Von der Nischenpolizei zum Global Player – 70 Jahre Bundespolizei im Zeitraffer

von Bernd Walter, Präsident eines Grenzschutzpräsidiums a. D.

Eine notwendige Vorbemerkung

Am 16.3.1951 wurde der Bundesgrenzschutz gegründet und am 1. Juli 2005 in Bundespolizei umbenannt. Kaum über eine andere Polizeiorganisation sind derart kontroverse rechtliche und politische Diskussionen geführt worden wie über diese Bundesexekutive, in der sich die Geschichte der Bundesrepublik spiegelt. Viele Veröffentlichungen über die Organisation basieren auf unseriösen Sekundärquellen und zeichnen sich meistens durch ein fachlich wenig fundiertes Geflecht von Behauptungen, Unterstellungen, Vorurteilen und beliebig austauschbaren Verallgemeinerungen aus. Selbst bei den Reden und Veröffentlichungen anlässlich seines fünfzigjährigen Bestehens im Jahre 2001 konnte man den Eindruck gewinnen, dass sich in dieser Organisation zwischen dem organisatorischen Urknall im Jahre 1951 und den Reformbemühungen der späten neunziger Jahre wenig oder gar nichts ereignet hat, was dem Chronisten der Erwähnung wert war. Diese grobe Folie wird in keiner Weise einer Polizeieinrichtung gerecht, die wie keine andere untrennbar mit der Entwicklung im Nachkriegsdeutschland verbunden war und ist und die erst nach langen und nicht immer würdigen- parlamentarischen Prozeduren in Bundespolizei umbenannt wurde.

Mit dem »Gesetz zur Umbenennung des Bundesgrenzschutzes in Bundespolizei« vom 21.6.2005 erfolgte die Namensänderung. Der Gesetzgeber folgte damit einer Entwicklung, die dazu führte, dass sich die Aufgaben des ehemaligen BGS längst nicht mehr auf den klassischen Schutz der Grenzen beschränkten. Die ursprüngliche Bezeichnung »Bundesgrenzschutz« wurde seiner Aufgabenvielfalt nicht mehr gerecht, sodass die Umbenennung in Bundespolizei folgerichtig und notwendig war. Eine weitreichende Organisationsänderung erfolgte mit dem »Gesetz zur Änderung des Bundespolizeigesetzes und anderer Gesetze« vom 26.2.2008. Die Notwendigkeit wurde hauptsächlich mit dem Wegfall der Grenzkontrollen an den Schengen-Binnengrenzen und einem hohen Personalbedarf bezüglich weiterer, der Bundespolizei zugewiesener Aufgaben und Verwendungen insbesondere im Bereich der Luftsicherheitsaufgaben, aber auch in Bezug auf Auslandsmissionen begründet. Die Neuorganisation sollte nach dem erklärten Willen ihrer Schöpfer eine straffere Organisation schaffen, mehr Blau auf die Straße bringen und überdies die Organisation für die Zukunft fit machen soll.

Diese Bundespolizei hat heute eine Sollstärke von weit über 50.000 Bedienstete und erwartet weitere hohe Personalzuwächse. Sie ist damit die personalstärkste Polizeiorganisation in der Bundesrepublik.

Die frühen Jahren

Da Polizeigeschichte in Deutschland von jeher nur im Halbschatten des wissenschaftlichen Interesses stand und die vorliegenden Dokumentationen sich überwiegend mit länder- oder organisationsspezifischen Elementen der deutschen Polizeien beschäftigen, werden grundlegende Entwicklungslinien aus der Zeit unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg nur eher beiläufig erwähnt. So verfestigte sich über die Jahre hinweg der Eindruck, dass Polizei in ihrer Gesamtheit –so wie in der Weimarer Republik- ausschließliche Ländersache sein sollte. Dabei werden wesentliche Initiativen aus der Frühgeschichte des Grundgesetzes unterschlagen.

Bereits am 23.9.1950 überreicht die damalige Alliierte Hohe Kommission der Bundesregierung eine Note, in der die Ermächtigung durch die New Yorker Außenministerkonferenz zur Aufstellung von 30 000 Mann kasernierter Polizei mitgeteilt wurde. Ferner sprachen sie sich im so genannten Polizeibrief, auf den Polizeihistoriker immer so gern Bezug nehmen, für die Einrichtung von „police agencies“ zur Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs aus. Da die Länder bereits mit der Aufstellung der Bereitschaftspolizei überfordert waren, sprachen sich SPD und FDP für die Einrichtung einer Bundespolizei durch Änderung des Grundgesetzes aus. Gesetzestechnisch wollte die SPD die Bundesbereitschaftspolizei zum Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes über Einstellung, Ausbildung, Ausrüstung und Bewaffnung der Bundesbereitschaftspolizei machen. Die Länder sollten ein Zehntel ihrer Exekutivkräfte zur Verfügung des Bundes halten. Die FDP gar wollte eine eigene Bundeszuständigkeit schaffen. Das Vorhaben scheiterte aber am Einspruch der CSU, die mit einem Verlassen der Regierungskoalition für den Fall einer Verwirklichung dieser Idee drohte. Als aber weitsichtige Bundespolitiker verschiedener Parteien bei einer großen Debatte über Polizeifragen am 7.11.1950 im Bundestag durchaus Sympathie für eine Bundesexekutive signalisierten, galt es nun einen Formelkompromiss zu finden, bei dem weniger der Inhalt, mehr jedoch der Name entscheidend war, um eingefleischte Föderalisten nicht von vornherein zu verschrecken. Die Idee, nach Art. 87 GG Bundesgrenzschutzbehörden einzurichten, nahm Gestalt an, zumal dies durch einfaches Bundesgesetz ohne Zustimmung des Bundesrates erfolgen konnte, wohingegen Verfassungsänderungen bei der bekannten rigiden Haltung der Länder illusorisch waren. Es war wohl der FDP-Abgeordnete Becker, der in der bereits erwähnten Bundestagsdebatte über Polizeifragen die Initialzündung zu diesem Kunstgriff gab, indem er kurzerhand konstatierte, er könne sich vorstellen, dass eine Bundesgrenzpolizei „bereits die Grundlage einer anständigen Bundespolizei selbst” sein könnte.

