Gesetz gegen Hasskriminalität im Internet – Ein Überblick zu den Straferweiterungen und Strafschärfungen im Strafgesetzbuch
von Prof. Dr. Anja Schiemann, Deutsche Hochschule der Polizei
1. Einleitung
Das Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität ist in überwiegenden Teilen am 3.4.2021 in Kraft getreten.[2] Der Weg zur Verkündung war allerdings ein steiniger. Zunächst hatte der Bundespräsident eine Unterzeichnung des Gesetzes abgelehnt, nachdem der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestags hinsichtlich einiger geplanter Vorschriften verfassungsrechtliche Bedenken angemeldet hatte.[3] Dies betraf insbesondere die Regelungen zur Bestandsdatenauskunft, die daraufhin an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts angepasst werden mussten.[4] Die geplanten Änderungen im materiellen Strafrecht konnten dagegen weitgehend bestehen bleiben. Durch die notwendigen Änderungen in anderen Gesetzen wurde aber letztlich auch das Gesetz zu Hass und Hetze aufgehalten, da dem im Vermittlungsausschuss ausgehandelten Kompromiss zum behördlichen Zugriff auf die Daten von Handynutzern von Bundestag und Bundesrat erst am 26.3.2021 zugestimmt wurde. Die Unterzeichnung durch Frank-Walter Steinmeier erfolgte dann zügig am 30.3.2021 und schon am nächsten Tag wurde das Gesetz im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Was das Inkrafttreten betrifft, so sind die Regelungen etwas undurchsichtig gestaltet. Zunächst war vorgesehen, die meisten Regelungen des Gesetzespakets erst zum 1.7.2021 in Kraft treten zu lassen.[5] Dann war dies offensichtlich nicht schnell genug und man verlegte durch Art. 15 des Gesetzes zur Anpassung der Regelungen über die Bestandsdatenauskunft an die Vorgaben aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27.5.2020 das Inkrafttreten auf den 3.4.2021.[6]
Das Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität enthält nicht nur Änderungen des Strafgesetzbuches, sondern auch der Strafprozessordnung, des Einführungsgesetzes zur Strafprozessordnung, des Bundesmeldegesetzes, des Bundeskriminalamtgesetzes, des Telemediengesetzes und des bereits erwähnten Netzwerkdurchsetzungsgesetzes. Inhalt dieses Beitrags sind allein die Änderungen des Strafgesetzbuches.
2. Was ist eigentlich Hass?
Das Gesetz soll der Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität dienen – dabei fehlt es an einer entsprechenden Begriffsklärung im Gesetz. Lediglich im Straftatbestand der Volksverhetzung findet sich in § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB als Tatbestandsmerkmal das Aufstacheln zum Hass. Schaut man in die einschlägigen Kommentierungen, so wird dies definiert als eine auf die Gefühle des Adressaten abzielende, über bloße Äußerung von Ablehnung und Verachtung hinausgehende Form des Anreizens zu einer feindseligen Haltung.[7] Die Bundesregierung sah in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage vom Begriff der Hasskriminalität politisch motivierte Straftaten erfasst, soweit „die Umstände der Tat oder die Einstellung des Täters darauf schließen lassen, dass sie sich gegen eine Person aufgrund ihrer politischen Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft, sexuelle Orientierung, Behinderung, ihres äußeren Erscheinungsbilds oder ihres gesellschaftlichen Status richtet. Auch wenn die Tat nicht unmittelbar gegen eine Person, sondern im oben genannten Zusammenhang gegen eine Institution oder Sache verübt wird, erfolgt ihre Zuordnung zur `Hasskriminalität´. Straftaten mit fremdenfeindlichen und/oder antisemitischem Hintergrund sind Teilmenge der `Hasskriminalität´.“[8] Die Fremdenfeindlichkeit wurde bereits durch Gesetz vom 12.6.2015 als bei der Strafzumessung zu berücksichtigendes strafschärfendes Motiv in § 46 StGB eingeführt.[9] Neu hinzugekommen sind durch das Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität antisemitische Beweggründe.
