bei einer Antwortskala von 1 bis 7 an der Spitze, immer deutlich über dem Mittelwert von 4 Punkten, liegen das BVerfG und die Polizei. In fünf Befragungsrunden wird dem BVerfG das höchste Vertrauen entgegengebracht. In den Jahren 2000 und 2008 liegt die Polizei vor und 2012 gleichauf mit dem Gericht. In einer zweiten über dem Mittelwert liegenden Gruppe findet man die Bundeswehr, die Justiz sowie die Stadt-/Gemeindeverwaltungen. In einer dritten Gruppe, die unter dem Mittelwert von 4 Punkten liegt, sind die Bundesregierung und die EU-Kommission zu finden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Bild durch die Nicht-Abfrage der Bundeswehr an fünf Runden sowie der EU-Kommission an drei und der Stadt-/Gemeindeverwaltungen an zwei Runden unvollständig bleibt.
Abschließend noch ein Blick auf das arithmetische Mittel (Mean) aller acht Befragungsrunden:
Diagramm 4: Durchschnittliches Vertrauen in verschiedene Institutionen 1984-2021
Anmerkungen: Eigene Berechnung (vgl. Anmerkungen zu Diagramm 1).
Bundesverfassungsgericht und Polizei liegen fast gleichauf und knapp unter 5 Punkten. Zwischen 4,4 und 4,6 Punkten, also auch über dem Durchschnitt, liegen Stadt-/Gemeindeverwaltungen, Justiz und Bundeswehr. Unter dem Mittelwert von 4 Punkten landen die Bundesregierung und die EU-Kommission. Auch dabei muss wieder berücksichtigt werden, dass nicht alle Institutionen an allen acht Befragungsrunden teilgenommen haben.
Die hier vorgelegten empirischen Erkenntnisse sind mit den Ergebnissen einer Untersuchung über freiwilliges Engagement in Deutschland[10] kompatibel: Danach vertraue die deutsche Bevölkerung mehrheitlich den wichtigen gesellschaftlichen Institutionen, wobei das Vertrauen in die Polizei mit 90,1 Prozent besonders hoch wäre. Jüngere Menschen und Personen mit hoher Bildung hätten ein höheres Institutionenvertrauen als ältere Menschen und Menschen mit niedriger Bildung, bei geringen Unterschieden zwischen Frauen und Männern. Freiwillig Engagierte verfügten über ein höheres Institutionenvertrauen als Nicht-Engagierte, wobei die geringsten Unterschiede zwischen Engagierten und Nicht-Engagierten mit einer Differenz von jeweils 3,5 Prozentpunkten beim Vertrauen in Polizei und Parteien zu finden wäre.
IV. Das Vertrauen in die deutschen Polizeien im Vergleich zu anderen europäischen Polizeien in Bevölkerungsumfragen von 1984 bis 2021
Bislang wurde festgestellt, dass das Vertrauen der Bevölkerung in die deutschen Polizeien hoch ist und sie im Vergleich zu anderen deutschen Institutionen mit dem BVerfG an der Spitze liegt. Dies könnte theoretisch in allen europäischen Ländern gleich oder ähnlich sein, so dass die deutschen Polizeien keine Ausnahme darstellen. Dies soll im Folgenden geprüft werden.
Seit 2002 wird im Rahmen des „European Social Survey“ (ESS)[11] in einer sozialwissenschaftlichen Studie alle zwei Jahre die Meinung von Menschen aus über 30 europäischen Ländern über soziale und politische Themen erhoben. Die Umfrage wird als sog. „Face-to-face-Interview“ durchgeführt. Die Stichprobe der deutschen Teilstudie ist repräsentativ für alle Personen, die älter als 15 Jahre sind und in Deutschland in einem Privathaushalt leben. Mittlerweile liegen die Ergebnisse von 10 Befragungsrunden von 2002 bis 2020 vor. Die sog. „Kernmodule“ der Befragung befassen sich z.B. mit Politik, Religion, Mediennutzung oder Gesundheit. Eines dieser Module enthält Fragen zu sozialem Vertrauen und Vertrauen in Institutionen. Zu letzteren zählen auch die jeweiligen Polizeien der europäischen Länder.