Da nach Art. 73 Nr. 5 GG dem Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für den Grenzschutz zusteht und nach Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG durch Bundesgesetz Bundesgrenzschutzbehörden eingerichtet werden können, machte der Bund von diesen Kompetenzen Gebrauch und richtete mit dem Gesetz über den Bundesgrenzschutz und die Einrichtung von Bundesgrenzschutzbehörden vom 16.3.1951 einen Bundesgrenzschutz in Stärke von zunächst 10 000 Mann ein. Er war überwiegend verbandspolizeilich organisiert und an den Ostgrenzen, aber auch im Landesinneren – jedoch nicht in der französischen Zone – disloziert. Integraler Bestandteil war der Seegrenzschutzverband, ferner der Bundespasskontrolldienst, da die Alliierten eine zentrale Passkontrolle für ihren Bereich forderten. Entgegen späterer immer wieder kolportierter und nicht belegter Behauptungen wurde der BGS jedoch zu diesem Zeitpunkt weder als vorgezogener Verteidigungsbeitrag noch als Streitkräftesurrogat geschaffen. Tatsächlich war die Gliederung des BGS identisch mit den gleichzeitig aufgestellten Bereitschaftspolizeien der Länder und nach dem Willen des damaligen Personalreferenten wurden überwiegend Führungskräfte rekrutiert, die Polizeierfahrung besaßen.

Aufgrund der zunehmend angespannten Lage an der Zonengrenze zur sowjetischen Besatzungszone und unter Eindruck des Volksaufstandes vom 17.6.1953 in der DDR fasste der Deutsche Bundestag 1953 mit der Mehrheit seiner Mitglieder den von der Bundesregierung in langwierigen Verhandlungen vorbereiteten Beschluss, die Stärke des BGS auf 20 000 Mann zu erhöhen, um dann in den Folgejahren im Rahmen der Überlegungen über einen westdeutschen Verteidigungsbeitrag die Existenz der Bundespolizeitruppe schlichtweg in Frage zu stellen. So wurde ernsthaft diskutiert, die zwischenzeitlich gut organisierte und ausgebildete Organisation in toto als Nukleus für die künftige Bundeswehr zu verwenden. Aus verfassungsrechtlichen Gründen entschied man sich stattdessen mit dem Zweiten Gesetz über den Bundesgrenzschutz vom 30.5.1956, den BGS zum Aufbau der Bundeswehr heranzuziehen. Der Status eines BGS-Beamten wurde durch Gesetz in den eines Soldaten umgewandelt; wer dies nicht wollte, musste dagegen optieren. Rund die Hälfte der Beamtenschaft entschied sich wegen der bedeutsamen Karrierechancen für die kommenden Streitkräfte.

Auch mit dem verbleibenden Personalbestand gewährleistete die Organisation trotz zunehmender Aggressivität der Gegenseite die Sicherheit der Grenzbevölkerung, schritt bei Grenzverletzungen und Übergriffen ein, verhinderte Gebietsbesetzungen und erwarb sich über Jahre hinweg den Ruf einer disziplinierten, gut ausgebildeten und zuverlässigen Sicherheitseinrichtung.

Der schwierige Weg zur multifunktionalen Bundespolizei

Von dem personellen Aderlass beim Aufbau der Bundeswehr 1956 hat sich der BGS bis in siebziger Jahre hinein nicht erholt, zumal sein Laufbahngefüge in Abweichung von den Länderpolizeien noch die einfache Laufbahn aufwies und den meisten Beamten nur eine begrenzte Dienstzeit mit anschließendem Übergang in andere Verwendungen und Berufe angeboten werden konnte, da die Verbände „jung gehalten“ werden sollten. Auch die wenigen Planstellen für Lebzeitbeamte waren nicht sonderlich attraktiv, sodass im Zeitalter des immer mehr prosperierenden Wirtschaftswunders der Drang, den grünen Rock anzuziehen, immer mehr nachließ. Der Kunstgriff des Gesetzgebers, durch Schaffung einer Grenzschutzdienstpflicht die personelle Not zu lindern, erwies sich alsbald als Sackgasse, da man es unterließ, stattdessen eine attraktive Polizeilaufbahn zu schaffen.

Der Übergang des BGS von einer Grenzpolizei mit einem eingeschränkten Aufgabenkreis zur multifunktionalen Sicherheitsreserve der Bundesländer, aber auch als Dienstleister für andere Bedarfsträger vollzog sich schleichend, aber stetig. Zunehmend wurden die Bundespolizisten in Lagen besonderer Bedeutung, bei Katastropheneinsätzen und anderen Ausnahmesituationen zu Hilfe gerufen und erwarben sich schnell den Ruf eines zuverlässigen Partners in Ausnahmesituationen. Schlüsselereignis war die große Flutkatastrophe in Norddeutschland im Jahre 1962. Der Hamburger Innensenator Schmidt, der spätere Bundeskanzler, ersetzte fehlende Rechtsgrundlagen kurz entschlossen durch handfeste Entscheidungen und setzte Bundeswehr und Bundesgrenzschutz mit großem Erfolg ein, um die Folgen des blanken Hans zu bekämpfen und um den bedrohten Hanseaten Haus und Hof zu retten. Mit der Einführung der Notstandsverfassung im Jahre 1968 und durch das 31. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28.7.1972 wurden zusätzliche Kompetenzen in unterschiedliche Sachgebiete übertragen. Überdies wurde der BGS ausdrücklich in den Artikeln 35 Abs. 2 und 3, 87 Abs. 1, 91 Abs. 1 und 2 und 115 f Abs. 1 GG genannt. Die entscheidende Zäsur bei der Entwicklung des BGS zur Bundespolizei war die verabschiedete Neufassung des BGS-Gesetzes vom 18.8.1972, mit dem die Organisation ein zukunftsweisendes modernes Polizeigesetz erhielt und das den zwischenzeitlich eingetretenen sicherheitspolitischen Gegebenheiten Rechnung trug. Die Länder zogen umgehend die Konsequenz aus dieser Entwicklung. In der Erstfassung des „Programms für die innere Sicherheit“ aus dem Jahre 1974 schrieben die Innenminister ausdrücklich die Rolle des BGS als unverzichtbare Polizeireserve fest.