Hass und Rechtsextremismus hängen also zusammen. Es finden sich im neuen Gesetz auch keine Delikte, die explizit gegen Rechtsextremismus gerichtet sind. Lediglich durch die Ergänzung des § 46 Abs. 2 S. 2 StGB um die antisemitischen Beweggründe im Rahmen der Strafzumessungsentscheidung wird dem Rechtsextremismus explizit Rechnung getragen.
Allerdings wird durch die plakative Hervorhebung der Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität genau das aufgegriffen, was die kriminalpolitische Diskussion geprägt hat, nämlich der durch Hass und extremistische Einstellungen gekennzeichneten Hetze im Internet und den sozialen Medien Einhalt zu gebieten. Insofern sind diese Begrifflichkeiten für jedermann trotz bestehender Unschärfen greifbar.[10]
3. Änderungen des Strafgesetzbuches
Neben der bereits erwähnten Ergänzung der Strafzumessungsvorschrift wurden noch andere Paragrafen angepasst und erweitert.
3.1. Widerstand gegen oder tätlicher Angriff auf Personen, die Vollstreckungsbeamten gleichstehen (§ 115 StGB)
Die §§ 113 ff. StGB wurden im Jahr 2017 novelliert und neu gefasst. Der tätliche Angriff auf Vollstreckungsbeamte wurde aus § 113 StGB herausgelöst und in § 114 StGB überführt. § 114 StGB a.F., der den Widerstand gegen oder tätlichen Angriff auf Personen, die Vollstreckungsbeamten gleichstehen unter Strafe stellte, rückte in § 115 StGB auf. Am Personenkreis der geschützten Personen hat sich durch die damalige Gesetzesnovellierung nichts geändert. Erfasst waren nach § 115 Abs. 3 StGB Hilfeleistende der Feuerwehr, des Katastrophenschutzes und des Rettungsdienstes. Letzteres bezieht sich auf Einsatzkräfte öffentlicher und privatrechtlich organisierter Rettungsdienste. Nicht geschützt wurden bislang Hilfeleistende eines ärztlichen Notdienstes oder in Notaufnahmen. Doch auch in diesen Bereichen ist in den letzten Jahren eine deutliche Zunahme an Aggressivität und Gewalt gegen die Hilfeleistenden zu verzeichnen gewesen,[11] so dass sich der Gesetzgeber mit der neuen Gesetzesnovellierung dazu entschlossen hat, auch diese Hilfeleistenden in den Kreis der geschützten Personen des § 115 Abs. 3 StGB aufzunehmen. Diese Erweiterung des Personenkreises ist uneingeschränkt zu begrüßen, war doch eine Ungleichbehandlung gegenüber den bereits geschützten Hilfeleistenden nicht gerechtfertigt.[12]
3.2. Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten (§ 126 StGB)
Durch das Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität wurde außerdem der Straftatenkatalog des § 126 Abs. 1 StGB erweitert. Zunächst wurde in Nr. 2 „eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung in den Fällen des § 177 Abs. 4-8 oder des § 178“ eingefügt. Die Einfügung wurde im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens vom Bundesrat angeregt und aufgegriffen. Um einen ausreichenden strafrechtlichen Schutz für Frauen zu erreichen, müssten auch Ankündigungen zu solchen Straftaten ausdrücklich erfasst werden.[13] Primär abgezielt wird also auf den wirksamen Schutz vor Gewalt gegen Frauen, wenngleich das Rechtsgut des § 126 StGB der öffentliche Friede ist und gerade nicht der Schutz vor Individualrechtsgütern.