Diesbezüglich lautet die zentrale Frage: „Ich nenne Ihnen jetzt eine Reihe von öffentlichen Einrichtungen und Organisationen. Sagen Sie mir bitte jeweils, wie groß Ihr Vertrauen ist, das Sie ihr entgegenbringen. Bitte antworten Sie wieder auf einer Skala von Null bis 10. Null bedeutet überhaupt kein Vertrauen, 10 bedeutet sehr großes Vertrauen. Mit den Werten dazwischen können Sie Ihre Einschätzung wieder abstufen.“
Als Auswahl werden die Ergebnisse der Befragungsrunden 1, 4, 7 und 10 für die Jahre 2002, 2008, 2014 und 2020 analysiert. Ausgehend von Deutschland, das an allen 10 Befragungsrunden teilgenommen hat, habe ich die Daten derjenigen Länder erhoben, die ebenfalls an diesen Runden teilgenommen haben. Insgesamt sind dies 17 von 39 Ländern. Das Ergebnis bildet die folgende Tabelle 3 ab:
Tabelle 3: Vertrauen in die Polizei 2002 bis 2020 in 17 europäischen Ländern
Anmerkungen: Eigene Berechnung der arithmetischen Mittelwerte anhand der im „Data Portal – Wizard“ zur Verfügung gestellten Daten für die vier genannten Befragungsrunden. Sie sind online abrufbar unter https://ess-search.nsd.no/CDW/RoundCountry, Zugriff: 17.10.2023. In Folge der Corona-Pandemie wurden 2020 in einigen Ländern, darunter auch Deutschland, keine Interviews durchgeführt, sondern Web- und Papierfragebögen genutzt.
Da eine Punktevergabe von 0 bis 10 vorgesehen ist, liegt der Mittelwert der möglichen Bewertung bei fünf. Im arithmetischen Mittel (= Mean, vorletzte Zeile der Tabelle 3) liegen die europäischen Polizeien mit rund 6 Punkten darüber. Bei den arithmetischen Mitteln der vier Befragungsrunden und des Gesamtergebnisses schneidet Deutschland zumeist mit rund 0,5 Punkten besser ab. Lediglich im Jahr 2020 liegt das Land nur 0,2 Punkte besser. In der Tendenz bleibt der deutsche Mittelwert von 6,61 im Jahr 2002 bis auf 6,71 im Jahr 2020 konstant. Damit erreichen die deutschen Polizeien im europäischen Vergleich mit den anderen Polizeien in den einzelnen Befragungsrunden und beim Gesamtergebnis einmal Rang 4, dreimal Rang fünf und einmal Rang 6 (letzte Zeile der Tabelle 3).
Die Spannweite zwischen den einzelnen europäischen Ländern ist, beispielsweise beim Gesamtergebnis (letzte Spalte der Tabelle 3) mit ca. 3 Punkten zwischen Polen (4,97) und Finnland (8,03), deutlich. Die Polizeien von Finnland, Norwegen und der Schweiz liegen bei allen fünf Vergleichen in der genannten Reihenfolge auf den ersten drei Plätzen. Bei drei Vergleichen kommt danach Schweden und bei jeweils einem Vergleich kommen die Niederlande und Deutschland auf dem vierten Platz.
Deutschland liegt insgesamt auf dem fünften Platz und bewegt sich dabei etwa auf dem Niveau der viertplatzierten Schweden. Man kann daher festhalten, dass die Finnen, das größte Vertrauen in ihre Polizei haben. Mit deutlichem Abstand folgen die Norweger und mit geringerem Abstand die Schweizer. Schweden liegt in der Nähe zur Schweiz und Deutschland fast auf schwedischem Niveau.
