Verbot von Corona-Demos
Das Versammlungsrecht im Wandel der Pandemie
von PD Michael Wernthaler, Polizeipräsidium Ludwigsburg
Mit fortschreitender Pandemie und fortgesetzter Missachtung der Hygiene- und Abstandsregeln durch die Versammlungsteilnehmer, insbesondere bei den sogenannten „Querdenker-Demos“, verfügten die Versammlungsbehörden Versammlungsverbote, die vor den Verwaltungsgerichten Bestand hatten. Der Beitrag erläutert vor diesem Hintergrund die Argumentation für eine Verbotsverfügung.
Aus der Auflage zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung (MNB) wird ein Verbot
Die Initiative „Querdenken 621 – Mannheim“ hatte für Sa., den 5.12.2020 eine Versammlung mit Aufzug angekündigt, die die Stadt MA mit mehreren Auflagen am 2.12.2020 genehmigte, u.a. die Begrenzung der maximalen Teilnehmerzahl auf 200 und das konsequente Tragen einer MNB. Da der Antragsteller weiterhin insbesondere in den sozialen Netzen zur zahlreichen „maskenlosen“ Teilnahme an der Demo aufrief, verbot die Stadt MA die Versammlung mit Verweis auf durch die Uneinsichtigkeit gegebene gesteigerte Infektionsgefahr während der Demonstrationsgeschehen. Gegen beide Bescheide richtete sich die Klage des Antragstellers vor dem VG Karlsruhe mit dem Antrag, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs wiederherzustellen.
Das VG Karlsruhe befand den Antrag für zulässig, jedoch unbegründet und führte hierzu aus:
Das (sofortige) Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin (Stadt MA) überwiegt das Suspensivinteresse des Antragstellers (Anmelder), da die Untersagung der angemeldeten Versammlungen sowie jeder weiteren Versammlung im Stadtgebiet von MA der Eindämmung einer erheblichen Infektionsgefahr durch den Covid-19-Virus dient. Unerheblich ist hierbei, ob als Rechtsgrundlage für die Verbotsverfügung die §§ 28 Abs. 1 Satz 1 und 2, 28a Abs. 1 Nr. 10 IfSG i.Vm. § 11 Abs. 3 Corona-VO alleine[2] oder nur in Verbindung mit § 15 Abs. 1 VersammlG[3] oder aber unabhängig davon alleine § 15 Abs. 1 VersammlG[4] heranzuziehen sind, da die tatbestandlichen Voraussetzungen all dieser Vorschriften nach Ansicht des VG KA erfüllt sind.
Die Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 28 Abs. 1 Satz 1 und 2, 28a Abs. 1 Nr. 10 IfSG i.Vm. § 11 Abs. 3 Corona-VO i.d.F. v. 30.11.2020 liegen vor. Demnach kann die zuständige Behörde unter anderem Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen von Menschen beschränken (Satz 1) oder verbieten (Satz 2), da bei Menschenansammlungen Krankheitserreger besonders leicht übertragen werden können.[5] Die Regelung des § 28a Abs. 1 Nr. 10 IfSG sieht zudem ausdrücklich vor, dass die Untersagung von Versammlungen eine notwendige Schutzmaßnahme i.S.d. § 28 Abs. 1 Satz 1 u. 2 IfSG sein kann.[6] Des Weiteren können nach § 11 Abs. 3 Corona-VO Versammlungen verboten werden, sofern der Schutz vor Infektionen anderweitig, insbesondere durch Auflagen, nicht erreicht werden kann.
Der SARS-CoV-2-Virus, so das VG KA, ist eine übertragbare Krankheit i.S.d. IfSG. Des Weiteren wurden im Stadtgebiet von MA mit Stand vom 3.12.2020 bereits 5.372 mit dem o.g. Virus infizierte Personen festgestellt. Die 7-Tages-Inzidenz lag bei 221,8 und war damit die dritthöchste in Baden-Württemberg.
