Zusammenarbeit zwischen Polizei und Feuerwehr

von Stephan Bockting, POK, Duisburg

1. Allgemeines

Brände, Verkehrsunfälle, medizinische Notfallrettung, Tierrettungen und vieles mehr – jeden Tag arbeiten Polizei und Feuerwehr zusammen. An den Einsatzstellen funktioniert die Zusammenarbeit in der Regel gut, man kennt und schätzt sich. Doch was wissen wir darüber hinaus tatsächlich über die Feuerwehr? Wie leistungsfähig ist das Brandschutzwesen in der Bundesrepublik Deutschland? Wie ist es organisiert? Auf welche Befugnisse können die Kräfte der Feuerwehr ihre Arbeit stützen? Nachfolgend soll das Feuerwehrwesen in Deutschland näher vorgestellt werden – eine Organisation, die bei allen gemeinsamen Aufgaben doch so ganz anders ist als die Polizei.

„Polizei ist grün und Ländersache“ hieß es früher oft. Aus grün wurde blau, aber sonst hat sich daran nichts geändert. Auch auf der Seite der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr sind die Rechtsgrundlagen Landesrecht, namentlich die Brandschutz-, Rettungsdienst- und Katastrophenschutzgesetze der Länder. Ebenso obliegt die Aufsicht über das Feuerwehrwesen den jeweiligen Landesinnenministerien . Das wars dann aber auch schon mit der landesweiten Zuständigkeit: Für die Einrichtung und Unterhaltung einer den örtlichen Bedürfnissen angepassten Feuerwehr ist die Gemeinde verantwortlich. Auf Bundesebene unterstützt der Deutsche Feuerwehrverband (DFV) als Interessensverband die Arbeit der Feuerwehren in Deutschland; Schwerpunktthemen des DFV sind gegenwärtig unter anderem „Gewalt gegen Einsatzkräfte“, „Menschen in der Feuerwehr/Förderung des Ehrenamtes“, „Inklusion, „Integration“, „Frauen in der Feuerwehr“ und „Europa-Notruf 112“ .

Als Beispiel für Rechtsnormen dient an dieser Stelle das Gesetz über den Brandschutz, die Hilfeleistung und den Katastrophenschutz (BHKG) für Nordrhein-Westfalen, dem es aber ähnlich ergeht wie auf unserer Seite den Polizeigesetzen der Länder: In weiten Teilen sind die Regelungen vergleichbar, tragen nur andere Namen oder Paragrafen.

Die Aufgaben der öffentlichen Feuerwehren erstrecken sich auf

  • Menschenrettung
  • Tierrettung
  • Brandbekämpfung
  • Technische Hilfeleistung
  • Umwelt-/Strahlenschutz
  • Rettungsdienst
  • Katastrophenschutz
  • Vorbeugender Brandschutz.

In welcher Form diese Aufgaben wahrgenommen werden, kann je nach lokaler Situation differieren: Bei öffentlichen Feuerwehren unterscheidet man

  • Freiwillige Feuerwehren mit rein ehrenamtlichen Kräften,
  • Freiwillige Feuerwehren mit hauptamtlichen Kräften und
  • Berufsfeuerwehren, ebenfalls unterstützt von Freiwilligen Feuerwehren.

Nachwuchssorgen plagen viele Freiwilligen Feuerwehren in ländlichen Regionen. Zwar sind die Feuerwehren gerade in kleineren Ortschaften neben der Brandbekämpfung auch wichtiger Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens, aber viele junge Menschen verlassen ihre Heimat für Berufswahl oder Studium. Wer vor Ort wohnt, steht darüber hinaus während der Berufstätigkeit als Tagespendler fern des Wohnortes nicht zur Verfügung. Nicht zuletzt entfiel mit dem Ende der Wehrpflicht auch die Möglichkeit des ehrenamtlichen Dienstes im Katastrophenschutz und der Feuerwehr als Alternative zum Pflichtdienst in den Streitkräften. Mit vielen Aktionen zur Mitgliederwerbung versuchen die Feuerwehren vielerorts, dem Problem entgegenzuwirken. Ehrenamtliche Feuerwehrkräfte sind vom Arbeitgeber für Einsätze und Ausbildung freizustellen; die Gemeinde erstattet auf Antrag den Verdienstausfall .

