Musterklausur Die Großmutter und ihr Enkel

von Polizeidirektor Thomas Osterlitz, HSPV NRW

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Sachverhalt

Die Leitstelle des PP A-Stadt erreicht am heutigen Morgen um 6.30 Uhr folgender Notruf: „Guten Morgen, mein Name ist Christine Schmidt. Ich wohne in der Waldstraße 19. Ich mache mir große Sorgen um meine Nachbarin Frau Weiß. Sie ist über 80 Jahre alt, eigentlich ganz fit, erledigt ihren Haushalt noch selbst, steht immer sehr früh auf und geht regelmäßig spazieren. Jetzt habe ich sie schon drei Tage nicht mehr gesehen und in ihrem Briefkasten klemmen schon drei Zeitungen. Ich habe bei ihr angeschellt, aber sie meldet sich nicht. Ich fürchte, ihr ist etwas passiert. Sie hat mir nicht erzählt, dass sie irgendwo hin verreisen wollte, was sie zwar auch hin und wieder noch macht, sich dann aber immer vorher ‚abmeldet‘. Zu ihrem Sohn hat sie keinen Kontakt.“

Der Einsatzsachbearbeiter der Leitstelle, der den Anruf entgegengenommen hat, entsendet die Streifenwagenbesatzung POK A und PK B zur Anschrift Waldstraße 19. Dort werden die Beamten von der Anruferin ins Haus gelassen. Frau Weiß wohnt im ersten Obergeschoss. Die Tür zur Wohnung der Frau Weiß ist geschlossen. POK A klingelt, klopft und ruft laut: „Guten Morgen Frau Weiß, hier ist die Polizei. Ist bei Ihnen alles in Ordnung? Machen Sie bitte sofort die Tür auf und lassen uns in die Wohnung!“ Dies wiederholt POK A zweimal. Es erfolgt keine Reaktion aus der Wohnung, Geräusche sind nicht zu vernehmen.

Daraufhin fordert PK B über die Leitstelle einen Schlüsseldienst an, nachdem POK A neuerlich die Aufforderung, die Tür zu öffnen, gerufen hat – diesmal ergänzt dadurch, dass ansonsten ein Schlüsseldienst auf Kosten der W die Tür öffnen werde. Der Schlüsseldienst „Key“ öffnet um 7.17 Uhr die Tür der Wohnung Weiß. POK A und PK B gehen in die Wohnung und schauen – an der Eingangstür beginnend – in jeden Raum. Im Wohnzimmer treffen sie auf einen jungen Mann, der noch versucht, sich hinter einer Gardine zu verbergen. Eine Tür eines Schrankes ist geöffnet, zahlreiche Akten, Abrechnungen, Kontoauszüge, Bargeld und auch Schmuckstücke liegen ausgebreitet auf dem Wohnzimmertisch. PK B fordert den jungen Mann auf, sich auszuweisen und nach erfolgter Belehrung zu erklären, was er in der Wohnung mache und wie er hereingekommen sei. Nachdem der junge Mann keinerlei Reaktion zeigt, sich in einen Sessel fallen lässt und zu weinen beginnt, fordert PK B den jungen Mann auf, aufzustehen und sich durchsuchen zu lassen. Dem folgt der junge Mann schließlich.

Bei der Durchsuchung findet PK B einen Personalausweis auf den Namen Frederic Weiß sowie einen Fahrzeugschein, einen Fahrzeugschlüssel und auch den Schlüssel zur Wohnung der Frau Weiß (POK A hat das überprüft). Nachdem PK B nun den jungen Mann erneut fragt, was er in der Wohnung mache und wo Frau Weiß sei, beginnt er wieder zu weinen und erklärt, er habe seine Großmutter vor drei Tagen in ein Café eingeladen, abgeholt, dann aber in seine Wohnung gebracht. Er habe sie dort festhalten wollen, um in Ruhe aus der Wohnung der Großmutter Wertgegenstände entwenden zu können. Sie habe aber schnell seine eigentlichen Absichten erkannt und sich fürchterlich aufgeregt. Sie sei plötzlich zusammengebrochen – er habe noch versucht, ihr zu helfen, sie sei aber offenbar sofort tot gewesen. Sie läge noch immer in der Küche seiner Wohnung. Er sei dann heute ganz früh in diese Wohnung gefahren. Den Rest sähen die Beamten ja.

Aufgaben

1. Prüfen Sie gutachterlich das Eindringen in die Wohnung der Frau Weiß (W).
2. Prüfen Sie gutachterlich die Durchsuchung des jungen Mannes (M).