Im European ESS werden die sog. „Kernmodule“, so auch das Vertrauen in die jeweiligen Polizeien, konstant abgefragt und durch sog. „Wechselmodule“, die nur bei einzelnen Befragungsrunden zum Tragen kommen, ergänzt. Bei der fünften Befragungsrunde 2010 betraf das Wechselmodul das „Vertrauen in Strafjustiz und Polizei, Arbeit und Familie“. Von den an dieser Befragungsrunde teilnehmenden 27 Ländern sollen nachfolgend wiederum die soeben behandelten 17 Länder in Bezug auf die Polizei in den Fokus rücken:
Tabelle 4: Bewertung der Polizeiarbeit im Jahr 2010 in 17 europäischen Ländern
Anmerkungen: Eigene Berechnung der arithmetischen Mittelwerte anhand der im „Data Portal – ESS data by round/year“ zur Verfügung gestellten Daten zum Wechselmodul in der fünften Befragungsrunde. Sie sind online abrufbar unter https://ess-search.nsd.no/en/study/fd0dc7b6-3d5a-42d4-ad46-7a78e44e3963, Zugriff: 17.10.2023.
Das Wechselmodul beinhaltet 19 Fragen (erste Reihe der Tabelle 4).[12] Anders als bei der soeben behandelten „Vertrauensfrage“ werden hier einzelne Bereiche abgefragt, die für das obige Vertrauen relevante Kategorien abbilden dürften. Sie sollen nunmehr inhaltlich betrachtet werden. Dabei wird erstens die Frage wiedergegeben, zweitens die Bewertungsmöglichkeiten, drittens die jeweilige mittlere Antwortkategorie und viertens das europäische und deutsche Ergebnis vorgestellt.
1. „Wenn Sie an alles denken, was von der Polizei erwartet wird, würden Sie sagen, dass die Polizei gute Arbeit oder schlechte Arbeit leistet?“
sehr gute Arbeit 1 bis sehr schlechte Arbeit 5
mittlere Antwortkategorie 3, kleine Werte sind besser
Das arithmetische Mittel für alle 17 untersuchten Länder liegt bei 2,42. Deutschland schneidet mit 2,26 besser ab.
2. „In den letzten 2 Jahren, hat sich die Polizei in … aus irgendeinem Grund an Sie gewendet, Sie angehalten oder kontaktiert?“
ja 1 und nein 2
keine mittlere Antwortkategorie da Nominalskala, daher keine Werte besser/schlechter möglich
Das arithmetische Mittel für alle 17 untersuchten Länder liegt bei 1,63. Deutschland liegt exakt bei diesem Wert.
3. „Wenn II. ja, wie unzufrieden oder zufrieden waren Sie mit der Art und Weise, wie die Polizei Sie behandelt hat, als dies das letzte Mal passiert ist?“
von sehr unzufrieden 1 bis sehr zufrieden 5
mittlere Antwortkategorie 3, große Werte sind besser
Das arithmetische Mittel für alle 17 untersuchten Länder liegt bei 3,60. Deutschland schneidet mit 3,53 etwas schlechter ab.
4. „Wenn Opfer zur Polizei gehen, um eine Straftat zu melden, glauben Sie, dass die Polizei reiche Leute schlechter behandelt, arme Leute schlechter behandelt oder dass beide gleich behandelt werden?“
reiche Leute werden schlechter behandelt 1, arme Leute werden schlechter behandelt 2, reiche und arme Leute werden gleich behandelt 3
keine mittlere Antwortkategorie da Nominalskala, Werte nahe an 3 sprechen jedoch für Gleichbehandlung und sind in diesem Sinne besser
Das arithmetische Mittel für alle 17 untersuchten Länder liegt bei 2,52. Deutschland schneidet mit 2,56 etwas besser ab.