Finden sich in einer Gemeinde nicht genug Interessenten für den Dienst in der Feuerwehr, so dass eine Freiwillige Feuerwehr nicht zu Stande kommt, muss die Gemeinde eine Pflichtfeuerwehr einsetzen, zu der alle Einwohnerinnen und Einwohner vom 18. bis zum 60. Lebensjahr herangezogen werden können . Polizeivollzugsbeamte, Mitglieder anderer Hilfsorganisationen und hauptberufliche feuerwehrtechnische Beamte sind davon ausgenommen . In Deutschland existieren zurzeit rund zehn Pflichtfeuerwehren.

Wird der Grundschutz in einer größeren Gemeinde von hauptamtlichen Kräften einer Freiwilligen Feuerwehr oder sogar durch eine Berufsfeuerwehr sichergestellt, so sind die hauptberuflichen Feuerwehrkräfte grundsätzlich verbeamtet ; dabei findet die dreigeteilte Laufbahn Anwendung . Voraussetzung für den Einstieg im mittleren Dienst  ist in der Regel eine (technische oder medizinische) Berufsausbildung. Führungstätigkeiten im gehobenen  oder höheren  Dienst setzen langjährige Berufserfahrung oder ein technisches/naturwissenschaftliches Studium, beispielsweise der Chemie, der Physik oder einer Ingenieurwissenschaft, voraus. Führungskräfte der Feuerwehr sind durch Funktionswesten gekennzeichnet und so auch für Außenstehende leicht zu erkennen – im Vergleich zur Polizei ein erheblicher Vorteil. Die Einsatzleitung erfolgt direkt am Schadensort.

Die Gemeinden sind nach dem Gesetz in der Pflicht, „den örtlichen Verhältnissen entsprechende leistungsfähige Feuerwehren“ einzurichten .  Durch städtebauliche, verkehrliche und industrielle Entwicklungen unterliegen genau diese „örtlichen Verhältnisse“ einem stetigen Wandel und ebenso das damit verbundene Gefahrenpotenzial; daher sind die Gemeinden ebenso verpflichtet, sogenannte „Brandschutzbedarfspläne“ zu erstellen und regelmäßig fortzuschreiben . Darin wird unter anderem die personelle und technische Ausstattung der Feuerwehr vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen hinterfragt. Unterstützung, beispielsweise durch Gefahrenabwehrplanung für Großlagen und die Einrichtung von Leitstellen, leisten die Kreise  sowie – durch Zuwendungen, eine zentrale Ausbildungsstätte und den Krisenstab der Landesregierung – das Land.

Auch in Städten mit leistungsstarken Berufsfeuerwehren existieren freiwillige Feuerwehren, die in das Gesamtsystem der örtlichen Feuerwehr gezielt eingebunden sind, indem sie entweder in Vororten die Berufsfeuerwehr unterstützen oder Spezialaufgaben wahrnehmen.

Neben den öffentlichen Feuerwehren existieren zahlreiche nichtöffentliche Feuerwehren in Betrieben. Auch hier sind die Dimensionen sehr unterschiedlich, vom Kleintransporter mit Löschmaterial in einer Garage bis zu Werkfeuerwehren in der chemischen Industrie, die oft größer sind als manche städtische Berufsfeuerwehr. In Abhängigkeit vom Gefahrenpotenzial ist die Feuerwehr großer Betriebe und Werke Teil der Betriebsgenehmigung. Im Klartext: Ohne einsatzbereite Flughafenfeuerwehr in der vorgeschriebenen Stärke, bewegt sich auf einem Airport nicht ein einziger Flieger. Gleichwohl arbeiten öffentliche und nichtöffentliche Feuerwehren häufig eng zusammen, so dass bei einem Wohnungsbrand in unmittelbarer Werksnähe oder beim Verkehrsunfall im Flughafenparkhaus die Werkfeuerwehr Erstmaßnahmen einleitet. Darüber hinaus unterhalten auch die Bundeswehr und die Stationierungsstreitkräfte an ihren Standorten eigene Einheiten zur Brandbekämpfung.

