Tätowierungen bei Polizisten am Beispiel des Landes Nordrhein-Westfalen

von Dr. phil. Manfred Reuter, Polizei Rhein-Sieg-Kreis

Seit etwa zwei Jahren ist in der Öffentlichkeit eine verstärkte Diskussion darüber, ob bei Polizisten Tätowierungen vom Dienstherrn zugelassen bzw. akzeptiert werden sollten, zu verfolgen.

So stellte beispielsweise der Abgeordnete Stefan Zimkeit von der SPD 2018 eine diesbezügliche Kleine Anfrage an die Landesregierung von NRW.  Danach durften seit Januar in Berlin Polizeibeamte ihre Tätowierungen auch offen tragen, soweit diese nicht gegen gesetzliche Bestimmungen verstießen. Das Land NRW habe gegen ein Urteil des VG Düsseldorf, welches den Ausschluss eines Polizeibewerbers aus dem Auswahlverfahren wegen eines größeren Tattoos für unzulässig erklärte, Berufung eingelegt. Der Abgeordnete forderte ein einheitliches Vorgehen innerhalb der gesamten Landesverwaltung von NRW.

Die Landesregierung stellte in ihrer Antwort fest, dass es im Bereich der Landesverwaltung nur für den Bereich des Polizeivollzugsdienstes Vorgaben bezüglich des offenen Tragens von Tattoos gebe. Für den Schulbereich gelte die sog. Neutralitätspflicht gem. § 2 VIII des Schulgesetzes, wonach Lehrkräfte keine politischen, religiösen, weltanschaulichen oder ähnliche Bekundungen abgeben dürfen, die den Schulfrieden gefährden oder stören. Eine Regelung für alle Landesbeamten wäre derzeit geplant.

Im Nachfolgenden soll vor diesem Hintergrund die in NRW für den Organisationsbereich der Polizei vertretene Rechtsauffassung der Landesregierung mit der aktuellen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte konfrontiert werden.

1. Die Rechtsauffassung der Landesregierung

1.1 Rechtsgrundlagen

Einerseits hat jede, also auch die beamtete Person, aus Artikel 2 I GG das Recht auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit. Danach kann sie grundsätzlich tun und lassen, was sie will. Es steht ihr also auch frei, sich für oder gegen eine Tätowierung zu entscheiden. Eine Einschränkung dieser Handlungsfreiheit ist allerdings u.a. bei einem Verstoß gegen die verfassungsmäßige Ordnung möglich. Damit ist nicht nur die Verfassung im eigentlichen Sinne, sondern es sind alle Normen, die formell oder materiell mit der Verfassung in Einklang stehen, gemeint. Dazu zählen beispielsweise auch die Strafgesetze oder die Beamtengesetze.

Andererseits sind die beamtenrechtlichen Pflichten im § 33 ff. des Beamtenstatusgesetzes geregelt. Vor diesem Hintergrund wäre dann zu prüfen, inwieweit das Tragen eines Tattoos mit diesen Pflichten vereinbar ist.  Ein solcher Körperschmuck ist dann vor dem Hintergrund der Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten gem. § 34 S. 3 i.V.m. der Gehorsamspflicht aus § 35 Beamtenstatusgesetz zu beurteilen.  Danach muss das äußere Erscheinungsbild des Polizisten das Vertrauen der Bürger in eine neutrale und seriös auftretende Polizei schützen.

Die erforderliche Abwägung zwischen diesen rechtlichen Grundlagen hat der Dienstherr für jeden konkreten Einzelfall vorzunehmen. Dies gilt im Übrigen nicht nur für Tattoos, sondern für Körperschmuck insgesamt. Körperschmuck in diesem Sinne sind alle nicht medizinischen Körpermodifikationen, die – überwiegend permanent – den Körper verändern, z.B. Tätowierungen, Piercings inkl. Flesh Tunneln, Flesh Plugs, Skarifikationen wie Cuttings oder Brandings, Implantate und das Spalten der Zunge.  Körperschmuck ist als Zeichen der Individualität bei Polizisten seitens der Landesregierung auch weiterhin grundsätzlich nicht erwünscht.