Auch den Tatbestand des § 15 Abs. 1 VersammlG sah das VG KA gegeben. Eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung lag aufgrund der o.a. Inzidenzwerte vor. Des Weiteren war die öffentliche Sicherheit durch die erwartete Missachtung der Auflagen nach § 15 Abs. 1 u. 2 VersammlG bedroht, das gleiche galt für die vollziehbaren Anordnungen nach § 28 Abs. 1 Satz 1 o. 2 IfSG. Durch den Internetaufruf des Anmelders war weder auf die begrenzte Teilnehmerzahl von maximal 200 Personen, noch auf sonstige Auflagen hingewiesen worden. Ebenso wenig waren Vorkehrungen zu erkennen, wie der Versammlungsleiter sicherstellen wollte, dass die erlaubte Teilnehmerzahl nicht überschritten wird und wie verhindert werden sollte, dass überzählige Versammlungsteilnehmer am Eingang oder in unmittelbarer Versammlungsumgebung ohne Einhaltung des Mindestabstandes verdichtet zusammenkämen. Nach Auffassung des VG waren die im Internet veröffentlichen Angaben des Antragstellers zwar durchaus nicht eindeutig dahingehend zu verstehen, dass er ausdrücklich erklärte, auch eine gerichtliche Beschränkung der Teilnehmerzahl nicht beachten zu wollen, sie waren jedoch derart widersprüchlich, dass für den angesprochenen Teilnehmerkreis gerade nicht deutlich wird, dass eine Beschränkung erfolgen und konsequent durchgesetzt werden soll. So bezeichnete der Anmelder die Auflagen als „überzogen“ und warb darum, dass man zahlreich im Anschluss an die Kundgebung „gemeinsam durch die Quadrate“ ziehen werde. Die Chancen stünden gut, so die weitere Mitteilung auf der Internetseite, dass man einige Auflagen „kippen“ könne; „auch wenn nicht“, finde aber die Demonstration auf jeden Fall statt. Es folgt der Hinweis: „WIR SIND VIELE !!!“; wir brauchen „JEDEN VON EUCH“ wir bestehen auf unser „RECHT DES WIDERSTANDES“ (Anmerkg.: Die Großschreibung entspricht dem Internetaufruf).
Fragen nach der organisatorischen Umsetzung der genannten Auflagen blieben sowohl im Kooperationsgespräch als auch in der gerichtlichen Anhörung unbeantwortet oder vage. Auf Nachfragen gab der Anmelder an, dass er auf die maximale Teilnehmerzahl von 200 nicht einwirken wolle, da er keine Demonstration für 200, sondern für 1.000 Teilnehmer plane und gegen den Bescheid gerichtlich vorgehen werde. Ebenfalls legte er nicht dar, wie er bei Verstößen reagieren werde. Ein Sicherheitskonzept wurde ebenfalls nicht vorgelegt oder blieb auf Nachfragen vage. Weiterhin war es bei ähnlichen früheren Versammlungen zu Auflagenverstößen gekommen und die gleiche Personengruppe war jetzt durch den Internetauftritt angesprochen, so dass der berechtigte Verdacht bestand, dass bei den aufgerufenen Teilnehmern nur eine eingeschränkte Bereitschaft zur Befolgung behördlicher Vorgaben bestehen dürfte.
Nach Auffassung des VG KA rechtfertigten die dargestellten Umstände die Annahme, dass vom Antragsteller jedenfalls billigend in Kauf genommen wurde, dass die Teilnehmerzahl überschritten wird. Bedingter Vorsatz ist im Rahmen von § 25 Abs. 2 VersammlG[7] ebenso wie im Rahmen von § 73 Abs. 1a Nr. 6 IfSG, der darüber hinaus auch fahrlässiges Verhalten erfasst, ausreichend. Verstöße gegen die Versammlungsauflagen durch die Teilnehmer sind auch gegenüber dem Antragsteller als Versammlungsleiter von Bedeutung, denn dieser bestimmt den Ablauf der Versammlung[8] und hat während der Versammlung für Ordnung zu sorgen. Insofern kann ein Verbot einer Versammlung auch darauf gestützt werden, dass die für die Versammlungsleitung vorgesehenen Personen nicht über die erforderliche Bereitschaft oder Fähigkeit zur Sicherstellung der Ordnung in der Versammlung verfügen.[9] Gerade an der entsprechenden Befähigung des Antragstellers, die Wahrung der Auflagen auch durch die Teilnehmer sicherzustellen, bestanden – so das VG KA – beträchtliche Zweifel.