Das Inkrafttreten des Gesetzes über die Personalstruktur des BGS am 1.7.1976, gleichsam als Jubiläumsgeschenk zum 25-jährigen Bestehen des BGS, markierte einen Wendepunkt in der Geschichte des Dienstrechts des BGS, das bis zu diesem Zeitpunkt noch von zwischenzeitlich überholtem Gedankengut aus der Frühgeschichte deutscher Uniformverbände bestimmt war. Das Gesetz beinhaltete im Einzelnen folgende Regelungen:

  • Ausgestaltung des Berufes des Polizeivollzugsbeamten im BGS als Lebensberuf mit Möglichkeit des prüfungsfreien und ämtergleichen Übertritts zu den Polizeien der Länder
  • Angleichung des Dienstrechts der Polizeivollzugsbeamten im BGS an das der Länder
  • Angleichung der Ämter des Polizeivollzugsdienstes im BGS an die Gegebenheiten bei den Polizeien der Länder.

Mit dem Gesetz wurde der BGS einige dienstrechtliche Ladenhüter los. Laufbahnstruktur, Ausbildung, Besoldung und Dienstrecht wurden weitgehend an die Verhältnisse bei den Polizeien der Länder angeglichen, wobei sich allerdings gerade bei der Laufbahnstruktur aufgrund sprunghafter Verbesserungen im Laufbahngefüge der Länderpolizeien alsbald wieder eine Kluft auftat, die zwischenzeitig beseitigt wurde. Erstmalig wurde ein Vorbereitungsdienst eingeführt. Der bis dato im BGS noch existierende einfache Dienst mit den Ämtern der Besoldungsgruppen A 1 bis A 4 fiel weg und die einst den BGS bestimmenden Amtsbezeichnungen Grenzjäger oder Grenzhauptjäger wurden Geschichte. Ansonsten wurden die bisherigen klassischen Amtsbezeichnungen des BGS , die der preußischen Schutz- und Sicherheitspolizei nachempfunden waren, denen der Polizeien der Länder angeglichen: aus dem Leutnant wurde der Polizeikommissar im BGS, aus dem Obristen der Leitende Polizeidirektor im BGS. Einige semantische Schmuckstücke wie Seekadett im Bundesgrenzschutz oder Fähnrich im Bundesgrenzschutz entfielen ganz.

Auf seinen sich immer weiter ausdehnenden Tätigkeitsfeldern festigten die BGS-Beamten aufgrund ihres disziplinierten Auftretens und des in den Verbänden praktizierten Führens durch Auftrag ihren guten Ruf. Bei nahezu allen Großdemonstrationen der siebziger und achtziger Jahre – von Brokdorf über Startbahn West bis Wackersdorf – standen die BGS-Beamten ihren Mann, später dann auch ihre Frau. Der Schutz nahezu aller Ministerien und Verfassungsorgane war in die Obhut des BGS übergegangen. Der zwischenzeitliche neu aufgestellte BGS See sorgte in der Ostsee dafür, dass die Wachboote der Volksmarine nicht die letzten Fluchtwege über die nasse Grenze verstopften. Der Flugdienst im BGS entwickelte einen weltweit anerkannten Rettungsdienst, das Bundesamt für Verfassungsschutz spürte mithilfe eines funktechnischen Sonderverbandes des BGS den illegalen Agentenfunk auf. Die Begehrlichkeit des Bundeskriminalamtes, sich durch Personal des BGS zu erweitern, wuchs ständig. Weitere Bundeseinrichtungen griffen mangels eigener Exekutivkräfte ebenfalls auf den Personalbestand des BGS zurück. So fand sich der BGS schnell als Objektschützer in vielen Botschaften und auf Auslandsstationen der Lufthansa weltweit wieder. Nahezu bei allen großen Naturkatastrophen waren BGS-Beamte die Ersten, die Sandsäcke schleppten und mit der umfangreichen Geräteausstattung des Technischen Dienstes Erste Hilfe bei Schnee- und Hochwasserkatastrophen leisteten. Aber auch in anderen Bereichen leistete der BGS Pionierarbeit. Hubschrauber des BGS wurden bei den Hungerkatastrophen in Äthiopien und Mosambik eingesetzt und lange vor den quälenden verfassungsrechtlichen Diskussionen um den Auslandseinsatz der Bundeswehr wurde der BGS mit Kabinettsbeschluss vom 13. September 1989 am 14.9.1989 mit 50 Beamten für fast zwei Jahre nach Namibia zusammen mit 600 Polizisten aus 21 weiteren Staaten entsandt, um beim Übergang des Landes zur Unabhängigkeit eingesetzt werden. Damit waren die BGS-Beamten die ersten deutschen Uniformierten, die das blaue Barett der UN im Ausland trugen. In schneller Reihenfolge folgten Einsätze in Kambodscha, in der Westsahara und auf dem Balkan. Endgültig in der Öffentlichkeit angekommen war er, als der nach dem Terroranschlag während der Olympischen Spiele in München 1972 aufgestellte Sonderverband GSG 9 im Jahre 1977 durch die geglückte Befreiung der Geiseln aus der von Terroristen gekaperten Lufthansamaschine „Landshut“ in Mogadischu Weltruhm erlang. Dem Terror der ersten Generation der RAF war damit das Rückgrat gebrochen und die Ereignisse von München, die der damalige Bundeskanzler Brandt als „erschütterndes Dokument deutscher Unfähigkeit“ und der damalige Innenminister Genscher als schrecklichste Erfahrung seiner gesamten Amtszeit bezeichnete, gerieten allmählich in Vergessenheit.