Einsatz- und Übungsdienst der Feuerwehr orientieren sich, analog zur Polizei, an Dienstvorschriften. Was für uns die PDV, ist für die Feuerwehr die Feuerwehr-Dienstvorschrift FwDV, zum Beispiel für Lösch- und Hilfeleistungseinsätze (FwDV 1), Atemschutz (FwDV 7) oder Führung im Einsatz (FwDV 100).

Unterschrift: Löschzug einer Berufsfeuerwehr, bestehend aus (v.r.n.l.) Kommandowagen, Hilfeleistungs-Löschfahrzeug, Drehleiter, Tanklöschfahrzeug und Rettungswagen. In dieser Formation rückt die Feuerwehr aus, wenn ein Brand gemeldet wird.

2. Rechte und Pflichten

Der Feuerwehr stehen im Einsatz einige Rechte zu, einschließlich des Eingriffs in Grundrechte:

  • Platzverweis
    Feuerwehrkräfte sind nach dem Gesetz befugt, das Betreten des Einsatzgebietes zu verbieten und Personen von dort zu verweisen . Ihnen steht also in der Theorie die Möglichkeit des Platzverweises im eng umrissenen Bereich zu. De Facto wird dies den Einsatzkräften schwer möglich sein, wenn sie sich auf ihre eigentliche Aufgabe konzentrieren müssen und nicht genügend Kräfte zur Verfügung stehen. Unterstützung durch die Polizei ist hier häufig nötig und sinnvoll – auch deshalb, weil einem Platzverweis durch Feuerwehrangehörige weniger motiviert Folge geleistet wird, als es bei einer polizeilichen Maßnahme der Fall ist.
  • Hilfeleistungspflicht
    Die Feuerwehr darf Personen zur Hilfeleistung bei Unglücksfällen verpflichten. Dies gilt ebenso für das Bereitstellen von Fahrzeugen und Geräten durch jedermann .
  • Betreten von Grundstücken
    Eigentümerinnen und Eigentümer von Grundstücken sind verpflichtet, Brandverhütungsschauen und das Anbringen von Feuermelde- und Alarmeinrichtungen zuzulassen, sowie in Einsatzfällen das Betreten des Grundstückes durch die Feuerwehr zu gestatten. Das Betretungsrecht gilt auch für Erkundungsmaßnahmen im Einsatz oder für Übungszwecke, soweit dies notwendig ist. Ferner müssen Wasservorräte auf Anforderung zur Verfügung gestellt werden . Durch die Gemeinde wird jeweils bei Bedarf Entschädigung geleistet.

Ein paar Zahlen mögen die Bedeutung des Feuerwehrwesens für die Bundesrepublik verdeutlichen: Im Jahr 2016 wurden durch die Feuerwehren 3.899.339 Einsätze abgearbeitet; das heißt, dass in jeder einzelnen Sekunde des Jahres acht Einsätze eröffnet wurden – irgendwo in Deutschland. Der überwiegende Anteil, nämlich rund 57 Prozent, waren medizinische Notfalleinsätze, gefolgt von technischen Hilfeleistungen (15 Prozent), Krankentransporten (12 Prozent) und Fehlalarmierungen (fünf Prozent). Ein interessanter Aspekt bei den Fehlarmierungen: Hier waren „blinde Alarme“ deutlich in der Überzahl, also Notrufe, die zwar im guten Glauben abgesetzt wurden, die sich vor Ort aber als harmlos entpuppten, beispielsweise wenn sich Rauchentwicklungen als Wasserdampf oder Brandflackern als stylische Innenbeleuchtung herausstellten. Böswillige Alarmierungen und Fehlfunktionen von Brandmeldeanlagen blieben dahinter deutlich zurück; die Entwicklung der Einsätze durch Fehlfunktionen von Heimrauchmeldern dürfte für die Zukunft interessant zu beobachten sein.