Gegen den Beschluss des VG KA v. 4.12.2020 richtete sich die Beschwerde des Antragstellers beim VGH Mannheim, die am 5.12.2020 um 00:01 Uhr einging. Die Beschwerde wurde vom VGH Mannheim am 5.12.2020, Az.: VGH 1 S 3891/20 als unbegründet zurückgewiesen. Der VGH MA rügte insbesondere die mangelhafte Darlegung der Beschwerde und die ungenügende Auseinandersetzung mit der erstinstanzlichen Entscheidung. Bestätigt wurde ausdrücklich die Auffassung des VG KA, dass der Antragsteller keine Gewähr dafür biete, dass er die verfügten Auflagen, insbesondere die Auflage zur Begrenzung der Teilnehmerzahl, tatsächlich durchsetzen werde. Dies ergebe sich nicht nur aus dem Verhalten des Antragstellers beim Kooperationsgespräch, sondern in erster Linie auch durch die Äußerungen, die er auf der Homepage bzw. der mit „Querdenken 621 – Mannheim“ überschriebenen Facebook-Seite gegenüber potentiellen Versammlungsteilnehmern gemacht habe. Speziell die relativierende Äußerung des Antragstellers, wenn das Gericht entscheide, dass nur 200 Personen teilnehmen dürfen, werde er das kommunizieren und „versuchen umzusetzen.“, wurden exemplarisch angeführt. Nach Ansicht des VGH MA fehlte es weiterhin an jedem Vortrag dazu, wie der Antragsteller eine Teilnehmerzahlbeschränkung organisatorisch umzusetzen gedenke und wie er effektiv auf die Einhaltung der Maskenpflicht hinwirken wollte.
Verbot von Großdemo im Dreiländereck (BRD/FR/CH)
Der Antragsteller hatte für den 19.12.2020 in Weil am Rhein auf dem Platz „Dreiländergarten“ eine Kundgebung zum Thema „Für unsere Grundrechte – in der Weihnachtszeit erst recht“ angemeldet und hierzu auf der Homepage von „Querdenken-775“ zu einer Großdemo aufgerufen. Die Stadt Weil aR hatte am 15.12.2020 die Versammlung sowie eine gleichartige Versammlung eines weiteren Anmelders mit dem Hinweis auf die Pandemie-Lage sowie das bisherige Verhalten der Teilnehmer bei ähnlichen „Querdenker-Demos“ sowie die erwartete Teilnehmerzahl von ca. 10.000 Personen verboten. Hiergegen richtete sich der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des noch einzulegenden Rechtsbehelfs gegen den Bescheid der Stadt Weil aR. Dass der Antragsteller noch keinen Widerspruch erhoben hatte, stand der Zulässigkeit eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO (Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs) nicht entgegen.[10]
Der Antrag wurde durch das VG Freiburg am 17.12.2020, Az.: 7 K 3936/20, als unbegründet abgewiesen. Zunächst stellte das VG die Pandemie-Lage mit Verweis auf die durch den Deutschen Bundestag festgestellte epidemische Lage von nationaler Tragweite und unbestimmter Dauer[11], fest und bestätigte damit eine Untersagung nach § 28 Abs. 1 Satz 1 u. 2 i.V.m. § 28a Abs. 1 Nr. 10 IfSG (siehe auch § 11 Abs. 3 CoronaVO i.d.F. 15.12.2020). Das Verbot wurde auch auf § 15 Abs. 1 VersammlG gestützt, da von der Durchführung der geplanten Versammlungen auch eine unmittelbare Gefahr für die Gesundheit und das Leben einer Vielzahl von Menschen ausginge. Eine Teilnehmeranzahl von 10.000 Personen und mehr sei wahrscheinlich, da auch im nahen Ausland (FR/CH) geworben wurde und bei einer gleichartigen Versammlung in Leipzig mehrere zehntausend Personen teilnahmen. Des Weiteren, so das VG FR, gelte im gesamten Innenstadtbereich eine Pflicht zum Tragen von Masken zur Vermeidung und Reduzierung einer Ansteckungsgefahr, denn wegen der bei einer Versammlung zu erwartenden Interaktion – wie Rufen, Schreien oder Singen – können sich die Tröpfchen, die zu Infizierungen führen können, auch über eine größere Distanz ausbreiten. Die durchgehende Einhaltung der Mindestabstände von 1,5 m sei bei einer derart großen Teilnehmerzahl nicht gewährleistet. Zu berücksichtigen sei auch, dass in der Vergangenheit bei ähnlichen Veranstaltungen der „Querdenken-Bewegung“ weder der Mindestabstand noch eine dann angeordnete Maskenpflicht hinreichend eingehalten wurde.