Zeitenwende

Mit der Wiedervereinigung übernahm der BGS nach einer Maßgabevorschrift des Einigungsvertrages den noch in den Schlusstagen der DDR gegründeten Grenzschutz der DDR mit rund 6 000 Bediensteten sowie die Aufgaben der Bahnpolizei und der Luftsicherheit im Beitrittsgebiet und in Berlin. Das Gesetz zur Übertragung der Aufgaben der Bahnpolizei und der Luftsicherheit vom 23.1.1992 erweiterte das Aufgabenspektrum des BGS im gesamten Bundesgebiet um die bahnpolizeilichen Aufgaben einschließlich der Aufgaben des Fahndungsdienstes der Deutschen Bundesbahn und ermöglichte den Ländern, die die Aufgaben der Luftverkehrssicherheit in Bundesauftragsverwaltung ausführten, diese an den Bund zur bundeseigenen Verwaltung zurückzugeben. Die hierfür notwendigen Konsequenzen sowie die Übernahme der Luftsicherheits- und Bahnpolizeiaufgaben in der gesamten Bundesrepublik wurden nachfolgend im Gesetz zur Übertragung der Aufgaben der Bahnpolizei und der Luftsicherheit auf den Bundesgrenzschutz vom 23.1.1992 festgeschrieben, das nach dem Willen des Gesetzgebers die Bahn finanziell entlasten und die Stärkung der Inneren Sicherheit bewirken sollte.

Mit Artikel 1 des Gesetzes zur Neuregelung der Vorschriften über den Bundesgrenzschutz vom 19. Oktober 1994 wurden alle zwischenzeitlichen und neu hinzugekommenen Aufgaben und Verwendungen des BGS festgeschrieben.  Auslösende Faktoren für die Gesetzgebung waren zum einen die Absicht, das geltende Recht bereichsspezifisch an die Fortentwicklung des Datenschutzes anzugleichen, zum anderen das Anliegen der christlich-liberalen Regierungskoalition, weitere Maßnahmen zur Stärkung der inneren Sicherheit in die Wege zu leiten. Die Hauptaufgaben der nunmehrigen Bundespolizei sind der Grenzschutz (§ 2 BPolG), bahnpolizeiliche Aufgaben (§ 3 BPolG), Luftsicherheitsaufgaben (§§ 4, 4a BPolG), Schutz von Bundesorganen (§ 5 BPolG), Aufgaben auf See (§ 6 BPolG), Aufgaben im Notstands- und Verteidigungsfall (§ 7 BPolG), Verwendung im Ausland (§ 8 BPolG), Verwendung zur Unterstützung anderer Bundesbehörden (§ 9 BPolG), Verwendung zur Unterstützung des Bundesamtes für Verfassungsschutz auf dem Gebiet der Funktechnik (§ 10 BPolG) und Verwendung zur Unterstützung der Bundesländer (§ 11 BPolG). Für Spezialaufgaben sind die Bundespolizei GSG 9 und der Bundespolizei-Flugdienst vorgesehen. Daneben ist die Bundespolizei in ein dichtes Netz von Sicherheitskooperationen zwischen Länderpolizeien und Bundespolizei eingebunden und hat eine Ordnungspartnerschaft mit der Deutschen Bahn AG eingerichtet. Ferner wirkt die Bundespolizei in den so genannten Gemeinsamen Zentren, in Kontakt- und Überstellungsdienststellen an den Binnengrenzen und zahlreichen internationalen Projekten mit und unterhält ein dichtes Netz an grenzpolizeilichen Verbindungsbeamten. Das Terrorbekämpfungsgesetz vom 9. Januar 2002 als sicherheitspolitische Konsequenz aus den Terroranschlägen in New York und Washington am 11.9.2001 hatte auch Auswirkungen auf den BGS. Durch den neu geschaffenen § 4 a des nunmehrigen Bundespolizeigesetzes wurde er – erstmalig in der deutschen Polizeigeschichte- ermächtigt, bewaffnete Flugeinsatzbegleiter – so genannte Sky Marshals- in deutschen Luftfahrzeugen einzusetzen.

Nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit hat sich die kriminalpolizeiliche Komponente der Bundespolizei aus ihren ursprünglich in der Grenzfahndung angesiedelten Wurzeln zu einem bei der Justiz und anderen Einrichtungen geschätzten Kooperationspartner entwickelt, der keine Vergleiche zu ähnlichen Ermittlungsorganen zu scheuen braucht. Im Konzert der deutschen Kriminalpolizeien hat sich die Bundespolizei längst emanzipiert. Selbst die verantwortliche Leitung kriminalpolizeilicher Arbeitsgruppen traut man ihr zwischenzeitlich zu. Mit der Osterweiterung der Europäischen Union und dem Schengenbeitritt der Schweiz sind in den Jahren 2007 und 2008 die letzten Grenzkontrollen durch die Bundespolizei an den Außengrenzen entfallen. Übrig geblieben sind die Grenzkontrollen an den internationalen Flug- und Seehäfen und im Küstenmeer. Der endgültige Wandel vom Bundesgrenzschutz zu einer Bundespolizei mit neuem Aufgabenprofil war damit vollzogen.