5. „Glauben Sie, dass die Polizei manche Leute aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe oder ethnischen Gruppe schlechter behandelt oder dass alle gleich behandelt werden?“
Menschen, die einer anderen Volksgruppe/ethnischen Gruppe angehören, werden schlechter behandelt 1; Menschen, die der deutschen Volksgruppe/ethnischen Gruppe angehören, werden schlechter behandelt 2; alle Menschen werden gleich behandelt, unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe oder ethnischen Gruppe“ 3
keine mittlere Antwortkategorie da Nominalskala, Werte nahe an 3 sprechen jedoch für Gleich-behandlung und sind in diesem Sinne besser
Das arithmetische Mittel für alle 17 untersuchten Länder liegt bei 2,00. Deutschland schneidet mit 2,11 etwas besser ab.
6. „Was glauben Sie, wie erfolgreich ist die Polizei in Deutschland darin, Straftaten zu verhindern, bei denen Gewalt ausgeübt oder angedroht wird?“
äußerst erfolglos 0 bis äußerst erfolgreich 10
mittlere Antwortkategorie 5, große Werte sind besser
Das arithmetische Mittel für alle 17 untersuchten Länder liegt bei 5,19. Deutschland schneidet mit 5,13 leicht schlechter ab.
7. „Und was glauben Sie: Wie erfolgreich, ist die Polizei darin, Leute zu fassen, die in Deutschland Einbrüche begehen?“
äußerst erfolglos 0 bis äußerst erfolgreich 10
mittlere Antwortkategorie 5, große Werte sind besser
Das arithmetische Mittel für alle 17 untersuchten Länder liegt bei 4,69. Deutschland schneidet mit 5,15 deutlich besser ab.
8. „Was glauben Sie: Wenn in der Nähe Ihrer Wohnung ein Gewaltverbrechen passieren und die Polizei angerufen würde, wie langsam oder schnell würde sie am Tatort eintreffen?“
äußerst langsam 0 bis äußerst schnell 10
mittlere Antwortkategorie 5, große Werte sind besser
Das arithmetische Mittel für alle 17 untersuchten Länder liegt bei 5,74. Deutschland schneidet mit 6,09 besser ab.
9. „Wenn Sie von dem ausgehen, was Sie gehört oder selbst erlebt haben, was würden Sie sagen: Wie oft behandelt die Polizei die Leute in Deutschland im Allgemeinen respektvoll?“
überhaupt nicht oft 1 bis sehr oft 4
mittlere Antwortkategorie 2,5, große Werte sind besser
Das arithmetische Mittel für alle 17 untersuchten Länder liegt bei 2,89. Deutschland schneidet mit 2,98 etwas besser ab.
10. „Wie oft etwa trifft die Polizei in den Fällen, die sie bearbeitet, faire und unparteiische Entscheidungen?“
überhaupt nicht oft 1 bis sehr oft 4
mittlere Antwortkategorie 2,5, große Werte sind besser
Das arithmetische Mittel für alle 17 untersuchten Länder liegt bei 2,82. Deutschland schneidet mit 2,92 etwas besser ab.
11. „Wie oft erklärt sie im Allgemeinen ihre Entscheidungen und ihr Handeln, wenn sie danach gefragt wird?“
überhaupt nicht oft 1 bis sehr oft 4
mittlere Antwortkategorie 2,5, große Werte sind besser
Das arithmetische Mittel für alle 17 untersuchten Länder liegt bei 2,63. Deutschland schneidet mit 2,78 etwas besser ab.
12. „In welchem Ausmaß betrachten Sie es als Ihre Pflicht, die Entscheidungen der Polizei zu akzeptieren, auch wenn Sie damit nicht einverstanden sind?“
überhaupt nicht meine Pflicht 0 bis voll und ganz meine Pflicht 10
mittlere Antwortkategorie 5, große Werte sind besser
Das arithmetische Mittel für alle 17 untersuchten Länder liegt bei 5,81. Deutschland schneidet mit 6,57 deutlich besser ab.