Zusätzliche Zweifel – auch in Bezug auf die Person des Antragstellers – wurden durch das VG FR darin gesehen, dass der Antragsteller in seinem Hygienekonzept den Verzicht auf MNB empfohlen hatte und dadurch zu erwarten war, dass er eine etwaige Auflage für eine Versammlung, die eine MNB vorschreibt, weder selbst befolgen noch sich für deren Einhaltung einsetzen werde. Dies wurde auch durch die schriftliche Äußerung in seinem Hygienekonzept deutlich, in dem es heißt: „Das Risiko für ernsthafte Erkrankungen durch Mund-Nasen-Bedeckungen wird nicht durch den Versammlungsleiter übernommen“. Des Weiteren verwies die Stadt Weil aR richtig auf das bisherige Verhalten des Antragstellers bei ähnlichen Veranstaltungen, als er als Versammlungsleiter selbst gegen Auflagen verstieß und nicht gegen Verstöße durch Teilnehmer vorging.
Versammlungsverbote sind dann verhältnismäßig und dürfen verhängt werden, wenn mildere Mittel nicht zur Verfügung stehen oder keinen Erfolg versprechen, was durch die vorgenannten Umstände – insbesondere das Verhalten des Antragstellers und der Teilnehmer bei ähnlichen Versammlungen – zu befürchten war. Das Verbot war deshalb unter Beachtung des aktuell dynamischen und tendenziell volatilen Infektionsgeschehens sowohl erforderlich als auch angemessen und rechtfertigt versammlungsbeschränkende Maßnahmen.[12] Aufgrund der hohen Gefahr, die 7-Tages-Inzidenz im Landkreis Lörrach betrug 286,3 und eine Kontaktverfolgung war kaum noch möglich und wäre bei einer derartigen Großveranstaltung besonders schwierig, bestand auch das erforderliche besondere Vollzugsinteresse.[13]
Die Beschwerde gegen den o.a. Beschluss wurde vom VGH Mannheim am 18.12.2020, Az.: 1 S 4098/20 zurückgewiesen. Der Antrag war unzulässig, da der Antragsteller gegen den streitbefangenen Bescheid der Antragsgegnerin vom 15.12.2020 (immer noch) keinen Widerspruch eingelegt hatte, somit lag kein Rechtsbehelf vor, dessen aufschiebende Wirkung angeordnet oder wiederhergestellt werden konnte.[14] Denn der Gesetzgeber hat klargestellt, dass ein Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 2 VwGO schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig ist. Von der Einlegung eines Widerspruchs hat der Gesetzgeber mit dieser Vorschrift hingegen gerade nicht befreit. Auch das in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG normierte Gebot effektiven Rechtschutzes führt zu keiner anderen Auslegung.
Darüber hinaus war der Antrag unbegründet, denn die nach § 15 Abs. 1 VersammlG erforderliche unmittelbare Gefährdung für die Gesundheit und das Leben einer Vielzahl von Menschen lag, sofern die fragliche Versammlung durchgeführt worden wäre, nach Ansicht des VGH vor und begründete sich insbesondere mit der wissenschaftlichen Erkenntnislage, dass gerade bei Großveranstaltungen auch im Freien ein erhöhtes Übertragungsrisiko bestehe. Konkret war die Gefahr erhöht, da mit einer großen Teilnehmerzahl zu rechnen war, der Antragsteller nannte zuletzt vermutlich 3.500 Personen, aufgrund der Werbung im Internet war tatsächlich mit einer größeren Anzahl – von bis zu 10.000 Teilnehmer – zu rechnen. Zurecht wurde angenommen, dass eine Vielzahl von Teilnehmern weder Mindestabstände einhalten noch MNB tragen würde, wie das Verhalten der erwarteten Teilnehmer bei vorangegangenen ähnlichen Versammlungen belegte. Auch hatte der Antragsteller weder beim Kooperationsgespräch noch in dem von ihm vorgelegten Hygienekonzept deutlich gemacht, wie er eine Überschreitung der Teilnehmerzahl verhindern wolle und sein eigenes Verhalten in der Vergangenheit bei anderen Veranstaltungen sowie die Angaben in seinem Hygienekonzept legten nahe, dass er etwaige Auflagen zum Tragen einer MNB weder selbst befolgen noch sich für deren Einhaltung einsetzen werde. Insbesondere rügte der VGH, dass der Antragsteller sich mit den genannten Vorwürfen an seiner Person nicht oder nicht ausreichend substantiiert auseinandersetzte. Im Gegenteil, die Zweifel wurden erhärtet, da der Antragsteller im Beschwerdeverfahren nicht ansatzweise erläutert, wie er auf die Einhaltung einer Teilnehmerzahl hinwirken wollte. Auch die gravierenden Zweifel an seiner Bereitschaft auf die Verwendung von MNB hinzuwirken, sind nicht ausgeräumt. Im Gegenteil, trotz der erwarteten großen Teilnehmerzahl wird weiterhin vom Tragen einer MNB abgeraten: „Auch hier (bei der angemeldeten Versammlung) ist ein Tragen von Masken nicht notwendig. (…) Wir empfehlen den Verzicht auf Mund-Nasen-Bedeckungen. Vor allem unter Berücksichtigung der Abstandsregeln sieht unser Hygienekonzept das Tragen von einer Mund-Nasen-Bedeckung nicht vor, da Experten bei einer Nutzen-Risiko-Bewertung von Mund-Nasen-Bedeckungen abraten. Soweit das Gesundheitsamt für Folgeschäden und somit auch für mögliche Regressforderungen gegen die [Antragsgegnerin] die Verantwortung übernimmt, ist dies im Rahmen des Versammlungsbescheids vorzunehmen. Das Risiko für ernsthafte Erkrankungen durch Mund-Nasen-Bedeckungen wird nicht durch den Versammlungsleiter übernommen.“
Die Klage wurde deshalb vom VGH Mannheim abgewiesen, da sie unzulässig war (fehlender Widerspruch) und keine anderweitig zutreffenden Gründe für eine andere Entscheidung genannt wurden.
