Musterklausur Verkehrsstraftaten und Verkehrsunfallflucht

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Der vorliegende Lösungsvorschlag für eine verkehrsrechtliche Klausur bezieht sich auf typische Aufgabenstellungen des Bachelorstudiengangs Polizeivollzugsdienst an der HSPV NRW, Modul HS 2. Den Schwerpunkt bildet die (verkehrs-)strafrechtliche Lösung des Sachverhaltes im gutachterlichen Stil. Die in dieser Musterlösung eingefügten Quellenverweise sind üblicherweise nicht von den Anforderungen an eine Klausurlösung erfasst.

Sachverhalt

Am 18.4.2022 gegen 23.40 Uhr befährt der 28-jährige (K) mit seinem Kraftrad der Marke Kawasaki (Hubraum: 1287 ccm, Leistung: 126 KW) die außerhalb geschlossener Ortschaften (a. g. O.) gelegene Waldstraße, die durchgängig jeweils einen Fahrstreifen für jede Fahrtrichtung aufweist, wobei die Fahrstreifen durch eine ununterbrochene Linie (Vz. 295) voneinander getrennt sind. Die Fahrbahn ist beidseitig jeweils durch Vz. 295 begrenzt. Seitenstreifen oder Beleuchtung gibt es nicht. Auf beiden Seiten befinden sich in ca. 1 bis max. 2 m Abstand zur Fahrbahnkante Bäume bzw. Sträucher, über die man von der Fahrbahn aus nicht hinwegblicken kann.

Nachdem (K) die Ortsgrenze (Vz. 311) von D-Stadt passiert hat, beschleunigt er sein Kraftrad auf 130 km/h und behält diese Geschwindigkeit durchgängig bei. Die Waldstraße verläuft für ca. 1,5 km gerade, bevor sie in eine lang gezogene, sich jedoch in Fahrtrichtung des (K) vom Radius her verengende Rechtskurve mündet. Ca. 200 m vor Kurvenbeginn sind in Fahrtrichtung des (K) Vz. 103 („Kurve“) mit dem Zusatzzeichen „gefährliche Kurve“ sowie Vz. 274 („Zulässige Höchstgeschwindigkeit: 70 km/h“) auf beiden Fahrbahnseiten deutlich sichtbar aufgestellt. Ab Kurvenbeginn ist am kurvenäußeren Fahrbahnrand eine Schutzplanke aufgestellt, am Kurvenbeginn verdeutlicht Vz. 625 (Richtungstafel) den Kurvenbeginn. Das Vz. 625 wird in aufgelöster Form während des gesamten Kurvenverlaufs mit Abständen von ca. 30 m wiederholt. Die Fahrbahn lässt sich ab Kurvenbeginn maximal 130 m weit einsehen – diese Sichtweite reduziert sich im weiteren Verlauf der Kurve.

(K) fährt unter Beibehaltung der Geschwindigkeit von 130 km/h in die Kurve ein. Durch die auftretenden Fliehkräfte gerät er schon zu Beginn der Kurve über die ununterbrochene Linie hinweg auf den für den Gegenverkehr vorgesehenen Fahrstreifen. Etwa in Kurvenmitte erkennt (K) den Pkw (B), der außer dem Fahrer noch mit zwei weiteren Personen besetzt ist und ihm mit den zulässigen 70 km/h entgegenkommt. (K) versucht, durch Bremsen und Lenken auf die rechte Fahrspur zu gelangen. Dabei verliert er die Kontrolle über sein Kraftrad und stürzt. Im Anschluss rutschen das Kraftrad und (K) voneinander getrennt über die Fahrbahn. Während die Rutschbewegung des (K) kurz vor dem Fahrbahnrand endet, prallt das Kraftrad gegen die Schutzplanke, wird abgewiesen und bleibt in etwa mittig des von (B) genutzten Fahrstreifens liegen.

(B) leitet, sofort als er den entgegenkommenden (K) erkennt, eine Vollbremsung ein und kann unter größter Anstrengung und Unterstützung des ABS seinen Pkw in der Richtung halten und zum Stillstand bringen. Der Pkw kommt – ohne Zusammenstoß – wenige Zentimeter vor dem liegenden Kraftrad zum Stehen. (K), der trotz des Rutschens über die Fahrbahn unverletzt bleibt, steht auf und läuft durch die am Fahrbahnrand befindliche Bepflanzung über die dahinterliegenden Felder zu seinem nahegelegenen Wohnort. Dort wird er ca. 30 min. nach dem Vorfall durch die Polizei angetroffen.

Nach erfolgter Belehrung macht (K) keine Aussage zur Sache. Während des Gesprächs mit (K) an der Wohnungstür fällt den eingesetzten Beamten jedoch ein im Flur liegender Motorradkombi auf, der frische, massive Beschädigungen aufweist, wie sie beim Rutschen über eine Fahrbahn entstehen. Durch erste Ermittlungen kann festgestellt werden, dass (K) allein dort wohnt. Da den Beamten in der Atemluft des (K) Alkoholgeruch auffällt, wird ein Atemalkoholtest durchgeführt, der mit einem Ergebnis von 0,28 mg/l positiv verläuft. (K) wird zur Entnahme einer Blutprobe der Polizeiwache zugeführt. Aufgrund von Wahrnehmungen der Beamten und des Arztes wird die Blutprobe bzw. -untersuchung auf Betäubungsmittel ausgeweitet. Darüber hinaus wird festgestellt, dass die linke Hand des (K) von den ersten Fingergliedern bis unterhalb des Ellenbogens einen Gipsverband aufweist, der schon vor dem oben beschriebenen Ereignis vorhanden war. Das Ergebnis der Blutprobe bestätigt das Ergebnis des Atemalkoholtestes, darüber hinaus wird Cannabis-Konsum in erheblicher Menge nachgewiesen.

Hinweise

  • Öffentlicher Verkehrsraum ist als gegeben zu unterstellen.
  • Auf die mögliche Verwirklichung von Ordnungswidrigkeiten ist nicht einzugehen.

Aufgabe

Prüfen Sie das Verhalten des (K) gutachterlich aus verkehrsrechtlicher Sicht.