Das neue Organisationsdesign

Die neue Aufgabenstellung hatte letztlich eine Neuorganisation der Einrichtung zur Folge, in der die Polizeiverbände drastisch reduziert und die Ämter des Einzeldienstes ausgebaut wurden. Sie trat am 1. März 2008 in Kraft. Die Funktionen der ehemaligen fünf regionalen Bundespolizeipräsidien und andere Aufgabenanteile wurden in einem Bundespolizeipräsidium als Oberbehörde zusammengefasst, das seinen Sitz in Potsdam hat und durch einen Präsidenten und zwei Vizepräsidenten geführt wird. Dem Präsidenten unterstehen alle Organisationsteile der Bundespolizei, über die er die Dienst- und Fachaufsicht ausübt. Die Organisation umfasst aktuell neben dem Bundespolizeipräsidium 11 Bundespolizeidirektionen, 10 Bundespolizeiabteilungen, die Bundespolizeiakademie, 6 Bundespolizeiaus- und -fortbildungszentren, ein Bundespolizeitrainingszentrum, zwei Bundespolizeisportschulen, die Bundespolizei See, acht Regionale Bereichswerkstätten, drei Bundespolizeiorchester, eine Reiterstaffel und zwei Diensthundeschulen. Nachgeordnet, aber ausgelagert sind ferner die bundespolizeilichen Anteile des Gemeinsamen Analyse- und Strategiezentrums illegale Migration (GASIM), des Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrums (GTAZ) und der für die grenzüberschreitenden Zusammenarbeit eingerichteten Gemeinsamen Zentren.

Die gesetzlichen Aufgaben der Bundespolizei im Bereich der Gefahrenabwehr und Kriminalitätsbekämpfung werden nunmehr von neun regionalen Bundespolizeidirektionen als Unterbehörden mit Sitz in Bad Bramstedt, Berlin, Hannover, Pirna, Sankt Augustin, Koblenz, Flughafen Frankfurt/Main, Stuttgart und München wahrgenommen, deren Zuständigkeitsbereich sich grundsätzlich an den Grenzen der jeweiligen Bundesländer orientieren. Die Bundespolizeidirektionen verfügen über eine Personalstärke zwischen 2000 und 3000 Polizeivollzugsbeamten. Ihnen unterstehen jeweils eine Bundespolizeiinspektion Kriminalitätsbekämpfung und eine Mobile Kontroll- und Überwachungseinheit zur Bewältigung besonderer temporärer Einsatzlagen. Den Bundespolizeidirektionen sind 73 Bundespolizeiinspektionen (Personalstärke 200 bis 300 Polizeivollzugsbeamte) und 143 Bundespolizeireviere nachgeordnet. Für die Aufgaben der Bundespolizei auf See wurde in der Bundespolizeidirektion Bad Bramstedt ein Direktionsbereich Bundespolizei See eingerichtet. Eine Sonderrolle bildet die nunmehr eingerichtete Bundespolizeidirektion 11, der die GSG 9 der Bundespolizei, die Bundespolizei-Fliegergruppe. die Polizeilichen Schutzaufgaben Ausland der Bundespolizei, die Besonderen Schutzaufgaben Luftverkehr der Bundespolizei und die Einsatz- und Ermittlungsunterstützung der Bundespolizei unterstehen. Die ehedem dezentral den Bundespolizeipräsidien unterstehenden zehn Bundespolizeiabteilungen mit den Standorten Ratzeburg, Uelzen, Blumberg, Bad Düben, Duderstadt, Sankt Augustin, Hünfeld, Bayreuth, Bad Bergzabern und Deggendorf werden nunmehr zentral von der Direktion Bundesbereitschaftspolizei in Fuldatal geführt, die sowohl die Unterstützung im eigenen Bereich als auch für die fremder Bedarfsträger koordiniert. Die Bundespolizeiakademie in Lübeck als weitere Unterbehörde fungiert weiterhin als zentrale Aus- und Fortbildungsstätte und ist dem Bundespolizeipräsidium unmittelbar nachgeordnet. Ihr wurden zusätzlich die bisherigen dezentralen sechs Bundespolizeiaus- und Fortbildungseinrichtungen, das Bundespolizeitrainingszentrum Kührointhaus sowie die Einrichtungen zur Förderung des Spitzensports (Bundespolizeisportschule in Bad Endorf und Bundesspolizeisportschule Kienbaum) unterstellt und die Aufgabe als zentrale Einstellungsbehörde zugewiesen.

Von der Nischenpolizei zum Global Player – die Tätigkeitsfelder

Grenzschutz – unveränderte klassische Kernaufgabe

Grenzschutz als ursprünglich namengebende Hauptaufgabe ist unverändert Schwerpunkt des derzeitigen Aufgabenportfolios der Bundespolizei. Auch wenn der politische Wille, ein einheitliches kontrollfreies Europa zu schaffen, grundsätzlich zu begrüßen ist, kann Deutschland in seiner besonderen Lage nicht auf einen wirksamen grenzpolizeilichen Schutz verzichten. Deutschland ist unverändert Transit- und Zielland der irregulären Migration, hat bei neun Nachbarstaaten rund 4 5000 Landgrenze, über 3 500 km Küstenlinie als Schengen-Außengrenze, ein Bahnnetz von 40 000 km und mehr als 180 Flugplätze mit internationalem Verkehr. So wurden 2019 insgesamt 40.595 unerlaubte Einreisen registriert.

Der Wegfall der Binnnegrenzkontrollen im Jahre 2007 hatte den Entwurf eines Rahmenkonzeptes für die grenzpolizeiliche Praxis zur Folge und fordert ein Höchstmaß an taktischer Flexibilität und Kreativität unter Berücksichtigung regionaler Besonderheiten; ferner wird eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit in- und ausländischen Partnern gefordert. Eine wirksame Ergänzung des Systems sind die inzwischen gesetzlich verankerten lagebildabhängigen Kontrollen, die als mobile Grenzüberwachung in der zweiten Linie die bisherigen stationären Grenzkontrollen substituieren sollen. Flankiert wird dieses Konzept durch den Einsatz von Grenzpolizeilichen Verbindungsbeamten, Grenzpolizeilichen Unterstützungskräfte Ausland und Dokumenten- und Visumberatern in relevanten Ausgangs- und Transitländern der illegalen Migration, die 2019 insgesamt 36.902 unerlaubte Eineisen verhinderten. Behörden- und deliktsübergreifendende Erkenntnisse werden in dem im Jahre 2006 mit Sitz in Berlin eingerichteten Gemeinsamen Analyse- und Strategiezentrum Illegale Migration (GASIM) generiert.