13.. „In welchem Ausmaß betrachten Sie es als Ihre Pflicht zu tun, was die Polizei Ihnen sagt, auch wenn Sie die Gründe nicht verstehen oder mit diesen nicht einverstanden sind?“
überhaupt nicht meine Pflicht 0 bis voll und ganz meine Pflicht 10
mittlere Antwortkategorie 5, große Werte sind besser
Das arithmetische Mittel für alle 17 untersuchten Länder liegt bei 6,52. Deutschland schneidet mit 6,76 besser ab.
14. „In welchem Ausmaß betrachten Sie es als Ihre Pflicht zu tun, was die Polizei Ihnen sagt, auch wenn Sie die Art und Weise, wie die Polizei Sie behandelt, nicht gut finden?“
überhaupt nicht meine Pflicht 0 bis voll und ganz meine Pflicht 10
mittlere Antwortkategorie 5, große Werte sind besser
Das arithmetische Mittel für alle 17 untersuchten Länder liegt bei 6,30. Deutschland schneidet mit 6,37 leicht besser ab.
15. „Die Polizei hat im Allgemeinen den gleichen Sinn für Recht und Unrecht wie ich.“
stimme stark zu 1 bis lehne stark ab 5
mittlere Antwortkategorie 3, kleine Werte sind besser
Das arithmetische Mittel für alle 17 untersuchten Länder liegt bei 2,47. Deutschland schneidet mit 2,26 besser ab.
16. „Die Polizei setzt sich für Werte ein, die für Leute wie mich wichtig sind.“
stimme stark zu 1 bis lehne stark ab 5
mittlere Antwortkategorie 3, kleine Werte sind besser
Das arithmetische Mittel für alle 17 untersuchten Länder liegt bei 2,30. Deutschland schneidet mit 2,21 leicht besser ab.
17. „Ich befürworte im Allgemeinen, wie die Polizei normalerweise handelt.“
stimme stark zu 1 bis lehne stark ab 5
mittlere Antwortkategorie 3, kleine Werte sind besser
Das arithmetische Mittel für alle 17 untersuchten Länder liegt bei 2,37. Deutschland schneidet mit 2,17 besser ab.
18. „Die Entscheidungen und Handlungen der Polizei werden durch den Druck von Seiten der politischen Parteien und der Politiker zu sehr beeinflusst.“
stimme stark zu 1 bis lehne stark ab 5
mittlere Antwortkategorie 3, große Werte sind besser
Das arithmetische Mittel für alle 17 untersuchten Länder liegt bei 2,58. Deutschland schneidet mit 2,32 schlechter ab.
19. „Wie oft lässt sich die Polizei in Deutschland bestechen?“
von nie 1 bis immer 10
mittlere Antwortkategorie 5, kleine Werte sind besser
Das arithmetische Mittel für alle 17 untersuchten Länder liegt bei 3,49. Deutschland schneidet mit 2,85 deutlich besser ab.
Man kann hier festhalten, dass es auf europäischer Ebene bei 16 von 19 Fragen möglich ist, eine sinnvolle „mittlere Antwortkategorie“ festzulegen. In 15 Fällen ist der Mittelwert besser als die mittlere Antwortkategorie. Lediglich bei Nr. XVIII „politischer Einfluss“ ist dies nicht der Fall. Insgesamt werden die Polizeien demnach von den jeweiligen BürgerInnen positiv bewertet. Das darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese positiven Bewertungen überwiegend nahe an der mittleren Antwortkategorie liegen. Zudem bestehen zwischen den einzelnen Ländern in bestimmten Bereichen deutliche Unterschiede in ihrer Bewertung.
Was Deutschland anbelangt, kann man feststellen, dass bei allen 19 Fragen ein Vergleich der deutschen mit den europäischen Durchschnittswerten möglich ist:
- Bei Nr. II, „In den letzten 2 Jahren, hat sich die Polizei in Deutschland aus irgendeinem Grund an Sie gewendet, Sie angehalten oder kontaktiert?“, sind die Durchschnittswerte mit jeweils 1,63 gleich.