Ebenfalls ergänzt wurde der Straftatenkatalog in § 126 Abs. 1 Nr. 4 StGB (ehemals Nr. 3). Neben die schwere Körperverletzung tritt nun die gefährliche Körperverletzung gem. § 224 StGB. Begründet wird dies damit, dass die gefährliche Körperverletzung in ähnlicher Weise wie die schwere Körperverletzung „erheblicher Natur“ sein kann. Insofern sei die Androhung einer gefährlichen Körperverletzung ebenso geeignet, den öffentlichen Frieden zu störend wie die Androhung einer schweren Körperverletzung.[14] Problematisch an der Aufnahme der gefährlichen Körperverletzung in den Straftatenkatalog ist zweierlei. Zum einen wird durch die Einbeziehung der gefährlichen Körperverletzung der bisher auf Verbrechen beschränkte Straftatenkatalog auf ein Delikt mittleren Schweregrads ausgeweitet. Die „erhebliche Natur“ wird also vom Gesetzgeber nur behauptet, nicht aber in Abgrenzung von Verbrechen und Vergehen begründet. Zum anderen ist fraglich, ob das öffentliche Gewaltmonopol durch die Ankündigung einzelner Straftaten mittlerer Kriminalität überhaupt in Frage gestellt ist und der öffentliche Friede hierdurch gestört wird. Da aber die Eignung zur Friedensstörung kumulativ zur Katalogtat hinzutreten muss, wird es ohnehin nur wenige Fallkonstellationen geben, die im Rahmen einer Ankündigung einer gefährlichen Körperverletzung zu einer besonderen Beunruhigung der Bevölkerung führen.
3.3. Belohnung und Billigung von Straftaten (§ 140 StGB)
140 StGB a.F. stellte die Belohnung und Billigung von Straftaten unter Strafe, sofern diese Straftaten begangen oder in strafbarer Weise versucht wurden. Dieser Straftatbestand steht seit seiner Einführung in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts wegen seiner relativen Unbestimmtheit und strafverfolgungsrechtlichen Bedeutungslosigkeit in der Kritik.[15]
Der Gesetzgeber hat trotz vieler kritischer Stimmen in den Sachverständigenstellungnahmen[16] diesen konturenlosen Straftatbestand weiter ausgedehnt. Was die Billigung von Straftaten anbelangt, wird die Strafbarkeit meines Erachtens in unvertretbarer Weise weit ins Vorfeld vorverlagert. Denn es reicht aus, dass ein Täter eine Straftat billigt, die noch nicht einmal – wie in der alten Fassung gefordert – in das Versuchsstadium gelangt ist. Allein die Billigung einer zukünftigen Katalogtat ist ausschlaggebend. Laut Gesetzesbegründung soll schon genügen, dass der Täter die künftige Katalogtat in ihren wesentlichen Merkmalen umreißt, ohne die Einzelheiten zu kennen.[17] Der Bogen der Verhältnismäßigkeit ist hier sicher überspannt.[18]
Inwiefern es hier überhaupt praktische Fälle geben wird, die geeignet sind, den öffentlichen Frieden zu stören, scheint zudem fraglich, setzt dies doch voraus, dass das Vertrauen in die Geltungskraft der Rechtsordnung erschüttert sein muss.
Für die Tathandlung des Belohnens wird dagegen weiterhin am Erfordernis festgehalten, dass die Straftat begangen oder in strafbarer Weise versucht sein muss. Dies ergibt sich schon aus dem Belohnungsgedanken, der zwangsläufig an bereits begangene Handlungen geknüpft ist, so dass die Notwendigkeit einer Ausdehnung der Strafbarkeit vom Gesetzgeber nicht gesehen wurde.[19]
3.4. Beleidigungsdelikte
Hass und Hetze wird am ehesten mit Beleidigungsdelikten verbunden, so dass die Reform hier auch zu umfangreichen Änderungen geführt hat. Der Gesetzgeber trägt dadurch dem Umstand Rechnung, dass durch die Anonymität des Internets und die fehlende soziale Kontrolle in den letzten Jahren verstärkt Äußerungen mit beleidigendem Inhalt über andere Menschen abgegeben werden. Durch die Verbreitungsmacht des Netzes kann die Beleidigung den Betroffenen mit viel stärkerer Wucht treffen und so zu viel größeren psychischen Belastungen führen, als die klassische Beleidigung in kleinem Kreis.