Im Rahmen der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache Frontex ist die Bundespolizei der größte europäische Kontingentsteller. Mit Wärmebild- und Geländefahrzeugen, hochseefähigen Patrouillenbooten und Hubschraubern ist sie an den Einsätzen beteiligt.

Die Bundespolizeidirektionen – die Allrounder

Ungeachtet gewisser regionaler Unterschiede sind die Aufgabenfelder der 9 Bundespolizeidirektionen, die in Inspektionen und Reviere untergliedert sind, grundsätzlich vergleichbar. Aufgabenschwerpunkte sind die Wahrnehmung bahnpolizeiliche Aufgaben, der Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs, der Schutz von Bundesorganen, die polizeiliche Überwachung der Grenzen und die Verwendung im Ausland. Neben den Einzeldienstkräften unterstehen ihnen die Mobilen Kontroll- und Überwachungseinheiten, flexibel einsetzbare Sondereinheiten, die Spitzenbelastungen sowie unvorhergesehene Sofortlagen abfangen sollen.

Ein besonderer Funktionsbereich ist der Direktionsbereich Bundespolizei See der Bundespolizeidirektion Bad Bramstedt. Sie ist die maritime Komponente der Bundespolizei und seit 1994 Teil der Küstenwache des Bundes, die trotz des eine einheitliche Führung suggerierenden Bezeichnung lediglich ein lockerer Koordinierungsverbund der maritimen Vollzugskräfte des Bundes ist. Der Aufgabenbereich der Bundespolizei See, der drei Bundespolizeiinspektionen nachgeordnet sind, umfasst neben der Überwachung der Seegrenzen von 700 km, die zugleich Schengenaußengrenzen sind, übertragene Aufgaben im Bereich Schifffahrtspolizei, im Meeresumweltschutz, der Fischereiüberwachung und bei der Kontrolle von Forschungshandlungen auf See. Überdies sind zwei Kontrollboote der Bundespolizei See im Rahmen von Frontex-Einsätzen aktuell in der Ägäis eingesetzt. Im Rahmen der Flottenmodernisierung wurden zwischenzeitlich drei neue Einsatzschiffe vom Typ P 86 in Dienst gestellt, die bei allen Witterungsverhältnissen hochseefähig sind, über Kanonenbewaffnung, ein Bordhospital und ein Hubschrauberlandedeck verfügen und den Einsatz von Spezialkräften ermöglichen, indem sie im Heck Einsatzboote der GSG 9 aufnehmen.

Die Direktion Bundesbereitschaftspolizei – der omnipräsente Notnagel

Mit der Neuorganisation der Bundespolizei wurde die bisher den einzelnen Mittelbehörden unterstehenden Bundespolizeiabteilungen in der Bundesbereitschaftspolizeidirektion mit Sitz in Fuldatal bei Kassel zusammengefasst, die dem Bundespolizeipräsidium unmittelbar nachgeordnet ist. Ihr obliegen alle Führungs-, Koordinierungs- und Unterstützungsaufgaben in diesem Teilbereich.

Die Direktion verfügt über rund 6 500 Mitarbeiter, davon haben rund 5 500 den Status von Polizeivollzugsbeamten, wobei die Stärke der Abteilungen zwischen 498 und 924 Bediensteten schwankt. Damit stellt die Bundespolizei rund 25 % des Potenzials der deutschen Bereitschaftspolizeien, die ihrerseits rund 11 Prozent der deutschen Polizeien umfassen. Der Direktion unterstehen 10 Bundespolizeiabteilungen mit 27 Einsatzhundertschaften, 5 Beweissicherungs- und Festnahmehundertschaften, 5 Technische Einsatzhundertschaften mit Wasserwerfer- und Sonderwageneinheit, 2 Auslandseinsatzhundertschaften, 10 Leichte Technische Einsatzeinheiten, 10 Beweissicherungs- und Dokumentationseinheiten sowie 10 Aufklärungseinheiten.

Obwohl die Bundespolizei bereits schon jetzt den Großteil aller Bereitschaftspolizeikräfte in Deutschland stellt, beweisen die Großeinsätze der jüngeren Zeit immer mehr, dass diese Kräfte die Grenzen ihrer personellen Möglichkeiten erreicht haben, zumal der Umfang der Unterstützungseinsätze ständig steigt. So waren die Einsatzkräfte 2019 265.195 h bei Demonstrationen und 232.695 h zur Unterstützung anderer Behörden eingesetzt. Schwerer noch als die Dauerbelastung bei Großeinsätzen wiegt die Tatsache, dass insbesondere linksautonome Gruppierungen immer gewalttätiger werden. In 2.370 Fällen wurden 2019 Bundespolizisten im Einsatz angegriffen. Die zunehmende Gewaltbereitschaft des polizeilichen Gegenübers -pars pro toto stehen hierfür die bürgerkriegsähnlichen Situationen beim G 20-Gipfel in Hamburg- hat zwischenzeitlich dazu geführt, dass die Ausbildung der Bereitschaftspolizisten um das Modul „Verhalten in lebensbedrohlichen Situationen“ erweitert wurde.

Einen zusätzlichen Weg bei der Herstellung von Chancengleichheit mit gewaltsamen Störergruppen ging die Bundespolizei mit der Aufstellung der Beweissicherung- und Festnahmeeinheit plus. Hierbei handelt es sich um robuste Einheiten mit spezieller Ausrüstung und einer Zusatzausbildung, die für besondere Lagen unterhalb der GSG 9, aber oberhalb des täglichen Wach- und Streifendienstes vorgesehen sind. Die Einsatzoptionen umfassen u.a. den Schutz besonders gefährdeter Infrastruktur, Fahndung nach Terrorverdächtigen, Bergen von Personen aus einem Gefahrenbereich, Unterstützung von Sondereinheiten in Ausnahmelagen sowie bei nicht zeitgerechtem Eintreffen von Spezialkräften die Durchführung von Notzugriffen. Insgesamt wurden fünf BFE plus aufgestellt.