Erst an fünfter Stelle erscheinen mit 4,5 Prozent die Brandeinsätze als Namensgeber der Organisation in der Statistik. 1,2 Millionen dieser Einsätze wurden allein durch Freiwillige Feuerwehren bearbeitet, also weitgehend auf ehrenamtlicher Basis. Über 22.000 Freiwillige Feuerwehren gibt es in Deutschland mit insgesamt fast 1.000.000 Mitgliedern; nur rund 6.000 von ihnen leisten ihre Arbeit hauptberuflich. Ihnen stehen in Großstädten 105 Berufsfeuerwehren mit mehr als 31.000 Beamtinnen und Beamten sowie rund 750 Werkfeuerwehren zur Seite.

3. Taktik und Technik der Feuerwehr

Analog zur Polizei wird bei der Feuerwehr mit Einsatzstichworten gearbeitet, basierend auf den Informationen, die die Leitstelle beim Notruf gewinnen konnte. Entsprechend der örtlich festgelegten „Alarm- und Ausrückeordnung (AAO)“ werden Einsatzmittel zum Ort des Geschehens entsandt. Leitstellendisponenten in Feuerwehrleitstellen müssen als Führungskräfte qualifiziert sein . Es ist  üblich, dass Einheiten mehrerer Standorte ausrücken und sich an der Einsatzstelle treffen (sog. „Rendez-vous-Prinzip“). Der taktische Einsatzwert bestimmt sich auch bei der Feuerwehr aus der Kombination von Mannschaft und Gerät und hier insbesondere den vielfältigen Einsatzfahrzeugen.

Fahrzeuge der Feuerwehr sind deutschlandweit genormt, was sowohl überörtliche Einsätze und die Gestaltung von Gebäuden im Baurecht erleichtert (Feuerwehrzufahrten, Tragfähigkeit von Tiefgaragen, etc.), als auch wirtschaftliche Vorteile in der Beschaffung bietet. Unterschieden werden in der Norm z.B. Einsatzleitwagen, Hilfeleistungs-Löschfahrzeuge, Tanklöschfahrzeuge, Drehleitern, Rüstwagen, Kranwagen, Rettungswagen, Notarztwagen, etc. in  jeweils unterschiedlichen Dimensionen. Am weitesten verbreitet sind Hilfeleistungs-Löschfahrzeuge (HLF): Diese bilden mit einer Besatzung aus vier bis sechs Einsatzkräften die Basiseinheit sowohl zur technischen Hilfeleistung als auch zur Brandbekämpfung. In genormten HLF sind Löschwassertanks, Generatoren und Pumpen fest eingebaut, mit denen die Einsatzstelle ausgeleuchtet, Werkzeuge betrieben und Löschwasser gefördert werden können. Automatisierte Drehleiterfahrzeuge mit Korb (DLA-K), die mit einer automatisch gesteuerten Leiter sowohl als Rettungs- als auch als Angriffsweg dienen können, erreichen nach Norm grundsätzlich alle Wohnungen bis zum siebten Obergeschoss eines Hauses.

Höhere Gebäude gelten als Hochhaus und müssen speziellen, anspruchsvollen Bauvorschriften genügen. Feuerwehr-Zufahrten an Gebäuden sind auf die Leistungsparameter eines DLA-K ausgelegt, so dass z.B. Falschparker, die die Zufahrt blockieren, die Einsatzmöglichkeiten erheblich beeinflussen. Zwar kann der Bordcomputer eines DLA-K abhängig von Abstützbreite und Bodenbeschaffenheit zentimetergenau die Ausladung des Leiterparks bewerten, aber die Grenzen der Physik lassen sich so nicht überwinden. Tanklöschfahrzeuge (TLF) besitzen einen fest eingebauten, großvolumigen Löschwassertank und ermöglichen eine Brandbekämpfung in Gebieten ohne zufriedenstellende Wasserversorgung durch Hydranten, beispielsweise auf Autobahnen oder an abgelegenen Gehöften. Rüstwagen (RW) schließlich eignen sich für technische Hilfeleistungen auch größeren Umfangs, von der Befreiung Eingeschlossener aus LKW oder Baugruben bis zum Retten von Großtieren mit speziellen Hebegeschirren. Rüstwagen sind häufig mit einer fest eingebauten Seilwinde und leistungsstarken Generatoren ausgestattet. Für besondere Einsatzzwecke werden darüber hinaus Spezialfahrzeuge vorgehalten, z.B. für Chemieunfälle oder Einsätze mit Straßenbahnen oder Tieren.