Der Straftatbestand des § 185 StGB wird durch die Einfügung „öffentlich, in einer Versammlung, durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) oder“ um weitere Qualifikationen neben der Beleidigung mittels einer Tätlichkeit erweitert. Was die Auslegung des Begriffs „öffentlich“ betrifft, kann sich an §§ 186, 187 StGB orientiert werden. „Öffentlich ist eine Beleidigung, wenn sie eine größere, nicht durch nähere Beziehungen miteinander verbundene Anzahl von Personen zur Kenntnis nehmen kann“.[20] Vom Begriff der „Versammlung“ wird die räumlich zu einem bestimmten Zweck vereinigte größere Anzahl von Personen erfasst, wobei auch geschlossene Veranstaltungen mit eingeschlossen sind.[21]
Durch das Gesetz zur Anpassung der Regelungen über die Bestandsdatenauskunft an die Vorgaben aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Mai 2020 wurde zudem der schon im Referentenentwurf angekündigten Modernisierung des Schriftenbegriffs hin zu einem Inhaltsbegriff Rechnung getragen und durch Art. 15 dementsprechend das Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität geändert und die „Schriften“ durch den „Inhalt“ ersetzt.[22] Die durch das 60. Strafrechtsänderungsgesetz erfolgte Modernisierung des Schriftenbegriffs war notwendig geworden, weil es zunehmend zur Verbreitung digitaler Inhalte ohne entsprechende Speicherung beim Empfänger gekommen ist, und das alte Recht eine Verkörperung der Inhalte forderte. Durch die Umwandlung des Schriften- in einen Inhaltsbegriff wird nicht mehr auf das Trägermedium abgestellt, sondern auf den Inhalt als Oberbegriff, da die Verbreitung des Inhalts ja auch den eigentlichen Grund für die Strafbarkeit darstellt.[23]
Der Straftatbestand der üblen Nachrede gem. § 186 StGB wird folgerichtig an § 185 StGB angepasst und um die qualifizierende Tatbegehung „in einer Versammlung“ ergänzt. Der Gesetzgeber hat insofern zutreffend darauf hingewiesen, dass ein Sachgrund für eine differenzierende Regelung nicht ersichtlich sei.[24]
Auch § 188 StGB wird geändert und ergänzt und so dem Umstand Rechnung getragen, dass Personen, die sich im politischen Leben engagieren, in besonderem Maße ehrverletzenden Angriffen ausgesetzt sind. Da nach § 188 StGB a.F. im Einzelnen umstritten war, wer geschützte Person im Sinne des Gesetzes war, hat der Gesetzgeber klarstellend der bisherigen vielfach restriktiven Auslegung ein Ende gesetzt und auch in der Gesetzesbegründung betont, dass zum politischen Leben des Volkes durchaus auch Tätigkeiten bis hin zur kommunalen Ebene gehören[25] und dies in § 188 Abs. 1 S. 2 StGB explizit normiert. Während früher nur eine üble Nachrede gem. § 188 Abs. 1 StGB als Tathandlung strafbar war, ist nun die Beleidigung erfasst, der Strafrahmen aber reduziert auf eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. Die üble Nachrede ist zusammen mit der bereits gem. § 188 Abs. 2 StGB a.F. normierten Tathandlung der Verleumdung mit aufgenommen in § 188 Abs. 2 StGB n.F. und mit einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bedroht.