Hierzu habe das Bundesverwaltungsgericht in einem bis heute grundlegenden Urteil  festgestellt, dass bei dienstlichen Einschränkungen zum Tragen von Körperschmuck die freie Entfaltung der Persönlichkeit gem. Art. 2 I GG, sowie über die persönliche Eignung der Zugang zu einem öffentlichen Amt gem. Art. 33 II GG sowie die Berufsfreiheit gem. Art. 12 I GG tangiert ist. Eine solche Maßnahme könne daher nur verhältnismäßig sein, wenn sie geeignet und erforderlich ist, die mit der Uniform zu fördernde Zielsetzung zu wahren und dabei die Grenze des individuell Zumutbaren wahre. Dabei obläge der Behörde allerdings ein weiter Ermessenspielraum, der gerichtlich nur begrenzt nachprüfbar ist.

1.2 Auswahl/Einstellung von Polizisten

Für die Auswahl und Einstellung potentieller Bewerber hat das Ministerium eine landeseinheitliche Regelung in einem ausführlichen Erlass festgelegt.  Für diesen Bereich gibt es auch eine Vielzahl an gefestigter Rechtsprechung. So hat das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht letztmalig in 2016 keine rechtlichen Bedenken gegen die bestehende Erlassregelung der Polizei in NRW geltend gemacht.  Dabei sind zwei Konstellationen zu berücksichtigen: Körperschmuck kann einen absoluten bzw. einen relativen sog. Eignungsmangel darstellen.

a) absoluter Eignungsmangel

Ein solcher führt danach zwingend zum Ausschluss aus dem Auswahlverfahren.

a.a) Verletzungsgefahr

Sie liegt vor, „(…) wenn durch einen Körperschmuck – auch noch nach seiner (soweit möglichen) Entfernung während des Dienstes – eine Verletzungsgefahr in polizeilichen Einsatzsituationen dennoch erhöht oder sogar erst begründet wird (…).“

a.b) Verfassungswidrigkeit und/oder Diskriminierung

Hier besteht die Gefahr einer Ansehensschädigung für die Institution Polizei. In Zweifelsfällen muss daher zu Lasten des Bewerbers entschieden werden. Dazu zählt Körperschmuck, der Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen, wie Symbole, Fahnen oder Parolen, darstellt oder damit verwechselt werden könnte. Es dürfen keine Zweifel an der Verfassungstreue des Polizisten aufkommen.  Aber auch Körperschmuck, der den Handlungsleitlinien der Polizei NRW zur Gleichstellung, Chancengleichheit, zum Schutz vor Diskriminierung und zur Anerkennung individueller Differenz widerspricht, fällt hierunter. Der Körperschmuck ist dann beispielsweise rechts- oder linksradikal oder allgemein extremistisch, sexistisch oder frauenfeindlich oder allgemein entwürdigend/und oder diskriminierend, verherrlicht Gewalt oder verletzt die Menschwürde. Diese Sichtweise wird auch vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof geteilt.  Dabei ist es unerheblich, ob sich der Körperschmuck im sichtbaren oder unsichtbaren Bereich des Körpers befindet.

b) relativer Eignungsmangel

Sofern kein absoluter Eignungsmangel gegeben ist, ist das Vorliegen eines relativen Eignungsmangels zu prüfen. Körperschmuck ist als Zeichen der Individualität im sichtbaren Bereich grundsätzlich nicht erwünscht.  Die Differenzierung erfolgt anhand der „Sommeruniform“, die über das Tragen des kurzärmeligen Hemdes bzw. der Bluse definiert ist. Sichtbar ist ein Körperschmuck danach, wenn er beim Tragen der Sommeruniform nicht abgedeckt wird. Ist dies der Fall, gilt er als nicht sichtbar. Die sich insbesondere aus der Uniform ergebende Legitimation und Autorität des Beamten dürfen durch den jeweiligen Körperschmuck nicht beeinträchtigt sein und die Neutralitäts- und Repräsentanzfunktion darf dadurch nicht in Frage gestellt sein. Körperschmuck darf daher maximal die durchschnittliche Größe eines Handtellers, ca 12 x 12 cm, haben. Allein seine Größe kann, unabhängig vom Inhalt, also bereits zum Ausschluss führen. Dies sieht in Bezug auf die Größe auch der Hessische Verwaltungsgerichtshof so.  Der Körperschmuck muss zudem dezent sein, also sich z.B. in versteckter bzw. wenig sichtbare Lage (Innenseite Arm, Handgelenk) befinden und keine Botschaft transportieren oder zumindest weltanschaulich neutral sein. Er darf nicht Ausdruck überzogener Individualität sein, der die Toleranz anderer übermäßig beansprucht. Positiv können beschieden werden:

  • nach fachlicher Bewertung des LKA: unverdächtige Zahlen, Buchstaben oder Namen mit nachweislich rein privatem Hintergrund
  • kleinere Blumenmotive oder abstrakte Ornamente, sog. Tribals
  • Herzchen, Sterne, Pfeile, Pfotenabdrücke
  • kurzer, aus wenigen Worten bestehender Sinnspruch.