4. Feuer! Die Zusammenarbeit mit der Polizei in der Praxis

Konkrete Hinweise für die Zusammenarbeit an der Einsatzstelle waren bereits im Jahr 2012 Gegenstand eines Artikels in dieser Publikation. Diese Ausgabe ist nicht mehr verfügbar, die Kernaussagen haben jedoch nach wie vor Gültigkeit, so dass nachfolgend die wesentlichen Inhalte für das Thema „Brandeinsätze“ zusammenfassend wiedergegeben werden sollen:

Brände gehen mit einem erheblichen Gefahrenpotenzial einher, sowohl für die Gesundheit als auch für Umwelt und Sachwerte. Aufgabe der Feuerwehr ist die Rettung von Menschen und Tieren und das Verhindern der Brandausbreitung; ihr obliegt als originär zuständiger Behörde die Einsatzstelle. Für die Polizei stellt sich eine Gemengelage aus Gefahrenabwehr und Strafverfolgung dar, da mindestens eine Straftat nach § 306d (fahrlässige Brandstiftung), möglicherweise aber auch ein Verbrechenstatbestand nach §§ 306ff im Raum steht. „Um Gesundheit und Leben von Menschen und Tieren sowie Sachwerte zu schützen oder zu retten, haben die Rettungs- und Löscharbeiten der Feuerwehr bei Bränden zunächst absoluten Vorrang.“  Die taktischen Ziele der Polizei bei Bränden sind:

  • Gewinnen weiterer Erkenntnisse zur Gefahrenlage und zum Schadensausmaß
  • Abwehren von Gefahren für Leben, Gesundheit und Sachwerte
  • Erforschen der Brandursache
  • Sicherstellen einer beweissicheren Strafverfolgung.

Die Spurensicherung nach Brandereignissen ist ein komplexes Thema und wird an dieser Stelle nicht weiter betrachtet, vielmehr sollen die Gefahren der Brandstelle im Fokus stehen. Die Feuerwehr bewertet Gefahren der Einsatzstelle nach dem Schema AAAA C EEEE – Atemgifte, Angstreaktionen, Ausbreitung, Atomare Strahlung, Chemische Stoffe, Erkrankung/Verletzung, Explosion, Einsturz, Elektrizität. Für Polizeibeamte ist dieses umfangreiche Schema nicht von Nöten; jedoch schadet ein aufmerksames „Gefahrenradar“ sicher nicht. Der Leitfaden 371 betrachtet bei Bränden im Schwerpunkt Atemgifte und greift daher an einigen Stellen etwas kurz.  Häufig trifft die Polizei bei Bränden vor der Feuerwehr ein und findet sich in einer Dilemmasituation wieder, insbesondere wenn Menschen in akuter Gefahr sind. Ein Beispiel:

Mit dem Einsatzauftrag „Brand in einem Mehrfamilienhaus“ trifft ein FuStkw kurz nach der Alarmierung vor Ort ein. Ergebnis der ersten Lageerkundung: Es handelt sich um ein mehrgeschossiges Wohnhaus, aus den Fenstern der Erdgeschosswohnung dringt dichter Rauch. Ob sich eine Person in der Wohnung befindet, ist unklar. An den Fenstern der oberen Geschosse sind vereinzelt Personen zu erkennen; ebenso im Treppenhaus. Die Feuerwehr ist noch nicht vor Ort.