Zudem wird § 188 StGB von einem reinen zu einem relativen Antragsdelikt ausgestaltet und § 194 StGB dementsprechend modifiziert. Gem. § 194 Abs. 1 S. 2 StGB „wird die Tat auch dann verfolgt, wenn die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält“. Begründet wird diese Modifizierung damit, dass diffamierende, öffentliche Äußerungen gegen politisch aktive Personen nicht auf den persönlichen Lebensbereich der Betroffenen beschränkt bleiben, sondern eine Außenwirkung entfalten, die das Rechtsempfinden der Bevölkerung dauerhaft stören kann. Schließlich könne es sogar dazu führen, dass sich andere politisch aktive Personen aus der öffentlichen Debatte oder gar aus ihren Ämtern zurückzögen. Daher solle eine Strafverfolgung auch dann möglich sein, wenn trotz fehlenden Strafantrags die Verfolgung im besonderen öffentlichen Interesse liegt. Um aber auch den Interessen der betroffenen Person Rechnung zu tragen, räumt der Gesetzgeber dieser Person ein Widerspruchsrecht ein.[26]
4. Bedrohung
Ebenso wie bei der Modifizierung des § 140 StGB ist der Gesetzgeber beim Straftatbestand der Bedrohung gem. § 241 StGB über das Ziel hinausgeschossen. Nach § 241 Abs. 1 StGB a.F. wurden nur Bedrohungen eines anderen Menschen mit einem gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person mit einem Verbrechen erfasst. Trotz diverser Kritik in der Sachverständigenanhörung hielt der Gesetzgeber an einer Ausweitung des Straftatbestands fest, so dass nunmehr Bedrohungen mit der Begehung einer „rechtswidrigen Tat gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder gegen eine Sache von bedeutendem Wert“ unter Strafe gestellt sind.
Zwar wurde der Straftatbestand im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens angesichts der Kritik an der „ausufernden Pönalisierung verbaler Auseinandersetzungen“[27] zumindest im Hinblick auf die Bedrohung mit Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit oder Sachen von bedeutendem Wert dahingehend eingeschränkt, dass dies im Rahmen einer Versammlung oder durch das Verbreiten von Schriften geschehen sein muss.[28] Diese Einschränkung wurde aber letztlich wieder gestrichen. Dies ist bedenklich. Dem Wortlaut nach sind als Taten gegen die körperliche Unversehrtheit auch leichteste Köperverletzungen erfasst. Der Gesetzgeber hat in der Gesetzesbegründung selbst herausgestellt, dass das In-Aussicht-Stellen einer einfachen Körperverletzung vielfach nur der rhetorischen Ausschmückung dient und Teil der Alltagskommunikation sei.[29] Ernst gemeint ist es häufig nicht, so dass sich die Frage stellt, ob ein solches Verhalten strafwürdig sein muss.
Auch die Androhung einer Sachbeschädigung von bedeutendem Wert vermag meiner Ansicht nach nicht den individuellen Rechtsfrieden zu stören. Die Grenze zum bedeutenden Wert einer Sache variiert je nach Auffassung von Literatur und Rechtsprechung. Während die Literatur sich an § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB orientiert und die Wertgrenze derzeit bei ca. 1300 Euro sieht, liegt diese laut BGH bei 750 Euro.[30] Führt man sich vor Augen, dass das Vertrauen des Einzelnen auf seine durch das Recht gewährleistete Sicherheit vor besonders gravierende Bedrohungen durch § 241 StGB geschützt sein soll,[31] so ist doch zweifelhaft, ob die Androhung einer Sachbeschädigung selbst von 1300 Euro eine solche gravierende Bedrohung überhaupt darstellen kann.
Durch die Einfügung dieser eklatanten Ausweitung des Bedrohungstatbestands in Absatz 1 rückt der bisherige Absatz 1 in Absatz 2 und Absatz 2 in Absatz 3 auf. Außerdem wird jeweils der Strafrahmen erhöht und ein Absatz 4 und 5 angefügt. Wird die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts begangen, so erhöhen sich die Strafrahmen der vorherigen Absätze. Schließlich wird durch Absatz 5 dem Umstand Rechnung getragen, dass es sich bei den angedrohten Delikten nach Absatz 1 auch um Antragsdelikte handeln kann. Konsequent ist daher, die Vorschriften über den Strafantrag bzgl. der angedrohten Tat auch für die Verfolgung der Bedrohung entsprechend anzuwenden, um Wertungswidersprüche zu vermeiden.