- Bei der Nr. III, „Wenn ja, wie unzufrieden oder zufrieden waren Sie mit der Art und Weise, wie die Polizei Sie behandelt hat, als dies das letzte Mal passiert ist?“, liegt Deutschland mit 3,53 leicht unter dem Gesamtschnitt von 3,60. Dies gilt ebenso für die Nr. VI, „Was glauben Sie, wie erfolgreich ist die Polizei in Deutschland darin, Straftaten zu verhindern, bei denen Gewalt ausgeübt oder angedroht wird?“. Hier liegt das Land mit 5,13 leicht unter dem Gesamtschnitt mit 5,19, Es gilt auch für die Nr. XVIII, „Die Entscheidungen und Handlungen der Polizei werden durch den Druck von Seiten der politischen Parteien und der Politiker zu sehr beeinflusst.“ Hier liegt Deutschland mit 2,32 unter dem Schnitt von 2,58.
- In drei Fällen schneidet Deutschland im Vergleich deutlich besser ab. Bei der Nr. VII „Und was glauben Sie: Wie erfolgreich ist die Polizei darin, Leute zu fassen, die in Deutschland Einbrüche begehen?“, liegt Deutschland mit 5,15 deutlich über dem Gesamtschnitt von 4,69. Dies ist bei der Nr. XII, „In welchem Ausmaß betrachten Sie es als Ihre Pflicht, die Entscheidungen der Polizei zu akzeptieren, auch wenn Sie damit nicht einverstanden sind?“, mit 6,57 zu 5,81 auch der Fall. Und es gilt ebenso bei Nr. XIX, „Wie oft lässt sich die Polizei in Deutschland bestechen?“, wo der deutsche Schnitt von 2,85 besser als der Gesamtschnitt von 3,49 ist.
- In den anderen 12 Fällen ist der deutsche Mittelwert leicht besser als der europäische.
V. Zusammenfassung
In den öffentlichen Debatten um Racial Profiling durch die Polizei, Polizeigewalt sowie Rassismus oder Homophobie spielt das empirisch feststellbare Vertrauen der BürgerInnen in ihre Polizei eine maßgebende Rolle. Es wird als Quelle polizeilicher Legitimität gesehen und ist demnach ein relevanter Indikator für eher schlechte Polizeiarbeit, z.B. infolge von häufigem Rassismus, oder für eher gute Polizeiarbeit, z.B. infolge von seltenem Rassismus. Vor diesem Hintergrund ging es in diesem Aufsatz darum, dass empirisch belegbare Vertrauen in die deutschen Polizeien festzustellen, um dadurch zu einer sachlichen Diskussion beizutragen.
Im Kapitel II wurde, unter Rückgriff auf Daten der „Allgemeinen Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften“ (ALLBUS), das Vertrauen in die deutsche Polizei von 1984 bis 2021 in den Blick genommen. Dabei können drei „Gruppen“ auf der „Notenskala“ 1 (kein Vertrauen) bis 7 (großes Vertrauen) identifiziert werden: Die „Neutralen“ (4 Punkte), die der Polizei weder Vertrauen noch Misstrauen entgegenbringen, machen im Mittel ca. 19 % der Bevölkerung aus. Die „Misstrauenden“ (1 bis 3 Punkte), die ihr kein Vertrauen entgegenbringen, bilden ca. 15 % der Befragten ab. Die „Vertrauenden“ (5 bis 7 Punkte) machen ca. 66 % der Befragten aus. Eine oftmals vermutete bzw. behauptete Vertrauenskrise in die Polizei ist somit nicht festzustellen. Das Vertrauen in die deutsche Polizei liegt in Deutschland in den vergangenen 40 Jahren auf einem stabilen und überdurchschnittlich hohen Niveau mit leicht steigender Tendenz.
