Repetitorium Strafrecht AT: Vergehen oder Verbrechen?

Diese Reihe „Repetitorium“ soll einige Grundlagen des Strafrechts und Strafprozessrechts in das Gedächtnis zurückrufen, weist auf Neuregelungen hin und bietet damit die Gelegenheit, vorhandenes Wissen zu überprüfen  und zu aktualisieren. Eine kurze Einführung in das Thema frischt vorhandenes Wissen auf. Literaturhinweise ermöglichen eine weitergehende Vorbereitung. Die Arbeitsblätter geben zudem zu Beginn eine Ausfüllhilfe in  Form von vorausgefüllten Spalten (Beispiele). Danach folgen die Aufgaben. Den Abschluss bildet ein Fall, der besonders schwierig ist, oder aufzeigt, dass weitere Ermittlungen notwendig sind, um den Fall eindeutig zu  lösen.

Einführung in das Thema „Vergehen oder Verbrechen?“

Straftaten können in vielfältiger Weise geordnet oder katalogisiert werden, z. B. nach dem geschützten Rechtsgut in Eigentumsdelikte, Vermögensdelikte, Delikte gegen die Person usw. Eine sehr wichtige Unterscheidung betrifft die Unterscheidung zwischen Verbrechen und Vergehen. Umgangssprachlich bedeutet das Wort „Verbrechen“ oftmals dasselbe wie „Straftat“, z. B. in dem Wort „Verbrechensbekämpfung“ oder „Verbrecher“. Für das Strafgesetzbuch (StGB) hat der Gesetzgeber eine engere Definition in das StGB selbst hineingeschrieben, nämlich in § 12 Abs. 1 StGB. Eine solche Definition durch Gesetzestext heißt Legaldefinition. Sie ist bindend für alle Fälle, in denen die Begriffe „Verbrechen“ und „Vergehen“ im StGB verwendet werden.

Lesen Sie bitte jetzt § 12 Abs. 1 StGB (Legaldefinition Verbrechen) und § 12 Abs. 2 StGB (Legaldefinition Vergehen) und § 12 Abs. 3 StGB (Anwendungshinweise).

§ 12 Abs. 1 und Abs. 2 StGB sind leicht zu verstehen. Maßgeblich ist die Strafe, die im Gesetz angedroht wird (abstrakte Strafe), nicht die konkrete Strafe, die im Einzelfall schuldangemessen wäre. Eine Straftat kann  entweder ein Verbrechen oder ein Vergehen sein. Die Begriffe schließen sich gegenseitig aus. Eine Mischform gibt es nicht. § 12 Abs. 3 StGB bestimmt, dass für die Einteilung als Verbrechen bzw. Vergehen immer der  Normalfall“, also der Grundfall der Straftat zählt. Das kann das Grunddelikt sein (z.B. Diebstahl gemäß § 242 Abs. 1 StGB) oder eine Qualifikation, also ein Delikt, welches weitere Tatbestandsmerkmale enthält und dadurch selbständig wird. Diebstahl mit Waffen gemäß § 244 Abs. 1 Nr. 1 StGB ist z.B. eine Qualifikation des Diebstahls. Die Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB ist aufgrund ihres Strafrahmens ein Vergehen. Die gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 StGB ist zwar eine Qualifikation, aber aufgrund ihres Strafrahmens ebenfalls ein Vergehen. Dagegen ist die Qualifikation der schweren Körperverletzung gemäß § 226 StGB ein Verbrechen.

Raub gemäß § 249 Abs. 1 StGB hat sich als Deliktstyp so verselbständigt, dass auch hier aufgrund der Mindeststrafe „nicht unter einem Jahr“ ein Verbrechen vorliegt, obwohl der Tatbestand sowohl einen Diebstahl als auch eine Körperverletzung oder eine Nötigung enthält. Ein minder schwerer Fall oder ein besonders schwerer Fall ändert nichts an der Zuordnung. Regelbeispiele beschreiben nur Umstände, die das Gericht veranlassen, die Strafe zu mildern oder zu erhöhen. Es handelt sich bei Regelbeispielen nicht um selbständige Delikte, sondern nur um „Strafzumessungserwägungen“. Ein typisches Beispiel für Regelbeispiele enthält § 243 StGB für den Diebstahl im besonders schweren Fall (Grunddelikt § 242 Abs. 1 StGB). Regelbeispiele erkennt man am Wortlaut „…in der Regel…“. Hier einige Beispiele der Einordnung als Vergehen oder Verbrechen mit Begründung:

Unterscheidung zwischen Vergehen und Verbrechen

Literatur

Einen guten Überblick über die Deliktskategorien bietet der zweiteilige Aufsatz von Baur, Tatbestandstypenlehre und ihre Bedeutung für die Fallbearbeitung, ZJS 2017, S. 5ff (Teil 1) und S. 655ff (Teil 2). Vergehen und  Verbrechen behandelt Baur zu Beginn von Teil 1.

Arbeitsblatt „Vergehen oder Verbrechen?“

Bitte ergänzen Sie die Tabelle. Zitieren Sie die Norm genau mit Absatz und ggf. auch Satz oder Nummer. Nutzen Sie ggf. das Sachverzeichnis Ihres StGB. Bei „Vergehen oder Verbrechen?“ reicht es aus, das Ergebnis zu nennen. Begründen Sie nur, wenn Sie es für notwendig erachten.

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