4. Fazit
Das Gesetz zur Bekämpfung von Hasskriminalität und Rechtsextremismus ist im Hinblick auf die Neuausrichtung der Beleidigungsdelikte uneingeschränkt zu begrüßen. Hier wird dem größeren Unrechtsgehalt öffentlicher und gerade auch im Internet schwer einzufangender diffamierender Äußerungen Rechnung getragen und eine stimmige, ausgewogene Erweiterung vorgenommen. Die Neuausrichtung der §§ 140 und 241 StGB ist dagegen abzulehnen, da beide Vorschriften in ihrer Neufassung den Bogen verhältnismäßigen Strafens deutlich überspannen.
5. Exkurs: Feindeslisten
Der Gesetzentwurf zur Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes gegen sogenannte Feindeslisten ist ein weiterer Vorstoß, um Betroffene vor Einschüchterungen zu schützen.[32] „Feindeslisten“ sind Sammlungen von Adressdaten und Informationen über persönliche Umstände oder Fotos von Personen, die primär im Internet verbreitet und zum Teil mit ausdrücklichen oder subtilen Drohungen oder Hinweisen verbunden werden. Von der Öffentlichkeit werden „Feindeslisten“ laut Gesetzentwurf als verunsichernd oder sogar bedrohlich wahrgenommen und sind ggf. geeignet, das friedliche Zusammenleben zu beeinträchtigen. Da die bestehenden Strafvorschriften das Phänomen der „Feindeslisten“ regelmäßig nicht oder nur teilweise erfassen würden, soll mit § 126a StGB ein neuer Straftatbestand ins Strafgesetzbuch eingeführt werden.[33]
Nach § 126a StGB-E wird die gefährdende Veröffentlichung personenbezogener Daten unter Strafe gestellt. Der Straftatbestand soll folgenden Wortlaut bekommen:
(1) Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) personenbezogene Daten einer anderen Person in einer Art und Weise verbreitet, die geeignet ist, diese Person oder eine ihr nahestehende Person der Gefahr eines gegen sie gerichteten Verbrechens oder einer sonstigen rechtswidrigen Tat gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder gegen eine Sache von bedeutendem Wert auszusetzen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Handelt es sich um nicht allgemein zugängliche Daten, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.
Als Tathandlung soll das in einer bestimmten Art und Weise erfolgte Verbreiten personenbezogener Daten mehrerer Personen oder auch einer einzelnen Person erfasst werden, wenn dies öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Inhalten geschieht. Über den neuen Inhaltsbegriff wird damit sowohl das Verbreiten von verkörperten Inhalten mit solchen Daten aber auch der praktisch bedeutsamere Fall der Verbreitung von entsprechenden Inhalten im Internet erfasst.
Es gibt bereits erste Stellungnahmen, die diesen Vorstoß des Gesetzgebers durchaus kritisch sehen. So mahnt bspw. der Deutsche Richterbund an, es sei nicht ausgeschlossen, dass die von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte kritische Berichterstattung über beispielsweise einen Politiker oder auch die politische Debatte selbst im Einzelfall §126a StGB-E unterfallen könne, weil sie auf eine aufgeheizte, im Einzelfall gewaltbereite Leser- oder Anhängerschaft träfe.[34]
Insofern bleibt abzuwarten, ob der Entwurf in dieser Fassung überhaupt Gesetz wird. Jedenfalls gibt es bereits einen Gegenvorschlag der Fraktion der FDP, der die bereits bestehende Vorschrift des § 42 BDSG in das StGB überführen möchte.[35]
[2] BGBl. I 2021, 448 (474) und BGBl. I 2021, 441 ff. Lediglich die Änderungen des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes zu § 1 und die ergänzend eingefügte Meldepflicht in § 3a treten erst am 1.2.2022 in Kraft.