Bundespolizeidirektion 11 – beispielhafte Synergienbildung

Von großem Medieninteresse begleitet, eröffnete der vormalige Bundesminister des Innern, Dr. Thomas de Maizière, am 8. August 2017 die Bundespolizeidirektion 11. Unter dem Dach der neuen Direktion versammelten sich die bisher eher autarken Spezialkräfte der Bundespolizei. Mit Einrichtung der neuen Direktion wurden die GSG 9 der Bundespolizei, der Bundespolizei Flugdienst, die Polizeilichen Schutzaufgaben Ausland der Bundespolizei, die Schutzaufgaben Luftverkehr der Bundespolizei, die Einsatz- und Ermittlungsunterstützung der Bundespolizei und das Entschärfungswesen unter einheitliche Führung gestellt. Die Direktion betreibt auch das Projekt Unbemannte Luftfahrzeuge.

Kernstück der Neugründung ist die GSG 9 der Bundespolizei mit den nunmehrigen Standorten St. Augustin bei Bonn und Berlin. Die Spezialeinheit der Bundespolizei, deren Haupteinsatzspektrum von der Bekämpfung des Terrorismus und der Organisierten Kriminalität bis hin zur Rettung von Menschenleben bei besonders schwerer Gewaltkriminalität reicht, verdankt ihre Existenz einer der schwärzesten Stunden der deutschen Polizeien. Aus der Geiselnahme der israelischen Olympiamannschaft durch das Terrorkommando „Schwarzer September“ während der Olympischen Spiele in München 1972, auf die die Verantwortlichen offensichtlich vollkommen unvorbereitet waren und die letztlich in einem Blutbad endete, zog der Bund mit der Gründung der Antiterroreinheit umgehend die Konsequenzen.

Der Verband, der sich ausnahmslos auf das Freiwilligenprinzip gründet, verfügt heute über rund 200 Einsatzkräfte und gliedert sich neben dem Stab sowie den Unterstützungs- und Ausbildungskomponenten in vier Einsatzeinheiten, die jeweils auf Präzisionsschützeneinsätze sowie maritime bzw. luftgebundene Operationen spezialisiert sind. Mit den taktischen Fallschirmspringern und den taktischen Tauchern verfügt sie über in Deutschland einzigartige Spezialkräfte.

Enger Partner der GSG 9 in der Direktion 11 ist der Flugdienst der Bundespolizei, der bereits am 1.2.1955 als Hubschrauberflugbereitschaft des BGS in den Wirkbetrieb ging. Die Bundespolizei-Fliegergruppe befehligt die Bundespolizei-Fliegerstaffeln Fuhlendorf, Blumberg, Fuldatal, Oberschleißheim und Sankt Augustin. Ferner betreibt sie die Luftfahrerschule des Bundes und der Länder mit dem Lehrbereich I (Fliegerische Ausbildung) und Lehrbereich II (Technische Ausbildung). Sie ist nach der Lufthansa der zweitgrößte Betreiber ziviler Luftfahrzeuge in Deutschland und war   jahrzehntelang eigentlicher Träger des Luftrettungsdienstes. Im derzeitigen Ist verfügt die Bundespolizei-Fliegergruppe über 10 Schulungshubschrauber, 24 Aufklärungs- und Beobachtungshubschrauber, 19 leichte Transporthubschraub sowie 23 mittlere Transporthubschrauber und ist für die Logistik von 18 Zivilschutzhubschraubern des Luftrettungsdienstes zuständig.

Die internationale Zusammenarbeit – der Schlüssel zum Erfolg

Die Bekämpfung des grenzüberschreitenden organisierten Verbrechens, des internationalen Terrorismus und der irregulären Einwanderung erfordert zunehmend eine engere Zusammenarbeit der europäischen Polizei- und Justizbehörden. Deutschland hat eine Vielzahl von bilateralen Abkommen zur Verbesserung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit mit allen Nachbarländern abgeschlossen, die in ihrer Qualität weit über den bisherigen Schengenstandard hinausgehen. Ein mustergültiges Beispiel ist der Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zur polizeilichen Gefahrenabwehr und in strafrechtlichen Angelegenheiten, der in Artikel 1 die verstärkte „Zusammenarbeit bei der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung, insbesondere der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten, sowie bei der Verfolgung von Straftaten normiert.

Neben der herkömmlichen Rechtshilfe in Strafsachen gewinnen in dem zusammenwachsenden Europa der vereinfachte bzw. beschleunigte Verkehr nach den Bestimmungen der Polizeikooperationsverträge und der Rechtshilfeergänzungsverträge an Bedeutung, bei denen in Ausnahmefällen vom Grundsatz der Abwicklung über Zentralstellen abgewichen werden kann. Hauptträger der grenzüberschreitenden Kooperationsformen sind die Gemeinsamen Zentren der Polizei- und Zollzusammenarbeit. Hierbei handelt es sich um Einrichtungen, in der Behörden aus mindestens zwei Staaten sowie auf deutscher Seite mindestens zwei Behörden (darunter mindestens ein Landeskriminalamt) dauerhaft vertreten sind. Auf deutscher Seite ist neben der Bundespolizei und den Länderpolizeien  auch die Bundeszollverwaltung vertreten. Gegenwärtig gibt es fünf Gemeinsame Zentren: Für den Bereich Deutschland-Polen in Swiecko, für den Bereich Deutschland-Tschechien in Schwandorf, für den Bereich Deutschland-Frankreich in Kehl, für den Bereich Deutschland—Frankreich-Luxemburg-Belgien in Luxembourg sowie das das Polizeikooperationszentrum zwischen der Bundespolizei, der österreichischen Polizei und der bayerischen Landespolizei, das aus Anlass der Migrationskrise im November 2015 in Passau eingerichtet und mit der Unterzeichnung einer Kooperationsvereinbarung am 29. März 2017 in ein ständiges Polizeikooperationszentrum mit Dauerbetrieb umgewandelt wurde.