Welche Maßnahmen können die Kolleginnen und Kollegen vor Ort nun treffen? Für die Beurteilung der Lage ist gut zu wissen, wie ein Brand physikalisch „funktioniert“:

In diesem Beispiel wird mit hoher Wahrscheinlichkeit Mobiliar oder ein Elektrogerät in Brand geraten sein. Eine starke Rauchentwicklung ist die Folge, möglicherweise auch ohne offene Flammen. Fehlt es dem Feuer am „richtigen“ Mischungsverhältnis aus Sauerstoff, Temperatur und brennbarem Stoff, füllt sich der Raum von Minute zu Minute zunehmend mit heißen, brennbaren und zündfähigen Rauchgasen. Eine plötzliche Sauerstoffzufuhr kann nun dazu führen, dass genau dieses Mischungsverhältnis passt und der Rauch schlagartig durchzündet. Die Wohnung mit allem, was sich darin und davor befindet, steht sofort im Vollbrand. Gleichzeitig ist Brandrauch hochgiftig, und wenige Atemzüge genügen, um den Tod eines Menschen zu verursachen.

Diese theoretische Betrachtung wird durch das Öffnen der Wohnungstür in die Praxis umgesetzt, z.B. bei dem Versuch, den oder die Bewohner zu retten. Welche Folgen der aus dem Rauch austretende Feuerball für Personen vor der Tür hat, bedarf nicht viel Phantasie. Nicht nur, dass die Wohnung danach komplett in Flammen steht, auch der vorher rauchfreie Treppenraum ist durch die Kaminwirkung nunmehr binnen wenigen Sekunden komplett von Brandrauch durchzogen und steht als Fluchtweg nicht mehr zur Verfügung.

Für die nun eintreffende Feuerwehr, ebenfalls mit dem Stichwort „Wohnungsbrand“ alarmiert, bietet sich folgende Lage:

  • Eine Wohnung steht im Vollbrand, unklar ist, ob sich darin eine Person befindet.
  • Mindestens eine Person (diejenige, die die Türe geöffnet hat) ist schwer brandverletzt.
  • Den Bewohnern des Hauses ist durch das verrauchte Treppenhaus der Fluchtweg abgeschnitten. Sie stehen an den Fenstern und rufen um Hilfe.
  • Wie viele Personen sich noch im Haus befinden, ist unklar.
  • Der Aufbau des Leiterfahrzeuges und des Löschangriffs wird durch umstehende Personen erheblich behindert.

Die Feuerwehrkräfte sehen sich so gleich mehreren erheblichen Gefahren für Leib und Leben gegenüber und müssen priorisieren. Ein Problem ist dabei, dass eine Menschenrettung ohne Brandbekämpfung kaum möglich ist, wenn sich der Brand weiter ausbreitet. Das Haus selbst ist durch die Beaufschlagung mit toxischem Brandrauch im gesamten Treppenhaus nicht mehr bewohnbar.

Bleibt die Tür zur Brandwohnung alternativ geschlossen, kann die Ausbreitung der Gefahr eingedämmt werden; allerdings um den Preis, dass die toxische Einwirkung auf die Person in der Wohnung bestehen bleibt. Eintreffende Polizeikräfte können die umstehenden Personen zur Informationsgewinnung befragen, den Arbeitsraum für die Feuerwehr großflächig freihalten und die Menschen in den Wohnungen des Hauses per Lautsprecher auffordern, in der Wohnung zu bleiben und sich am Fenster bemerkbar zu machen.

Bei dieser Entwicklung bietet sich den eintreffenden Feuerwehrkräften dann die folgende Lage:

  • Eine Wohnung ist stark verraucht, wobei unklar ist, ob sich darin eine Person befindet.
  • Das Treppenhaus ist rauchfrei.
  • Die Fläche vor dem Haus steht als Bewegungsraum zur Verfügung.