[3] Das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes ist abrufbar unter: https://cdn.netzpolitik.org/wp-upload/2020/09/WD-10-030-20-Gesetz-Hasskriminalitaet.pdf (zuletzt abgerufen am 30.4.2021).
[4] Geschehen durch das Gesetz zur Anpassung der Regelungen über die Bestandsdatenauskunft an die Vorgaben aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27.5.2020, BGBl. I 2021, 448 ff.
[5] Art. 10 des Gesetzes zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität, BGBl. I 2021, 441 (446).
[6] BGBl. I 2021, 448 (474).
[7] S. bspw. Fischer, StGB, 68. Aufl. (2021), § 130 Rn. 8.
[8] BT-Drs. 18/1344, S. 1 f.
[9] BGBl. I 2015, S. 925.
[10] So schon Schiemann, KriPoZ 2020, 269 (270).
[11] Vgl. Hüfner/Dudeck/Zellner/Mahr, Der Unfallchirurg 2020, 424.
[12] So der Regierungsentwurf, S. 19, abrufbar unter: https://kripoz.de/wp-content/uploads/2020/02/RegE_Bekaempfung_Hasskriminalitaet.pdf (zuletzt abgerufen am 1.5.2021).
[13] BT-Drs. 19/18470, S. 19.
[14] Referentenentwurf, S. 21 abrufbar unter: https://kripoz.de/wp-content/uploads/2019/12/RefE_BekaempfungHatespeech.pdf (zuletzt abgerufen am 5.5.2021).
[15] Vgl. nur Fischer, § 140 Rn. 2, 2a.
[16] Die Stellungnahmen sind abrufbar unter https://kripoz.de/2020/01/20/entwurf-eines-gesetzes-zur-bekaempfung-des-rechtsextremismus-und-der-hasskriminalitaet-2/# (zuletzt abgerufen am 5.5.2021).
[17] S. Regierungsentwurf, S. 39.
[18] Bereits Schiemann, KriPoZ 2020, 269 (273).
[19] Vgl. Regierungsentwurf, S. 39.
[20] Fischer, § 186 Rn. 16.
[21] S. Regge/Pegel, MK-StGB, Bd. 4, 3. Aufl. (2017), § 187 Rn. 23.
[22] BGBl. I 2021, S. 473.
[23] S. Valerius, in: BeckOK-StGB, 49. Ed. (Stand: 1.2.2021), Rn. 65, 65.1.; Fischer, § 11, Rn. 33.
[24] Regierungsentwurf, S. 40.
[25] Regierungsentwurf, S. 41.
[26] S. Regierungsentwurf, S. 41.
[27] So BR-Drs. 87/1/20 (neu), S. 11.
[28] Vgl. BT-Drs. 19/18470, S. 22.
[29] S. BT-Drs. 19/18470, S. 23.
[30] Vgl. Fischer, § 315 Rn. 16a m.w.N.
[31] S. Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. (2019), § 241 Rn. 2.
[32] Regierungsentwurf, abrufbar unter https://kripoz.de/wp-content/uploads/2021/03/RegE_Feindeslisten.pdf (zuletzt abgerufen am 6.5.2021).
[33] S. insgesamt Regierungsentwurf, S. 1.
[34] Stellungnahme des DRB 5/21, S. 2, abrufbar unter: https://kripoz.de/wp-content/uploads/2021/02/DRB_210222_Stn_Nr._5_126-a_Feindeslisten.pdf (zuletzt abgerufen am 6.5.2021). Auch Reporter ohne Grenzen plädieren eindringlich für einen unmissverständlichen Schutz journalistischer Arbeit innerhalb des Gesetzentwurfs und eine klare Eingrenzung des Tatbestands, s. RSV, S. 1, abrufbar unter: https://kripoz.de/wp-content/uploads/2021/03/Stellungnahme_RSF_RefE_Feindeslisten.pdf (zuletzt abgerufen am 6.5.2021).
[35] S. BT-Dr. 19/28777.