Im Rahmen der strategischen Neuausrichtung der Bundespolizei praktizieren ferner Verbindungsbeamte eine Vorfeldstrategie zur frühzeitigen Verhinderung der irregulären Migration außerhalb der Grenzen Deutschlands in den Herkunft- und Transitländern. Die Bundespolizei entsendet in ausgewählte Staaten Grenzpolizeiliche Verbindungsbeamte (GVB), Grenzpolizeiliche Unterstützungsbeamte Ausland (GUA) und so genannte Dokumenten- und Visumberater (DVB). Weiterhin setzt die Bundespolizei Sicherheitspersonal an den deutschen Auslandsvertretungen oder als Personenschutz ein.

Auch die Europäische Grenzschutzagentur Frontex, die 2016 in die Europäische Grenz- und Küstenwache umgewandelt wurde, fordert ihren personellen Tribut. Für den Soforteinsatzpool von 1.500 Grenzschutzbeamten, der innerhalb von fünf Tagen nach Vereinbarung des Einsatzplans entsandt werden kann, stellt Deutschland aus naheliegenden Gründen das zahlenmäßig größte Kontingent stellen: 225 Grenzpolizisten. An zweiter Stelle rangiert Frankeich mit einem Kontingent von 170 Grenzwächtern.

Auslandsverwendungen – von Namibia über den Kosovo bis zum Hindukusch

Die eigentliche Erfolgsgeschichte der zahlreichen internationalen Polizeimissionen, bei denen die Bundespolizei ein Drittel, die Länder zwei Drittel der Kontingente stellen, wurde zunächst durch den Bundesgrenzschutz als Ahnherr der Bundespolizei geschrieben. Lange vor den quälenden verfassungsrechtlichen Diskussionen um den Auslandseinsatz der Bundeswehr war der BGS bereits im Ausland tätig. War der Einsatz der GSG 9 zur Geiselbefreiung in Mogadischu im Jahre 1977 noch ein singulärer Akt klassischer Staatsnotwehr, wurde der BGS mit Kabinettsbeschluss vom 13. September 1989 am 14.9.1989 mit 50 Beamten für fast zwei Jahre  zusammen mit 600 Polizisten aus 21 weiteren Staaten nach Namibia entsandt, um beim Übergang zur Unabhängigkeit eingesetzt zu werden. Damit waren die BGS-Beamten die ersten deutschen Uniformierten, die das blaue Barett der UN im Ausland trugen. In schneller Reihenfolge folgten Einsätze in Kambodscha, in der Westsahara und auf dem Balkan, wobei die Sinnhaftigkeit  der Auslandseinsätze, insbesondere nach dem fehlgeschlagenen Afghanistaneinsatz, nicht immer unumstritten ist. Die zwischenzeitlichen Versuche der Bundespolizei, zwei geschlossene Internationale Einsatzeinheiten ausschließlich für transnationale Soforteinsätze aufzubauen, scheiterten bis jetzt an der geringen Bewerberzahl.

Aktuell beteiligt sich die Bundespolizei mit über 60 Beamten zusammen mit anderen Behörden an 13 Friedensmissionen der Vereinten Nationen, der Europäischen Union und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Ferner werden zahlreiche Beamte und  zum Schutz deutscher Auslandvertretungen und zur polizeilichen Aufbauhilfe im Ausland eingesetzt.

Auslandseinsätze haben aber auch ihren Preis. So mussten die Bundespolizisten mehrmals bei Auslandseinsätzen Blutzoll entrichten oder wurden in Handlungen verwickelt, die jenseits dessen liegt, was die Allgemeinheit unter polizeilicher Arbeit versteht. Schutzpersonal kam bei einem terroristischen Angriff auf ein Botschaftskonvoi ums Leben, beim Überfall auf die deutsche Botschaft in Kabul mussten die Sicherheitskräfte mit dem Schnellfeuergewehr die Angreifer in Schach halten, beim überstürzten Abzug aus Afghanistan waren die Bundespolizisten zusammen mit den Fallschirmjägern der Division Schnelle Kräfte der Bundeswehr, die bis zum Schluss am Flughafen von Kabul die Stellung hielten.

Mission completed

Die Bundespolizei hat aktuell 51.315 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Davon sind 42.885 Polizeivollzugsbeamte, 2.095 Verwaltungsbeamte, 6.042 Tarifbeschäftigte und 293 Auszubildende in der Verwaltung. Der Frauenanteil beträgt 23,4 %. Trotz der anstehenden finanziellen Belastungen des Staatshaushalts durch die Corona-Pandemie sind weitere Personalzuwächse zu erwarten. Auch wenn die Bundespolizei damit zur personalstärksten Polizeiorganisation der Bundesrepublik Deutschland angewachsen ist, ist ihre Rolle aufgrund der verfassungsmäßig vorgegebenen Rahmenbedingungen, durch die die Hauptaufgaben der Polizei überwiegend Länderzuständigkeiten sind, nicht unumstritten. Im Juni 2021 fiel im Bundesrat die Neufassung des Bundespolizeigesetzes durch, da einige Länder die maßvolle Erweiterung der Zuständigkeiten der Bundespolizei im Bereich der Strafverfolgung als mit der Verfassung unvereinbar bewerteten. Gleichwohl herrschte bei allen Beteiligten Konsens darüber, dass den zunehmenden globalen und transnationalen Gefährdungen angesichts 16 unterschiedlicher Länderpolizeien nur durch eine starke ausgleichende nationale Polizeireserve begegnet werden kann, deren Hauptaufgabe zudem unverändert die Migrationskontrolle als vorrangiges Weltordnungsproblem ist. Und die Kooperation der Einsatzkräfte auf der operativen Ebene ist trotz gelegentlichen politischen Gegenwindes ein Musterbeispiel für gelebten kooperativen Sicherheitsföderalismus.