Im Kapitel III wurde, wiederum unter Rückgriff auf ALLBUS, um einen Vergleichsmaßstab zu haben, das Vertrauen in die Polizei dem Vertrauen in andere bundesdeutsche Institutionen von 1984 bis 2021 gegenübergestellt. Dabei erfolgte eine Beschränkung auf fünf andere „Exekutivorgane“ sowie das Bundesverfassungsgericht (BVerfG), das über das höchste Vertrauen in der Bevölkerung verfügt. Auch hier sind im Zeitverlauf drei „Gruppen“ festzustellen: An der Spitze und immer deutlich über dem Mittelwert von 4 Punkten liegen das BVerfG und die Polizei. In fünf Befragungsrunden wird dem BVerfG das höchste Vertrauen entgegen gebracht. 2000 und 2008 liegt die Polizei vor und 2012 gleichauf mit dem Gericht. In einer zweiten über dem Mittelwert liegenden Gruppe findet man die Bundeswehr, die Justiz sowie die Stadt-/Gemeindeverwaltungen. Die dritte Gruppe, die unter dem Mittelwert von 4 Punkten liegt, bilden die Bundesregierung und die EU-Kommission. Dabei bleibt zu beachten, dass das Bild durch die Nicht-Abfrage zur Bundeswehr in fünf Befragungsrunden sowie zur EU-Kommission in drei und der Stadt-/Gemeindeverwaltungen in zwei Runden ein unvollständiges Bild abgibt.
Im Kapitel IV wurde, unter Rückgriff auf Daten des „European Social Survey“, erstens ein Vergleich des Vertrauens in die deutsche Polizei mit 17 anderen europäischen Polizeien zwischen 1984 und 2021 unternommen. Hier erreicht die deutsche Polizei in den untersuchten Befragungsrunden und beim Gesamtergebnis einmal Rang 4, dreimal Rang fünf und einmal Rang 6. Die Polizeien von Finnland, Norwegen und der Schweiz liegen bei allen fünf Vergleichen in der genannten Reihenfolge auf den ersten drei Plätzen. Bei drei Vergleichen kommt danach Schweden und bei jeweils einem Vergleich liegen die Niederlande und Deutschland auf dem vierten Platz. Deutschland liegt insgesamt auf dem fünften Platz und bewegt sich etwa auf dem Niveau der viertplatzierten Schweden. Man kann daher festhalten, dass die Finnen, das größte Vertrauen in ihre Polizei haben. Mit deutlichem Abstand folgen die Norweger und mit geringerem Abstand die Schweizer. Schweden liegt in der Nähe zur Schweiz und Deutschland fast auf schwedischem Niveau.
Ebenfalls im Kapitel IV wurde zweitens das Ergebnis von 19 Fragen aus dem Jahr 2010, die Polizeien von 17 europäischen Ländern betreffend, gegenübergestellt. Ein Vergleich des deutschen Durchschnittswertes mit denen der anderen Ländern zeigt, dass Deutschland bei drei von 19 Fragen leicht schlechter abschneidet als die anderen Polizeien. Dies betrifft die Behandlung durch die Polizei bei Kontakt mit den BürgerInnen, ihre Kompetenz, Gewaltkriminalität zu verhindern sowie den wahrgenommenen politischen Druck auf polizeiliche Handlungen. Bei einer Frage die Kontrolldichte in den vergangenen zwei Jahren betreffend, liegt Deutschland exakt im europäischen Mittel. In drei Fällen liegt das Land deutlich über dem europäischen Durchschnitt. Dies betrifft die erfolgreiche Festnahme von Einbrechern, die Bereitschaft der BürgerInnen, polizeiliche Entscheidungen zu akzeptieren sowie die Unbestechlichkeit der Polizei. In 12 weiteren Fällen ist der deutsche Mittelwert leicht besser als der europäische.