Beim relativen Eignungsmangel bedarf es immer einer Gesamtwürdigung im Hinblick auf Auffälligkeit und Größe des Körperschmucks.

1.3 Eingestellte Polizisten

Während die Körperschmuck-Problematik in Bezug auf Polizeibewerber damit umfassend geregelt ist, sucht man nach einer entsprechenden Regelung für bereits eingestellte Polizisten vergebens. Der besagte Erlass sagt dazu nichts aus. Erste Hinweise finden sich jedoch in der bereits zitierten Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Zimkeit. Hier wird u.a. auf eine empirische Untersuchung der Polizei in Rheinland-Pfalz verwiesen, in der festgestellt wurde, dass die positive Wirkung der Uniform in Bezug auf Vertrauen, Respekt und Kompetenzzuschreibung beim Bürger nachlässt und sich ggf. ins Gegenteil verkehrt, umso mehr sich der Beamte individualisiert.

Daher liegt es nahe, die für Einstellungen getroffenen Regelungen auch auf bereits im Dienst befindliche Polizisten analog anzuwenden. Wenn ein Bewerber aufgrund seines Körperschmuckes nicht für den Polizeidienst geeignet ist, so kann er aus dem gleichen Grunde auch für die weitere Verwendung im Polizeidienst bzw. in bestimmten Sparten des Polizeidienstes nicht mehr geeignet sein. Denn die oben bereits benannten §§ 34 und 35 BeamtStG gelten erst recht für bereits eingestellte Beamte. Allerdings müsste man dann zwischen Beamten die Uniform tragen und denjenigen, die keine tragen, differenzieren. „Diese Gesichtspunkte (der Untersuchung in Rheinland-Pfalz, d. Verf.) lassen sich auf Dienstkräfte, die keine Uniformträger sind, nicht ohne weiteres übertragen.“  Hier wiege bei Nicht-Uniformträgern das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit stärker, als dies bei Uniformträgern der Fall ist.

Danach wäre beispielsweise der Körperschmuck tragende Kriminalpolizist grundsätzlich anders zu beurteilen als der Schutzpolizist. Dies mag auf Polizeien zutreffen, die eine strikte Trennung zwischen den Polizeisparten, zumeist zwischen Schutz- und Kriminalpolizei, haben, so dass ein Spartenwechsel nicht oder nur mit Zustimmung des Beamten möglich ist. In NRW gibt es diese strikte Trennung jedoch nicht. Ein jederzeitiger Spartenwechsel, beispielsweise von der Kripo in die Schutzpolizei, ist auch ohne Zustimmung des Beamten, sofern dies aus dienstlichen Gründen notwendig ist, möglich. Dann könnte aber beispielsweise ein stark an den Unterarmen tätowierter Beamter der Kriminalpolizei nicht mehr bei der Schutzpolizei verwendet werden. Selbst dann, wenn dies aus dienstlichen Gründen zwingend notwendig wäre. Hier würden ja seine Tätowierungen beim Tragen der Sommeruniform für jedermann, also auch den Bürger sichtbar.

Das Überdecken durch ein langes Hemd stellt keine Alternative dar. Denn es obliegt alleine dem Dienstherrn festzulegen, wie eine einheitlich zu tragende Uniform auszusehen hat.  Zur Sommeruniform ist das Tragen des kurzen Hemdes bzw. der kurzen Bluse angeordnet. Kann ein Polizist aufgrund seines Körperschmuckes die Sommeruniform nicht mehr tragen, so stellt sich allerdings in Konsequenz die Frage nach seiner Polizeidiensttauglichkeit. Nach gefestigter Rechtsprechung setzt diese Polizeidiensttauglichkeit voraus, dass ein Beamter zu jeder Zeit, an jedem Ort und in jeder seinem statusrechtlichen Amt entsprechenden Stellung, ohne Rücksicht darauf, ob der Einsatz im Innen- oder Außendienst oder in der Schutz- oder Kriminalpolizei erfolgt, einsetzbar ist.  Dies wäre für den so tätowierten Beamten, mit allen rechtlichen Konsequenzen,   nicht mehr möglich.