Die Einsatzkräfte würden nun nach Einzelfallentscheidung vor Ort entweder die Bewohner durch den Hausflur nach draußen führen (mit Fluchthauben, falls es unvorhergesehen doch zu einem Raucheintritt ins Treppenhaus kommt) oder in den Wohnungen belassen, durch die Wohnungstür mit einem Rauchverschluss (vergleichbar einer Jalousie) oder sogar durch Fenster von der Straße aus in die Brandwohnung eindringen und sofort mit Löschwasser den Rauch abkühlen um eine Durchzündung zu verhindern und unter Atemschutz die Suche nach dem vermissten Bewohner einleiten. Der Brand selbst ist schnell gelöscht, das Haus wird belüftet, und die Bewohner können in ihre Wohnungen zurück.

Eine Erweiterung des Beispiels: Beim Eintreffen der Polizei schlagen helle Flammen aus den geborstenen Fenstern der Wohnung; es wird ebenfalls eine Person in der Wohnung vermutet. Welche Varianten sind denkbar?

  • Die Person hält sich tatsächlich in der Wohnung auf und ist mindestens seit mehreren Minuten hohen Temperaturen und hochgiftigem Rauch ausgesetzt, sodass die Überlebenswahrscheinlichkeit verschwindend gering ist.
  • Die Person ist wider Erwarten nicht in der Wohnung (nicht zu Hause, hat sich selbst bereits in Sicherheit gebracht, etc.).

Es klingt tragisch, aber analytisch betrachtet ist die Lage nahezu statisch. So muss auch hier die Frage erlaubt sein, welche Gründe sachlich dafür sprechen, ohne Schutzkleidung, ohne Löschmittel und ohne entsprechende Ausbildung in eine brennende Wohnung einzudringen.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Dieses Beispiel soll kein Plädoyer dafür sein, Personen in Brandwohnungen sich selbst zu überlassen. Es soll aber dazu anregen, in einer solchen Situation sachlich die eigenen Handlungsoptionen zu reflektieren und unter Umständen auf eine erhebliche Gefährdung des eigenen Lebens, für die es keinen rationalen Grund gibt, zu verzichten.

Zweifelsohne bleibt der hoch emotionale Part einer solchen Lage hinter der rein sachlichen Betrachtung zurück, und das Gefühl der Hilflosigkeit, während wenige Meter entfernt dringend Hilfe erforderlich, ist zermürbend. Wie mag es dann Feuerwehrkräften gehen?

Um bei dem Beispiel zu bleiben: Ein Rettungswagen der Feuerwehr trifft deutlich vor dem Löschzug ein. Die vorgefundene Lage selbst ist die gleiche, nur dass die Kräfte nun sehr wohl die Ausbildung haben, um hier vorgehen zu können, es jedoch schlicht an der Ausstattung fehlt. Noch deutlicher wird die Botschaft, wenn die Situation einmal umgedreht wird: Bei einer Bedrohungslage trifft der Rettungsdienst vor der Polizei ein. Auch hier benötigt eine möglicherweise verletzte Person dringend Hilfe. Ob das medizinische Personal angesichts dieses Dilemmas in den Tatort vorgehen wird, wo es auf einen bewaffneten Täter trifft und so die Lage zur Eskalation führen kann? Wahrscheinlich eher nicht.

5. Resümee

Menschen und Tiere retten und erhebliche Sachwerte schützen – die „Mission“ von Feuerwehr und Polizei ist die gleiche. Erreicht wird sie auf unterschiedlichen Wegen. Verständnis für die gegenseitigen Anforderungen erleichtert die Arbeit vor Ort ganz erheblich und sichert damit schlussendlich den gemeinsamen Erfolg. PVB (Polizeivollzugsbeamte), die wissen, dass die Feuerwehr ihren Einsatz aufgrund der Einbauten von den Fahrzeugen als Ausgangspunkt entwickeln muss, können besser einschätzen, welcher Platzbedarf nötig ist. Wer um die Gefahren einer Brandstelle weiß, wird dies in die Entscheidungen einfließen lassen. Und Feuerwehrkräfte, die um die Bedeutung der Spurensicherung wissen, können einen besseren Blick für Informationen entwickeln, die feuerwehrtaktisch unbedeutend, aber für die Polizei sehr wichtig sind, beispielsweise eingeschlagene Fenster oder verschlossene Türen.