Insgesamt kann man festhalten, dass das Vertrauen der Bevölkerung in die deutschen Polizeien stabil auf hohem Niveau liegt. Sie nimmt im Vergleich mit anderen deutschen Institutionen einen Spitzenplatz ein. Dies gilt auch auf europäischer Ebene, wobei sie in etwa mit Schweden hinter der Polizei in Finnland, Norwegen und der Schweiz liegt.
Sofern man ergründen möchte, durch welche organisatorischen Maßnahmen sich die deutschen Polizeien verbessern könnten, sollte man die strukturellen, prozessualen und inhaltlichen Unterschiede zu Finnland, Norwegen, der Schweiz und Schweden näher untersuchen.
Mein besonderer Dank gilt Frau Anja Sommerhäuser, die das Manuskript dieses Aufsatzes redigiert hat.
[2] Vgl. dazu die Webpräsentation der Bewegung unter https://blacklivesmatter.com/, Zugriff: 08.10.2023.
[3] Vgl. als Bsp. „Rassistisch, frauenfeindlich und homophob – verheerendes Zeugnis für Londons Polizei“, Spiegel Online-Panorama vom 21.3.2023, unter https://www.spiegel.de/panorama/, Zugriff: 08.10.2023.
[4] Vgl. als Bsp. das bereits seit den 1970er Jahren bestehende Institut für Bürgerrechte & öffentliche Sicherheit e.V. unter https://www.cilip.de/, Zugriff: 8.10.2023.
[5] Auf die Problematik, dass es eigentlich gar keine „deutsche Polizei“ im Singular gibt, gehen die meisten Untersuchungen nicht ein. Die Bundesrepublik verfügt über 16 Landespolizeien, drei Bundespolizeien (BKA, BPOL, Polizei beim Deutschen Bundestag) sowie über eine kommunale Polizei, die „Ortspolizeibehörde Bremerhaven“. Dies müsste bei zukünftigen Befragungen/Untersuchungen berücksichtigt werden.
[6] Hier positionieren sich u.a. die deutschen Polizeigewerkschaften.
[7] Maurer, Nadja (u.a.) 2023: Ein einleitendes Wort. In: Dies. (Hrsg.): Kritische Polizeiforschung. Reflexionen, Dilemmata und Erfahrungen aus der Praxis, Kulturen der Gesellschaft, Band 60. Bielefeld: hier Seite 7.
[8] Die Daten wurden vom Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften abgerufen, https://www.gesis.org/home, Zugriff: 1.10.2023.
[9] Reuband, Karl-Heinz 2012: Vertrauen in die Polizei und staatliche Institutionen. Konstanz und Wandel in den Einstellungen der Bevölkerung 1984-2011. Online abrufbar unter https://www.ssoar.info/ssoar/handle/document/ 39794, Zugriff: 1.10.2023, hier: insbesondere die Zusammenfassung auf Seite 5 und die Schlussbemerkungen auf Seite 26f.
[10] Vgl. dazu Simonson, Julia/u.a. (Hrsg.) 2022: Freiwilliges Engagement in Deutschland. Der Deutsche Freiwilligensurvey 2019. In: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.), Reihe Empirische Studien zum bürgerschaftlichen Engagement. Wiesbaden. Kostenloser Download unter https://link.springer.com/ book/10.1007/978-3-658-35317-9, Zugriff: 15.10.2023; hier insbesondere die Kernaussagen auf Seite 291.
[11] Vgl. dazu die Webseite für Deutschland unter https://www.europeansocialsurvey.org/about/country/germany/, Zugriff: 18.10.2023.
[12] Fragen und Antwortkategorien sind im „Data Portal – Country documentation – Germany – Documents and additional data files – ESS5 Main Questionnaire DE“, hier: S. 21 -26, D7-D25, eingestellt. Sie sind online abrufbar unter https://stessrelpubprodwe.blob.core.windows.net/data/round5/fieldwork/germany/ESS5_main_questionaire _DE.pdf, Zugriff: 18.11.2023.