2. Die Rechtslage nach der neuesten Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte

Wurde diese Rechtsauffassung der Landesregierung bis 2016 von den Gerichten bestätigt, so hat sich das mittlerweile geändert. So vertritt beispielsweise das Verwaltungsgericht Düsseldorf hinsichtlich großflächiger Tätowierung eine abweichende Sichtweise.  So bestünden durchgreifende Zweifel daran, dass alleine die großflächige Tätowierung an der Innenseite des Unterarms das seriöse und neutrale Auftreten beeinträchtigen soll. Dies wäre bislang in keiner Weise belegt. „(…) vielmehr kann eine Erscheinungsform erst dann als unkorrekt oder unseriös gelten, wenn so auftretende Personen von weiten Teilen der Bevölkerung ausgegrenzt werden oder ihnen doch Vorbehalte der Art begegnen, die erwarten lassen, dass sie bei der Amtsausführung nicht ernst genommen werden oder ihnen das dabei erforderliche Vertrauen nicht entgegengebracht wird (Hervorhebung durch die Kammer). Nur unter diesen Voraussetzungen können uniformierte Polizeibeamte verpflichtet werden, auf ein bestimmtes Erscheinungsbild zu verzichten.“  Das Land hat gegen das Urteil Rechtsmittel eingelegt.

Als weiteren Beleg für seine Sichtweise führt das VG Düsseldorf an, dass alleine die Größe der Tätowierung bei der Bundespolizei kein absolutes Einstellungshindernis mehr darstellt.  Dagegen hatte bislang das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen für solche Fälle den Gleichheitsgrundsatz als nicht einschlägig angesehen, da dieser nur für das jeweilige Land bzw. den Bund gelte. Andere Bundesländer oder der Bund könnten diese Sachverhalte durchaus voneinander abweichend regeln.

Mittlerweile vertritt aber auch das Oberverwaltungsgericht eine abweichende Rechtsauffassung.  In einem Verwaltungsstreitverfahren wegen Ausschluss einer Bewerberin vom Auswahlverfahren aufgrund großflächiger Tätowierungen haben sowohl die Vorinstanz, das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, als auch das OVG im Beschwerdeverfahren, diesen als rechtswidrig bewertet. Der ermessensbindende Erlass des MIK von 2013 genüge nicht den neuerdings vom Bundesverwaltungsgericht  aufgezeigten Anforderungen. Die vom Ministerium im Verfahren vor dem OVG vorgetragenen zahlreichen Gegenargumente, werden in dem OVG-Urteil dabei überzeugend widerlegt.

In besagtem Urteil des BVerwG, das sich mit der Rechtmäßigkeit einer Entfernung aus dem Dienst der Berliner Polizei wegen Tätowierungen mit verfassungsfeindlichen Inhalt befasst, werden folgende wesentliche Gesichtspunkte für Tätowierungen im Allgemeinen dargelegt:

Tätowierungen, die gegen Strafgesetze verstoßen, oder „verfassungsfeindliche Tätowierungen“ sind immer unzulässig: „Ein Beamter, der sich mit einer Auffassung, die der Werteordnung des Grundgesetzes widerspricht, derart identifiziert, dass er sie sich in die Haut eintätowieren lässt, ist nicht tragbar.“  Dabei ist es unerheblich, ob sich die Tätowierung beim Tragen der Dienstkleidung im sichtbaren Körperbereich befindet oder nicht und ob es eine gesetzliche oder erlassmäßige Reglementierung im Bundesland gibt.

Das Verbot von Tätowierungen greift in das gewährte Persönlichkeitsrecht des Beamten gem. Art. 2 I GG ein  und bedarf daher einer hinreichend bestimmten Ermächtigung durch den Gesetzgeber (sog. Parlamentsvorbehalt). Denn anders als dies bei der Dienstkleidung oder Schmuckstücken der Fall ist, wird dadurch auch in die private Lebensführung des Beamten eingegriffen.  An der bislang in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung, dies über die generelle Befugnis zur Regelung der Dienstkleidung zu tun, hält das Gericht nicht mehr fest: „Wie bei der Einschätzung, welche rechtlichen Grundlagen für die Vorgabe von Einstellungshöchstaltersgrenzen erforderlich sind, stellt sich auch im Hinblick auf die Reglementierung des zulässigen Ausmaßes von Tätowierungen bei Beamten die Frage der Wesentlichkeit und damit der Ermächtigungsgrundlage unter dem zwischenzeitlich aktualisierten Blickwinkel anders dar als noch vor einigen Jahren (…).“