Gegen diese Entscheidung des VGH Mannheim erhob der Antragsteller Klage beim Bundesverfassungsgericht, das am Samstag, den 19.12.2020, Az.: 1 BvQ 150/20, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung kurz und knapp mit der Begründung ablehnte: „Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt, weil die Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 BVerfGG[15] von dem Antragsteller nicht dargetan sind.“ Damit hatte das Versammlungsverbot Bestand.
Fazit und Anmerkung des Verfassers
Versammlungsverbote dürfen keinesfalls pauschal erfolgen, sondern haben sich an einer sorgfältigen Güterabwägung im Einzelfall der jeweilig konkurrierenden Grundrechtspositionen zu orientieren. Hierbei ist das konkrete Verhalten der Versammlungsteilnehmer und Organisatoren – insbesondere Bestrebungen zur Umsetzung von Auflagen und Beschränkungen – besonders zu würdigen. In den vorliegenden Entscheidungen sind die Verwaltungsgerichte diesen Anforderungen umfassend nachgekommen. Neben der rasanten Entwicklung der Pandemie, ist es insbesondere dem uneinsichtigen Verhalten der Versammlungsteilnehmer und Organisatoren zu zuschreiben, dass die Verbotsverfügungen bis vor das Bundesverfassungsgericht Bestand hatten.
Die ständige Missachtung von Auflagen und offensichtlich aktive Ablehnung der angeordneten erforderlichen Hygiene- und Abstandsregelungen führten letztendlich zu einem kompletten Versammlungsverbot.
[2] Vgl. VG Neustadt, Beschl. v. 20.11.2020 – 5 L 1030/20 NW -, juris Rn. 16 f
[3] Vgl. vor Einführung von § 28a IfSG VGH BW, Beschl. v. 23.5.2020 – 1 S 1588/20 -, juris Rn. 8
[4] Vgl. VG Karlsruhe, Beschl. v. 2.12.2020 – 3 K 4941/20 –
[5] Vgl. BR-Drs. 566/99, S. 169 f.; BVerwG Urteil v. 22.3.2012 – 3 C 16.11 –, juris Rn. 26
[6] Vgl. VG Neustadt, aaO
[7] Dürig-Friedl, in Dürig-Friedl/Enders, VersG, § 25 Rn. 10
[8] § 8 Satz 1 u. 2 VersammlG
[9] VG Karlsruhe, Beschl. v. 23.5.2013 – 3 K 1245/13 –, juris Rn. 11
[10] Vgl. OVG NRW, Beschl. v. 28.12.2018 – 12 B 1838/18 –, juris Rn. 4
[11] BT-Drs. 19/24387
[12] BVerfG, Beschl. v. 30.8.2020 – 1 BvQ 94/20 -, juris 16 u.v. 11.6.2020 – 1 BvQ 66/20 –, juris Rn. 5
[13] Vgl. VGH BW, Beschl. v. 12.10.2020 – 9 S 1937/10
[14] Vgl. § 80 Abs. 1. Satz 1,. Abs. 5 Satz 1 VwGO
[15] § 32 Abs. 1 BVerfGG: „Das Bundesverfassungsgericht kann im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist.“