„Für bereits ernannte Beamte bilden diese zu verfassende gesetzlichen Regelungen die Grundlage für Weisungen, keine derartigen Tätowierungen im Dienst zu tragen (…).“  Die ggf. erfolgende Aufforderung, Tätowierungen zu beseitigen, würde zudem in das Recht auf körperliche Unversehrtheit gem. Art. 2 II Satz 1 GG eingreifen. Dabei wäre zu berücksichtigen, ob die Tätowierung im Dienst ggf. praktikabel abzudecken ist.

Die bestehenden Reglementierungen in Erlassform zur Dienstkleidung ersetzen das Parlamentsgesetz nicht. Die ablegbare Dienstkleidung erfasst schon vom Wortlaut her nicht die untrennbar mit dem Körper verbundene Tätowierung. Auch war eine diesbezügliche Regelung nicht Ansinnen des Erlassgebers bei der Festlegung der Dienstkleidung. Das Gesetz muss eine parlamentarische Leitentscheidung für die Grenzen einer zulässigen Tätowierung, z.B. beim Tragen der Uniform im „sichtbaren“ Bereich sowie Maßstäbe, Inhalt, Art und Ausmaß von Tätowierungen festlegen.

Der ausstehenden gesetzlichen Regelung liegt eine gesellschaftliche Fragestellung zu Grunde, die in einer „öffentlicher Debatte“ zu klären wäre. Tätowierungen tangieren die Repräsentations- und Neutralitätsfunktion des Beamten als Amtsträger bzw. seiner Uniform. Ob und wann sie geeignet sind, diese zu beeinträchtigen, wird von allgemeinen gesellschaftlichen Anschauungen bestimmt, die sich im Laufe der Zeit wandeln können. Sie sind daher aktuell zu prüfen. Ob das exponierte Vorhandensein von Tätowierungen und das beim Tragen der Uniformen sichtbare Vorhandensein akzeptabel sind, bedarf somit einer normativen parlamentarischen Leitentscheidung aufgrund aktueller Erkenntnisse. Das alleinige „Haben“ von Tätowierungen stellt daher noch keine Pflichtwidrigkeit dar.

3. Fazit

Dieser kurze Exkurs hat gezeigt, dass Tätowierungen mehr als nur eine individuelle Entscheidung von Beamtenbewerbern bzw. Beamten sind. Diese Entscheidung kann ggf. schwerwiegende beamtenrechtliche Konsequenzen initiieren.

Vor dem Hintergrund der geänderten Rechtsprechung des Bundes- und des Oberverwaltungsgerichtes NRW ist nunmehr der Gesetzgeber gefordert. Die derzeitige Erlassregelung bedarf einer Übertragung in Gesetzesform, wobei die vom Bundesverwaltungsgericht herausgearbeiteten Grundsätze als Leitlinien dienen können. Das Gesetz bedarf „(…) einer hinreichend bestimmten parlamentarischen Leitentscheidung hinsichtlich der Maßstäbe für Inhalt, Art und Ausmaß (…)“  der akzeptablen bzw. nicht akzeptablen Tätowierungen für Polizisten. „Eine gesetzliche Regelung sämtlicher Details ist damit nicht zwingend geboten.“  Dies könnte durchaus in Form eines Erlasses oder einer Verwaltungsvorschrift erfolgen.

Dabei wäre neben den Einstellungsfällen auch der Umgang mit bereits im Dienst befindlichen Polizisten zu regeln. Gerade diese Fälle kommen in der Praxis immer häufiger vor.

Neben rechtlichen und verfahrenstechnischen Grundsätzen sollten dabei im Erlass bzw. der Verwaltungsvorschrift verschiedene praxisrelevante Konstellationen berücksichtigt werden:

  • Festlegung einer Anzeigepflicht für den Beamten bei geplanten Tätowierungen im sichtbaren Bereich?
  • Festlegung einer Meldepflicht für den Beamten bei bereits vorhandenen Tätowierungen im sichtbaren Bereich?
  • Ein Beamter zeigt eine von ihm geplante Tätowierung an.
  • Der Vorgesetzte stellt fest, dass sich ein Beamter ohne vorherige Anzeige hat tätowieren lassen.
  • Wie soll mit „Altfällen“ verfahren werden?